Niederlassungen: Die kleinen müssen raus

Noch will sich kein Unternehmer zu seinen Kaufabsichten äußern, hinter den Kulissen brodelt es aber offenbar gewaltig: Daimler will den konzerneigenen Vertrieb neu ordnen und zahlreiche Niederlassungen verkaufen. Darüber geredet wurde schon öfter, nun werden aber konkrete Maßnahmen ergriffen. "Unternehmensleitung und Betriebsrat haben sich auf die Rahmenbedingungen einer Neuausrichtung der Niederlassungen verständigt", teilte das Unternehmen Ende Juli mit. Daimler hatte bereits im Mai die geplanten Einschnitte damit begründet, "langfristig wirtschaftlich und profitabel agieren zu können". Bislang gab es aber eine Garantie, ganze Niederlassungen nicht vor Ende 2015 zu verkaufen. Außerdem waren betriebsbedingte Kündigungen nach Angaben des Konzerns bis 2017 ausgeschlossen. Jetzt haben sich Konzern und Betriebsrat aber auf eine andere Lösung geeinigt. Bestehende Niederlassungen werden zusammengefasst Die neuen Bedingungen sind: Ab 1. Januar 2015 werden bestehende Niederlassungen zu Vertriebsverbünden zusammengefasst. Aus den Vertriebsverbünden können einzelne Betriebe an externe Erwerber veräußert werden. Laut einer Daimler-Sprecherin stehen 56 Autohäuser und Werkstätten zur Disposition, 40 in Westdeutschland, 16 im Osten der Republik. Das sind mehr als ein Drittel der derzeit 158 Standorte, die zu 33 Niederlassungen gehören. Bei der Auswahl der zu veräußernden Standorte seien nicht die Ertragskraft und das Ertragspotenzial allein ausschlaggebend gewesen, heißt es aus Berlin, sondern es wurde auch berücksichtigt, welche Häuser gut verkauft werden könnten. Die großen Standorte in den Metropolregionen sind deshalb nicht dabei. Die könnten sich wohl auch noch nicht einmal die großen Handelsgruppen leisten. Im Angebot sind vornehmlich kleinere Betriebe, die auch von Händlern übernommen werden könnten. Bestätigte Planungen Bestätigt hat der Konzern folgende Planungen zum Beispiel in Mitteldeutschland: Die Niederlassungen in Dresden, Leipzig und Magdeburg fusionieren. Magdeburg einschließlich der Standorte Burg und Wernigerode werden anschließend zum Verkauf gestellt. In Thüringen hat Mercedes zwar keine eigenen Niederlassungen. Der Hersteller hält aber 100 Prozent an Russ & Janot. Die Mercedes-Tochter hat Autohäuser in Erfurt, Arnstadt und Weimar. Alle drei werden nun zum Verkauf angeboten. Im Rhein-Main-Gebiet fusionieren die Niederlassungen Frankfurt/Offenbach, Mainz, Darmstadt und Fulda. Die Häuser in Wiesbaden, Wiesbaden-Schier, Taunusstein und Idstein sollen anschließend verkauft werden. In Bayern fusionieren die Niederlassungen Augsburg und München zur Vertriebsdirektion Bayern. Regensburg, Nürnberg und Mainfranken zur Vertriebsdirektion Franken. Der Standort in Pfaffenhofen steht zur Disposition. In der zweiten Phase Verkauf In Baden-Württemberg werden die Niederlassungen Stuttgart, Reutlingen, Ulm und Ravensburg zur Vertriebsdirektion Württemberg gebündelt. In einer zweiten Phase sollen dann die Häuser in Leutkirch, Pfullendorf, Ravensburg und Weißensberg zum Verkauf angeboten werden. Mannheim, Freiburg, Saarland und Baden-Baden schließen sich zur Vertriebsregion Süd-West zusammen. Saarlouis, Homburg, Neuenkirchen, Freiburg, St. Wendel, zwei Häuser in Saarbrücken und zwei in Baden-Baden werden anschließend verkauft. Die Niederlassungen Hannover, Braunschweig und Kassel verschmelzen zur Vertriebsdirektion Mitte. Danach werden die Standorte in Goslar, Seesen, Kassel und alle drei in Braunschweig zum Verkauf angeboten. In den Mercedes-Benz Niederlassungen Schwerin und Rostock sowie in Kiel und Lübeck wurden die Mitarbeiter bereits darüber informiert, dass sie künftig als Vertriebsdirektion Ostsee geführt werden. "In einer zweiten Phase sollen die Mercedes-Häuser in Kiel, Bad