Emoticons in Social Media: Bad Emotions

Dass sich Arbeitnehmer bei schlechter Stimmung gegenüber Vorgesetzten oder Kollegen kritisch, abfällig oder gar beleidigend äußern, ist keine Erfindung des Internets. Es darf allerdings als gefestigte Tatsache gelten, dass die psychologische Hemmschwelle für Beleidigungen im angeblich anonymen virtuellen Raum deutlich geringer ist als bei persönlicher Konfrontation. Die Art der Beleidigungen bei Facebook & Co. ist vielfältig und fantasiereich. Gerne werden hierbei auch sogenannte Emoticons - Piktogramme mit entsprechender Aussagekraft - verwendet. Mit seinem Urteil vom 22.06.2016 (4 Sa 5/16) hat sich das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in zweiter Instanz mit beleidigenden Arbeitnehmeraussagen unter Verwendung von Emoticons beschäftigt. Der Fall Der Arbeitgeber schloss 1999 mit einem Arbeitnehmer, dem späteren Kläger, einen Arbeitsvertrag über dessen Beschäftigung als Montagearbeiter. Zum Zeitpunkt, der für den vorliegenden Fall relevant ist, hatte der Arbeitnehmer einen Grad der Behinderung von 20. Er pflegte zusammen mit seiner Ehefrau zu Hause seine demenzkranke Großmutter, weshalb sowohl er wie auch seine Ehefrau mit 28 Stunden pro Woche teilzeitbeschäftigt waren. Ein Kollege XY des Arbeitnehmers war seit Mitte Juli 2015 wegen eines Arbeitsunfalls arbeitsunfähig erkrankt. Dieser Kollege XY postete seine Verletzung in seiner Facebook-Chronik. Es entwickelte sich eine lebhafte Diskussion in der Kommentarfunktion, an der sich 21 Personen beteiligten, u. a. auch der eingangs genannte Arbeitnehmer. Die Diskussion handelte vom Arbeitsunfall und der Krankmeldung des Kollegen XY sowie um den Zeitpunkt von dessen Rückkehr in den Arbeitgeberbetrieb. Die Diskussion nahm, soweit für den späteren Rechtsstreit von Interesse, folgenden Verlauf (siehe Kasten unten). Der Arbeitgeber erlangte hiervon am 27.07.2015 Kenntnis und sprach einige Tage später sowohl die außerordentliche fristlose wie auch die ordentliche fristgerechte Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus. Der Arbeitnehmer erhob Kündigungsschutzklage zum zuständigen Arbeitsgericht. Urteil erster Instanz Im Kündigungsschutzprozess vor dem Arbeitsgericht argumentierte der Arbeitnehmer dahingehend, dass es sich auf Facebook um eine private Kommunikation in einem geschützten Raum gehandelt habe. Die gesamte Kommunikation sei insidergeprägt gewesen. Über den Empfängerkreis habe er sich keine Gedanken gemacht. Aufgrund der Schnelllebigkeit des Internets würden die Einträge ohnehin schnell an Bedeutung verlieren. Außerdem seien mit den Emoticons keine Vorgesetzten gemeint gewesen. Aus der Konversation ergebe sich nicht, wer gemeint gewesen sei. Der verwendete "Bärenkopf" sei auch keine Beleidigung. Im Rahmen der Interessenabwägung sei insbesondere seine soziale Situation zu berücksichtigen. Das Arbeitsgericht teilte die Auffassung des Arbeitnehmers nicht. Im Gegenteil, nach Meinung des Arbeitsgerichts waren die Kommentare für jedermann einsehbar, da die in Facebook eingestellte Chronik nicht eingeschränkt war. Auch habe der Kläger dies gewusst, wie sich aus der Kommentierung "Eyyyy keine Namen !!!!" ergebe. Der Kläger habe Vorgesetzte in Wort und Bild beleidigt. Mit "fettes Schwein" habe er den Produktionsleiter des Arbeitgebers gemeint und mit "Bärenkopf" den Gruppenleiter und Direktvorgesetzten des Kollegen XY. Dennoch stellte das Arbeitsgericht in erster Instanz mit Urteil vom Dezember 2015 fest, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigungen des Arbeitgebers aufgelöst wurde. Es führte zur Begründung aus, angesichts einer 16- jährigen beanstandungslosen Tätigkeit des Arbeitnehmers sei dessen Interesse an einer Weiterbeschäftigung höher zu bewerten als das Interesse des Arbeitgebers, ausnahmslos "Mitarbeiter ohne Fehl und Tadel zu beschäftigen". Eine Abmahnung sei deshalb nicht entbehrlich. Es sei zu erwarten, dass der Kläger nach einer Abmahnung solche Äußerungen nicht mehr verbreiten würde. Urteil zweiter Instanz Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts erhob der Arbeitgeber Berufung zum zuständigen Landesarbeitsgericht. Neben dem Antrag auf Abweisung der Kündigungsschutzklage stellte der Arbeitgeber hilfsweise den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wurde. Der Arbeitgeber argumentierte u. a. damit, dass ihm die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in jedem Fall unzumutbar