Umsatzsteuer - Ausfuhrlieferungen: BFH contra Fiskus

Der Gesetzgeber schlägt bei der Umsatzsteuer immer neue Kapriolen, wobei von den letzten Änderungen mit der sog. Umkehrung der Steuerschuldnerschaft ab 01.10.2014 in der Regel Autohäuser nicht betroffen sein werden. Andere neue Kapriolen der Finanzverwaltung treffen aber Autohäuser, die ihre Fahrzeuge oder auch Ersatzteile steuerfrei an Ausländer zur Beförderung über die Grenze verkaufen. Wichtig ist dabei sicherlich, dass ein Unternehmer immer dann die Umsatzsteuer schuldet oder aber für die Umsatzsteuer in Haftung genommen werden kann, wenn er wusste oder hätte wissen müssen, dass er mit seiner Lieferung in eine betrügerische Lieferkette eingebunden wird. Beihilfe zur Umsatzsteuerhinterziehung Dass solch eine Haftung bei einer wissentlichen Einbindung (= positive Kenntnis) in einen Betrugsprozess selbstverständlich ist, bedarf hier keiner weiteren Erläuterung. Jedoch bei "hätte wissen müssen" ist eine Haftung oder Steuerschuldnerschaft schon sehr problematisch: Beihilfe kann nur jemand begehen, der - juristisch gesprochen - zumindest sogenannten bedingten Vorsatz hat. Solch ein bedingter Vorsatz liegt dann vor, wenn man die Umstände des Umsatzsteuerbetruges zwar nicht genau kennt, jedoch in Kauf nimmt, dass die eigenen Handlungen den Umsatzsteuerbetrug anderer fördern. Und wie kann es anders sein: die Meinung von Umsatzsteuersonderprüfern und Steuerfahndern geht regelmäßig dahin, dass praktisch jeder Kfz-Händler bei Fahrzeuggeschäften über die Grenze doch mit der Einbindung in ein Umsatzsteuerbetrugsgeschäft rechnen müsse und somit - ganz einfach ausgedrückt - auch immer bewusst in Kauf nehmen würde, dass auch er Beihilfe zu einem Umsatzsteuerbetrug begeht. Allerdings kann es nicht angehen, dass die Finanzverwaltung solch ein bewusstes Inkaufnehmen bereits dann annimmt, wenn der inländische Verkäufer im Übrigen seinen nach den umsatzsteuerlichen Vorschriften zu führenden Buchund Belegnachweis ordentlich erbringt. Denn ansonsten würde der innerhalb der EU gedachte freie Warenverkehr völlig auf den Kopf gestellt. Kursierendes USt-Merkblatt Nun will die Finanzverwaltung ganz offensichtlich dieses "Bewusst-in-Kauf-Nehmen" mit der Folge einer Umsatzsteuerpflicht des liefernden Autohauses dadurch untermauern, indem es ein Merkblatt zur Umsatzsteuer betreffend die "Beachtung des gemeinschaftsrechtlichen Missbrauchsverbots" gegen Empfangsbestätigung an Unternehmer verteilt. Darin sind angebliche Auffälligkeiten gelistet, die für einen Missbrauch und die Einbeziehung in eine Steuerhinterziehung sprechen. Solche im Merkblatt genannten Umstände sollen daher darauf hindeuten, dass ein Unternehmen in einen Umsatzsteuerbetrug eingebunden sei: Sicherlich kritisch ist es, wenn z. B. der Kunde des Autohauses bestimmt, dass die Ware in ein anderes Land geliefert werden soll als jenes, in dem der Kunde sein Unternehmen betreibt oder steuerlich registriert ist. Auch dann, wenn der Abnehmer ausschließlich über eine Mobilfunknummer erreichbar ist, ist sicherlich Vorsicht geboten, ebenso wenn die Zahlung über ein Bankkonto aus einem Drittland erfolgt, also nicht aus dem Land, in dem der Abnehmer sein Unternehmen betreibt. Übliches Verkaufsgeschäft schädlich? Warum aber nach dem BMF Schreiben solch eine Missbrauchsvermutung schon dann bestehen soll, wenn der Abnehmer ein neu gegründetes Unternehmen ist oder gerade seine Geschäftstätigkeit begonnen habe, somit also neu gegründete Unternehmen unter einer Art Generalverdacht stehen, ist bedenklich. Des Weiteren listet das Merkblatt bei Verkaufsgeschäften als missbrauchsanfällig auf: "Der Abnehmer ist in der Branche unbekannt" sowie "Der Abnehmer hat keinen Internetauftritt". Gerade bei der Vielzahl von Autohandelsunternehmen gibt es sehr viele auch kleinere Unternehmen, die nicht branchenbekannt sein können, ebenfalls ist nicht ersichtlich, warum kleinere Unternehmen einen eigenen Internetauftritt haben müssen. Auch ist es in der Autohandelsbranche bei gebrauchten