Nach massiven Absatzproblemen mit dem neuen Bio-Sprit E10 wird die Einführung an allen weiteren Tankstellen vorläufig gestoppt. Damit ist E10 vorerst nur an knapp der Hälfte der 15.000 Tankstellen in Deutschland erhältlich. Ein Ausweg aus der verfahrenen Situation ist derzeit nicht absehbar – E10 kommt bei den Autofahrern einfach nicht an.
In das E10-Chaos schaltet sich nun Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ein. Er werde zeitnah alle Beteiligten zu einem "Benzin-Gipfel" einladen, sagte Brüderle am Donnerstag in Berlin. "Fakt ist, dass die Verbraucher völlig verunsichert sind." Der Minister verlangt nun Aufklärung. "Ich halte es daher für entscheidend, dass die Beteiligten, insbesondere die Automobil- und die Mineralölwirtschaft, die Atempause bei der Umstellung auf E10 nutzen, um bei den Verbrauchern für absolute Klarheit zu sorgen." Die Industrie müsse der Regierung ihre weiteren Schritte erläutern. Der genaue Termin für das Spitzentreffen steht noch nicht fest.
Die Branche hält den Umstellungsstopp für unumgänglich. "Das System platzt sonst", sagte der Hauptgeschäftsführer des Minerölwirtschaftsverbandes (MWV), Klaus Picard, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur mit Blick auf Versorgungsengpässe bei anderen Benzinsorten. Denn auf die ist wegen des Käuferstreiks bei E10 ein wahrer Ansturm entbrannt (wir berichteten). Die überwältigende Mehrheit aller Fahrer von Benzinern meidet an den Zapfsäulen den neuen Biosprit und wirbelt damit seit Tagen eine ganze Branche durcheinander.
Bisher wurde E10 als Nachfolger für das herkömmliche Super vor allem im Osten und Süden des Landes eingeführt – nun war eigentlich Nordrhein-Westfalen an der Reihe. Doch auch im bevölkerungsreichsten Bundesland wird das neue Super nun vorerst noch nicht zu tanken sein. Nach den Angaben von Picard soll zunächst abgewartet werden, ob die Verbraucher den Sprit in den kommenden Tagen besser annehmen. Erst dann könne E10 auch in den restlichen Regionen Deutschlands kommen.
Nach Darstellung des MWV gibt es derzeit massive Versorgungsprobleme bei anderen Spritsorten, wie Super Plus. Zudem könnten viele Raffinerien ihren vollen E10-Tanks nicht leeren. Mit einem eindringlichen Appell an die Autofahrer hatte die Mineralölwirtschaft am Mittwoch zum Umstieg auf die neue Kraftstoffsorte aufgerufen. Picard betonte, dass das neue Super-Benzin E10 mit einer Beimischung von zehn Prozent Ethanol hochwertig sei und beinahe allen Benziner-Motoren nicht schlechter bekomme.
"Massiver staatlicher Eingriff"
Die Mineralölwirtschaft beklagt, dass sie von der EU und der Bundesregierung zum Verkauf eines Ladenhüters gezwungen werde. Sie und ihre Benzinproduzenten fühlen sich bei der Einführung des neuen E10 bevormundet und unter wirtschaftlichen Druck gesetzt. "Wir haben keinen freien Markt, sondern massiven staatlichen Eingriff", sagte Picard dem ARD-"Morgenmagazin". Mit mehr Biokraftstoff will die Regierung erreichen, dass Deutschland unabhängiger wird vom Öl und das Klima mehr geschützt wird. Das neue Gesetz zur E10-Einführung erfüllt eine vorangegangene Vorgabe der EU.
Das Problem mit dem neuen Sprit spitzt sich seit einigen Tagen zu. Super soll nach und nach komplett von E10 ersetzt werden, doch die meisten meiden das neue Produkt und nutzen die ihnen bekannten, verbleibenden Alternativen - das ist in aller Regel Super Plus mit 98 Oktan. Die Folge: Die Raffinerien und Tankstellen bleiben auf dem E10 sitzen, und das stärker begehrte Super Plus wird vielerorts knapp. E10 hat den Nachteil, dass es zwar bis zu acht Cent billiger ist, als Super Plus, sich damit aber bis zu zwei Prozent weniger Strecke zurücklegen lässt.
Marian-M. Waworka
Siegfried erdelhoff
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