Top-Verkäufer: "Der Druck muss rausgenommen werden "

Markus Wallbaum ist eine Überraschung. Der 47-jährige Verkäufer im Autohaus Paaßen in Oberhausen sieht anders aus, als man ihn sich vorstellt. Schließlich ist er seit zwölf Jahren unter den Top-Verkäufern bei Volkswagen, auf Platz 243 im aktuellen Ranking des Champions Clubs, in dem über 6.000 Volkswagen Verkäufer mitmachen. Und das, obwohl er erst im April 2016 zu seinem jetzigen Arbeitgeber gewechselt hat. Es fehlen ihm also drei Monate zum vollen Jahr. Aber: Er hat im letzten Jahr die Tiguan Challenge gewonnen und erreichte im Vergleich mit 15.000 Teilnehmern auf Europaebene das beste Ergebnis und führte damit auch souverän das Gesamtranking aller deutschen Teilnehmer an. Wer jetzt einen Anzugträger im Luxusbüro erwartet hat, liegt falsch. Wallbaum kommt in Jeans und offenem Hemd auf einen zu. Sein Büro ist eher klein. Doch wie seine Ergebnisse zeigen - er hat es drauf. Sein Geheimnis: Begeisterung und Professionalität. Begeisterung für die Marke, Begeisterung für den Kunden. Und Begeisterung für das, was er am liebsten tut: abschlussorientiert, abschlusssicher verkaufen. "Der Kunde will gelenkt werden und durch den Dschungel der vielfältigen Finanzierungsmöglichkeiten gelotst werden, ohne dass er es eigentlich bemerkt", sagt Wallbaum. "Mein Erfolgsrezept ist Ehrlichkeit, Offenheit und Konstanz. Die Leute, die bei mir schon ein Auto gekauft haben, kommen wieder." Ehrlichkeit, Offenheit und Konstanz Bis zu sieben Stunden beschäftigt er sich mit einem Kunden - vom Kennenlernen bis zur zweiten Auslieferung. Dass ein anderer dem Kunden die Produkte erklärt, ist für ihn undenkbar: "Um Gottes willen!", kommentiert er solche Praktiken anderer Marken. Und Bedarfsanalyse ist für ihn auch völlig überschätzt: "Es kommt keiner rein, der noch nicht weiß, was er will. Von 100 Kunden wollen höchstens zwei eine Produktempfehlung." Beim Preisgespräch sei eben der Verkäufer gefragt, den Preis zu erklären. "Unterm Strich schätzt der Kunde bei einer Investition in dieser Höhe doch die Nähe und vertraut lieber seinem bewährten Autohaus und Verkäufer." Von Call Centern vorqualifizierte Leads will er ebenfalls nicht: "Ich möchte mir selbst ein Bild machen." E-Mails beantworte er freundlich. Ziel sei es aber, den Kunden zu motivieren, anzurufen. "Standardisierte Verfahren sind nicht meins, ich behandele jeden Kunden individuell." Werkzeug falsch genutzt Für gutes Verkaufen müsse der Kopf frei sein, sagt der gelernte Einzelhandelskaufmann, der sich nach der Lehre bei Karstadt über Stationen bei Media-Markt, im Außendienst in der Industrie, als Vertriebsleiter für Software und Projektmanager bei Aral zum zertifizierten Automobilverkäufer ausbilden ließ. Der hohe administrative Aufwand halte aber derzeit die Verkäufer vom eigentlichen ab: "Ein Autoverkäufer hat die Verantwortung für mehrere Hundertausend Euro - in meinem Fall geht es in die Millionen. Der Konzern und der Händler erwarten selbständiges Arbeiten, geben mir aber ein Werkzeug, mit dem ich gar nicht mehr selbständig denken und lenken kann, weil mir vorgegeben wird, was ich wo und wie einzutragen habe." Gemeint ist "EVA", der elektronische Verkaufsassistent, der eigentlich eine sinnvolle Hilfestellung für den Verkäufer ist, wie auch Wallbaum bestätigt. Derzeit werde er aber hauptsächlich als Hilfestellung für den Controller genutzt: "Da werden jeden Tag aus dem Topf der unendlichen Möglichkeiten, in denen man den Verkäufern nachweisen kann, dass sie heute mal schlecht in der einen, morgen mal schlecht in einer anderen Statistik sind, Kriterien herausgegriffen. Machen sie zu wenige Angebote, ist es sonnenklar, dass sie keine Autos verkaufen. Machen sie zu viele Angebote, verkaufen sie aber im Schnitt pro gemachtem Angebot zu wenige. Das ist so, als würde man bei wehendem Wind den Verkäufer Laub im Wald fegen lassen. Läuft es in einer Sache gut, findet man was anderes. Man