und insbesondere nicht hochpreisigen Kfz üblich, dass die Ware gegen Barzahlung herausgegeben wird. Das Merkblatt listet als verdächtig auf: "Der Abnehmer besteht auf Barzahlung." Und was ist, wenn die Barzahlung nicht unmittelbar vom Abnehmer persönlich, sondern durch dessen Abholer bezahlt wird? Verdächtig sei eben auch dieser Fall: "Die Zahlung erfolgt nicht durch den Abnehmer selbst, sondern einen Dritten, der nicht am Umsatz beteiligt ist." Und nun will gerade der Abnehmer durch ein nicht in bar abgewickeltes Geschäft das Vertrauen beim Verkäufer stärken: um die oftmals sehr teuren Auslandsüberweisungen zu vermeiden, unterhält der Abnehmer ein deutsches Bankkonto, von dem der Kaufpreis sofort angewiesen wird. Jedoch: "Das vom Abnehmer genutzte Bankkonto befindet sich nicht in dem Land in dem das Unternehmen betrieben wird", lautet ein weiteres Negativmerkmal des Merkblattes der Finanzverwaltung. Generalverdacht unberechtigt! Und der Hinweis in dem Merkblatt geht nun dahin, dass die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen versagt oder aber eine Haftung für Umsatzsteuer in Frage kommt, insbesondere wenn der Unternehmer die im Merkblatt "genannten Anhaltspunkte dafür ignoriert oder übersehen" hat. Dann aber dürfte bald in jedem "Exportgeschäft" solch eine Vermutung für einen umsatzsteuerlichen Missbrauch bestehen, was aber weder mit EU-Recht noch mit dem deutschen Umsatzsteuerrecht vereinbar wäre. Was also will die Finanzverwaltung mit vorgenanntem Merkblatt eigentlich erreichen, außer Unternehmer grundsätzlich von Exportgeschäften abzuschrecken? So soll in diesem Zusammenhang auf ein gerade erst veröffentlichtes Urteil des BFH, dem obersten deutschen Steuergericht, vom 28.08.2014 hingewiesen werden, wonach der vollständige Beleg- und Buchnachweis das Vorliegen der Voraussetzung für die Steuerfreiheit vermuten lässt. "Diese Vermutung entfällt erst, wenn sich die Nachweisangaben bei der Überprüfung als unzutreffend erweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben bestehen." Beweislast beim Finanzamt Daher verbleibt es dabei, dass die sog. Feststellungslast für unzutreffende Nachweisangaben die Finanzverwaltung trifft, sie muss Unrichtigkeiten beweisen. Auch die genannten "zumindest berechtigten Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben" können jedenfalls nicht mit solchen allgemeinen Grundsätzen, wie in dem Merkblatt der Finanzverwaltung enthalten, begründet werden. Vielmehr müssen es tatsächliche Widersprüchlichkeiten innerhalb des Buch- und Belegnachweises sein, die dann aber nur dazu führen, dass die Steuerfreiheit nur dann entfällt, wenn der Unternehmer diese Widersprüchlichkeiten nicht ausräumen kann. Kurzfassung 1. Es gibt keinen Generalverdacht, dass steuerfreie Fahrzeuglieferungen über die Grenze grundsätzlich in einem Umsatzsteuerbetrug eingebunden sind.2. Dennoch ist die Steuerfreiheit nur mit einem vollständigen Buch- und Belegnachweis sicherzustellen.3. Ein neuerdings von der Finanzverwaltung kursierendes Merkblatt kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die Fehlerhaftigkeit des Buch- und Belegnachweises und insbesondere deren inhaltliche Unrichtigkeit die Finanzverwaltung die Darlegungs- und Feststellungslast hat. Kommentar Manchmal glaubt man wirklich, dass der viel gepriesene freie Warenverkehr innerhalb der EU von der deutschen Finanzverwaltung bewusst torpediert wird. Denn nichts anderes ist es, wenn z. B. Auslandslieferungen von Autohandelshäusern praktisch unter einem Generalverdacht der Einbeziehung in einen Umsatzsteuerbetrug stehen. Besonders erfreulich ist es, dass in so manchen Fällen auch der Bundesfinanzhof zeitnah gegen den Fiskus entscheidet. So ist der am 28.08.2014 entschiedene Fall auch erst in 2014 beim BFH anhängig geworden - es gab Zeiten, da musste man jahrelang, wenn nicht gar ein Jahrzehnt auf höchstrichterliche Rechtsprechung warten.Ralf Metzler, Wirtschaftsprüfer Steuerberater www.raw-partner.de

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