sei, insbesondere weil die Vorgesetzten nicht mehr willens waren, mit dem Arbeitnehmer weiterhin zusammenzuarbeiten. Das Landesarbeitsgericht wies die Berufung des Arbeitgebers wie auch den Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung zurück. In der Urteilsbegründung unterstellte das LAG zu Gunsten des Arbeitgebers, dass tatsächlich grobe Beleidigungen von Vorgesetzten vorlagen. Hierbei beschäftigte sich das LAG mit der Bedeutung und Aussagekraft der einzelnen Emoticons und zog hierbei sogar die "List of Emoticons for Facebook" mit der dort hinterlegten Wortbedeutung zu Rate (http://www.symbolsn-emoticons.com/p/facebook-emoticonslist.html). Beinhaltet sind hiernach beleidigende Aussagen. Dennoch war das LAG wie das Arbeitsgericht in erster Instanz der Auffassung, dass das Arbeitsverhältnis fortzusetzen war, da eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre. Das LAG ging zwar auch davon aus, dass es sich bei den ausgesprochenen Beleidigungen um "öffentliche" Beleidigungen handelte. Nach Meinung des LAG war sich der Arbeitnehmer der Tragweite seines Tons und die Reichweite seiner Beleidigungen allerdings "so nicht bewusst". Zwar kann nach Ansicht des LAG die angebliche Anonymität der sozialen Netzwerke nicht als Rechtfertigung für ungebührliche Äußerungen herhalten. Jedoch sei erkennbar, so das LAG, "dass der Kläger das Aufschaukeln an Herabsetzungen anderer in einer plumpen Art und Weise schlicht lustig gefunden hat". Dies sei zwar gänzlich inakzeptabel, allerdings habe mit gleichgelagerten Vertragsstörungen künftig nicht mehr gerechnet werden müssen, wenn dem Arbeitnehmer durch eine Abmahnung die Unrechtmäßigkeit seines Tons vor Augen geführt worden wäre. Im Rahmen der durchzuführenden Abwägungen sei darüber hinaus das Vertrauen in den Kläger auch deshalb nicht endgültig zerstört, da der Arbeitnehmer bislang 16 Jahre unbeanstandet gearbeitet und einen Vertrauensbonus aufgebaut habe. Auch komme hinzu, dass den Arbeitnehmer in seiner besonderen sozialen Lage eine Kündigung überdurchschnittlich schwer treffen würde (Behinderung mit einem GdB von 20, Betreuung eines Kleinkindes, Pflege der demenzkranken Großmutter). Für das LAG war eine deutliche "Gelbe Karte" in Form einer Abmahnung deshalb ausreichend. Kurzfassung 1. Beleidigungen durch den Arbeitnehmer, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den betroffenen Arbeitgeber oder Arbeitskollegen bedeuten, sind als Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten grundsätzlich für den Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung geeignet.2. Von den Arbeitsgerichten wird für jeden konkreten Fall eine Einzelfallbetrachtung angestellt und eine Abwägung der wechselseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer vorgenommen. Insbesondere wird überprüft, ob eine Beleidigung derart grob und ehrverletzend ist, dass ausnahmsweise eine vorangehende Abmahnung nicht erforderlich ist.3. Emoticons haben dieselbe Aussagekraft wie gesprochene oder schriftlich niedergelegte Begriffe. Die Verwendung von Emoticons kann ehrverletzenden und beleidigenden Inhalt haben mit der arbeitsrechtlichen Konsequenz einer drohenden Abmahnung oder sogar außerordentlichen Kündigung. Kommentar Das LAG Baden-Württemberg bewegt sich mit seinem Urteil - auch wenn bestimmte Aussagen in der Begründung mit einer gewissen Verwunderung zur Kenntnis genommen werden müssen - durchaus im Rahmen der ständigen ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung. Zwar können grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, je nach Schweregrad im Einzelfall einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers darstellen und damit eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen. So grundsätzlich das Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 10.12.2009 (2 AZR 534/08). Allerdings gilt auch der übergeordnete Grundsatz im Arbeitsrecht, wonach die wechselseitigen Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer grundsätzlich und immer gegeneinander abzuwägen sind. In der Praxis gilt es in Beleidigungsfällen, ruhig Blut zu bewahren. Entscheidungen sollten mit ausreichendem Abstand gefällt werden. Es sei berücksichtigt, dass nur in den wirklich gröbsten Beleidigungsfällen die Rechtsprechung eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung akzeptiert.Rechtsanwalt Rainer Bopp Fachanwalt für Arbeitsrecht

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