Oldesloe, Mölln, Schwerin, Valluhn, Rostock, Rostock-Schutow und Upahl zum Verkauf angeboten werden", bestätigte Konzernsprecherin Ulrike Bless. Details müssen noch mit dem Betriebsrat verhandelt werden Eine Liste aller zum Verkauf stehender Betriebe wollte das Unternehmen nicht herausgeben. Dafür ist wohl doch noch zu viel unklar. Gerade was die wichtigen Personalfragen angeht, müssen die Details noch mit dem Betriebsrat verhandelt werden, heißt es aus der Konzernzentrale. Die rechtlichen Konstellationen sind zudem im Osten anders als im Westen, weil die Konzerntöchter in den neuen Bundesländern als GmbHs organisiert sind. Der Betriebsrat hat aber wohl einsehen müssen, dass gehandelt werden muss: "Den Verkauf von Betrieben konnten wir jetzt nicht verhindern", erklärte Gesamtbetriebsratsvorsitzender Michael Brecht. Dafür gibt es aber eine neue Vereinbarung "Zukunftssicherung 2023", die betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2023 ausschließt. Eventuelle Nachteile, die den Beschäftigten aus einem Verkauf entstehen, sollen umfassend ausgeglichen werden. Wie das genau passieren soll, muss noch verhandelt werden. Das war wohl der Preis, den Mercedes dafür zahlen musste. Motivierte Mitarbeiter gebraucht Daimler hat damit aber für potenzielle Interessenten den Weg geebnet: Mit den Pensionsansprüchen der Mitarbeiter und den Beschäftigungsgarantien wären die Niederlassungen unverkäuflich gewesen. Mit der nun vereinbarten "sozialverträglichen Lösung für einen zentralen Interessenausgleich und einen Sozialplan" könnte das klappen. Denn das könnte den goldenen Handschlag für so manchen ausscheidenden Mitarbeiter bedeuten. Übernahmen durch Händler müssen aber gar nicht unbedingt mit Entlassungen verbunden sein. Im Gegenteil: So mancher Interessent rechnet damit, auch Personal aufbauen zu müssen, da sich Mitarbeiter wegen der unsicheren Lage schon verabschiedet hätten. Dr. Peter Ritter, Vorsitzender des Mercedes-Benz Vertreterausschusses, betonte, dass auch die Arbeitsplätze bei Mercedes-Benz-Vertretern sehr gut und sicher seien und auch das Vertreternetz motivierte Arbeitnehmer brauche. Gespräche im Hintergrund Ziel von Daimler jedenfalls sei es, überall Käufer zu finden, die die Autohäuser als Mercedes-Vertragshändler weiterführen, heißt es aus Berlin. Interessenten für die Übernahme gibt es offenbar einige. Auf Anfrage wollte sich aber keiner der im Vorfeld genannten dazu äußern. Im Hintergrund laufen aber sehr wohl Gespräche, die vereinzelt auch bestätigt wurden. Man muss sich auch nur die Liste der größten Mercedes-Benz-Vertreter und der regionalen Platzhirsche anschauen, um zu wissen, wer da im Spiel ist. Die Penske Gruppe, Senger, Peter, Scholz, BrinkmannBleimann - um nur einige zu nennen, sie alle könnten dabei sein. Unter Hinweis auf Vertraulichkeitsklauseln wollte das keiner der Befragten kommentieren. Konzernsprecherin Konstanze Fiola betonte, Daimler suche als Übernehmer nur Unternehmer mit Top-Reputation. "Tariftreue und dauerhafter wirtschaftlicher Erfolg stehen dabei ganz oben. Bevor wir Verträge schließen, prüfen wir unsere Partner genau nach einem bewährten Regelwerk." Im nächsten Jahr wird sich hier also voraussichtlich einiges tun. Trotzdem bleibt es aber auch bei Investitionen von 500 Millionen Euro in den nächsten Jahren in die konzerneigenen Standorte: Unter anderem sollen die Neubauten in Frankfurt, Bremen und Stuttgart weiter verfolgt werden. Rückstellungen für etwaige Abfindungsregelungen seien in den 500 Millionen Euro auch noch nicht enthalten, hieß es. PSA baut auch um Auch andere Hersteller ändern derzeit die Aufstellung ihrer eigenen Betriebe. So baut PSA sein Niederlassungsnetz hierzulande um. Künftig sollen 26 Niederlassungsstandorte alle drei Konzernmarken Peugeot, Citroen und