muss sogar etwas finden, wo man den Verkäufer schlecht aussehen lassen kann, sonst würde er sich in seiner Zufriedenheit suhlen. Der Spannungsbogen muss aufrechterhalten bleiben. Controlling bedeutet heutzutage, dass man Autoverkäufe resultierend aus den Statistiken herbeireden will." Bewusst Angriffspunkte gesucht Es würden bewusst Angriffspunkte gegenüber dem Personal gesucht, meint Wallbaum. Ein Druck, der auf Dauer kaputt macht. Burnout ist vorprogrammiert. "Es bringt nichts, absolut nichts, höchstens, dass der Spaß an der Sache verloren geht. Und wenn der Spaß weg ist, schwindet sukzessive die Begeisterung. Mystery Shopping, Mystery Mailing, Mystery Calls, CSM Befragungen - wenn Sie einen Schnitt haben von 1,2, aber woanders hat einer nach dem Schulnotensystem einen Schnitt von 1,14, dann sind Sie schlecht." Kontinuität und guter Service Deshalb freut sich Wallbaum über seinen Arbeitsplatz. Vor einigen Jahren haben sich die Autohäuser Belting und Paaßen zu einer Vertriebsgesellschaft zusammengeschlossen. Die beiden eher kleinen Betriebe betreuen gemeinsam das Verkaufsgebiet Oberhausen. Die Stadt im westlichen Ruhrgebiet war einst die Wiege der Ruhrindustrie. Heute hat sie sich stark gewandelt, zum Beispiel steht auf dem Gelände der ehemaligen Gutehoffnungshütte jetzt das Einkaufszentrum CentrO. Das Autohaus Paaßen, in dem Wallbaum tätig ist, ist ein alteingesessener Betrieb, seit 1961 Volkswagen-Partner in der zweiten Generation. Geschäftsführer Klaus Paaßen legt großen Wert auf guten Service, Hol- und Bringdienst ist für ihn selbstverständlich. Die Kundschaft dankt es durch Treue: 75 Prozent sind Bestandskunden. Das sorgt aber nicht für Überalterung, denn die langjährigen Kunden bringen auch ihre Kinder mit. "Das Verhältnis Kunde zum Mitarbeiter ist sehr eng. Fluktuation fast Null", erklärt Wallbaum. Gute Arbeitsbedingungen Wallbaums Vorgänger Friedhelm Spickenbom war 42 Jahre lange Verkäufer bei Paaßen. Er kannte Wallbaum von Veranstaltungen als ebenfalls erfolgreichen Verkäufer und warb ihn an. Mit dem neuen Chef wurde er sich schnell einig, denn Paaßen bietet ein gutes Arbeitsklima mit flachen Hierarchien. Außerdem schätzt Wallbaum die lange Leine, die das Unternehmen ihm lässt. "Hier ist freies Arbeiten." Es gibt ein Festgehalt sowohl für Wallbaum als auch für seinen Kollegen Bodo van Heek. "Deshalb müssen wir uns nicht zerfleischen, sondern können gut Hand in Hand arbeiten." Und: "Wenn man bei einem festen Gehalt feststellt, dass der Mitarbeiter es nicht wert ist, kann man sich ja trennen." In der Zwischenzeit entfalle aber der ganze buchhalterische Aufwand und die damit verbundenen Kosten. "Meine Motivation liegt im Autoverkauf. Ich will meine Champions-Club-Punkte haben. Ich weiß, dass ich nur Geld verdiene, wenn ich einen guten Job mache." Sein Jahresziel sind 100 Neu- und 120 Gebrauchtwagen, wobei bei den Gebrauchten auch die Verkäufe an Wiederverkäufer dazuzählen. Motivation durch Selbstvertrauen Bei Paaßen arbeiten die Verkäufer im Schichtdienst: Spätschicht ist von 9.30 Uhr bis 18 Uhr, sechs Tage die Woche. Frühschicht ist von 8 Uhr bis 16.30 Uhr. In der Woche hat man dann am Freitag schon um 12.30 Uhr frei und Wochenende. "Das finde ich sehr positiv." Der Verkauf von Finanzdienstleistungen und Fahrzeugen wird durch zwei verschiedene Bonussysteme von Volkswagen bonifiziert - Champions Club und Happy Sales. Die gesammelten Punkte können am Jahresende gegen Sachleistungen bei der Plattform Cadooz eingetauscht werden. Wallbaum erreicht hier den Platin-Status, der höchstmögliche, und nutzt die Gutscheine am liebsten für Reisen mit der Familie. Sein Wunsch für alle Verkäufer: "Wir müssen diese Kultur des Drucks wieder abschaffen und den Controllwahnsinn brechen, dann bekommen die Verkäufer wieder mehr Selbstvertrauen und aus dem gesteigerten Selbstvertrauen wächst alles andere wieder automatisch."

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