DS anbieten. Bisher haben nur fünf Filialen alle Fabrikate im Portfolio. Aber auch die anderen Standorte sollen verändert werden: „Wir planen, die konzerneigenen Standorte auf eine marktgerechtere und rentablere Basis zu stellen“, erklärte Joel Gorin, Leiter von Peugeot Citroen Retail Deutschland. Citroen wird von heute 18 auf 30 Verkaufshäuser aufgebaut. Das Peugeot-Niederlassungsnetz soll von derzeit 47 auf 40 Betriebe schrumpfen. „Zwei unserer bisherigen Niederlassungsstandorte sind unserer Überzeugung nach besser in der Hand von Händlern oder privaten Investoren aufgehoben“, so Gorin. „Weitere fünf Standorte sollen aufgrund ihrer schwierigen regionalen und operativen Voraussetzungen nicht weitergeführt werden, da dort aus unserer Sicht profitable Ergebnisse auch langfristig nicht erreichbar sind.“ Um welche Standorte es sich konkret handelt, wollte das Unternehmen nicht bekannt geben. Schon bisher hatte Peugeot aber stets betont, dass Betriebe, wo es möglich ist, an Händler abgegeben werden. Ein Beispiel, dass dies gut gelingen kann, ist die Übernahme der Niederlassung Kassel durch die Glinicke-Gruppe. Glinicke hat aber derzeit keine konkreten Pläne weitere Peugeot-Standorte zu übernehmen, teilte Geschäftsführer Peter Glinicke mit. Andere sichern Standorte Andere Hersteller betonen, dass sie hauptsächlich Niederlassungen unterhalten, um in Metropolregionen ihre Standorte zu sichern. Wie zum Beispiel Porsche derzeit mit einer Megainvestition von 30 Millionen Euro in Hamburg. Die Zahlenverhältnisse sind aber dort auch ganz anders als bei Mercedes, wo 158 Niederlassungsbetriebe 399 Händlerbetrieben gegenüberstehen. Bei Porsche gibt es ganze sechs Niederlassungsbetriebe bei 79 Händlern. Bei BMW gibt es nur 40 Niederlassungs- bei 532 Handelsbetrieben. "Aus beiden Welten fließen die jeweiligen Vorteile ein: die AG verfügt über die notwendigen Strukturen und die Finanzkraft, an strategisch wichtigen Standorten adäquate Niederlassungsbetriebe zu realisieren - mittelständisch geprägte Handelsbetriebe verfügen dagegen über eine größere Flexibilität als ein Großunternehmen", stellt ein BMW-Sprecher fest. Zwar werde ständig an der Steigerung der Effizienz der Unternehmen gearbeitet. Aktuell gebe es in München aber keine konkreten Planungen, an der bestehenden Struktur Änderungen vorzunehmen. Premium-Konkurrent Audi hat derzeit 32 so genannte Retail-Betriebe bei 444 Handelsbetrieben, Volkswagen 59 Retail-Betriebe bei 2.300 Handels- und Servicestandorten. Bleibt abzuwarten, ob sich im Zuge der von Martin Winterkorn angekündigten Konzernsparmaßnahmen hier noch Einschnitte ergeben werden. Derzeit heißt es aber aus Wolfsburg wie aus Ingolstadt dazu, dass "keine größeren Veränderungen" geplant sind. Kurzfassung Im nächsten Jahr wird sich in der Daimler Handelslandschaft einiges ändern. Eine grundsätzliche Einigung mit dem Betriebsrat hat den Verkauf von einzelnen Niederlassungen möglich gemacht. Details müssen aber noch geklärt werden. Kommentar MarktbereinigungTraurig sind die meisten Händler nicht darüber, wenn es zukünftig weniger Niederlassungen gibt. Einige werden die sich bietenden Chancen nutzen und das eigene Gebiet arrondieren. Entscheidend für die Übernahme wird aber sein, ob sich das Geschäftsmodell Mercedes-Benz-Handel weiterhin rechnet und ob sich Investitionen amortisieren können. Denn nur wenn das Verhältnis zwischen Kaufpreis und Verdienstmöglichkeiten passt, wird sich ein vernünftiger Unternehmer in dieses Risiko begeben. Und man muss sich auch darüber im Klaren sein, dass die kleineren Betriebe wohl kaum als Übernehmer in Frage kommen. Hier dürften hauptsächlich die großen Gruppen noch ein bisschen größer werden.Doris Plate, Redakteurin, Leitung Fabrikate

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