Automechanika 2016: Die IAA für Zulieferer

Sucht ein Händler eine neue Hebebühne, ein neues Diagnose- oder Scheinwerfergerät, diverses Werkzeug für seine Werkstatt, dann macht ein Automechanika-Besuch auch 2016 noch Sinn. Die meisten deutschen Werkstatt-Gerätehersteller machen inzwischen 60 bis 70 Prozent ihres Umsatzes im internationalen Business. Darum stellen sie auch auf der Automechanika nach wie vor großflächig aus. 4.820 Aussteller aus 76 Ländern. Ein Meer an Varianten! 200 Stoßdämpferhersteller, 250 Federbeinproduzenten etc. Eine Welt des Produkt-Plagiats. Wer Messen liebt, Pionierqualitäten hat, gerne Menschen trifft, sich für Standgestaltung und professionelles Stand-Marketing interessiert, auch der muss die Frankfurter Messechance wahrnehmen. Sicher vermittelt auch der eine und andere Vortrag interessantes Wissen. Man sollte aber der englischen Sprache und englischen Charts gegenüber offen sein. Im Klartext: Die Automechanika ist nicht mehr das, was sie einmal war. Die ursprüngliche, nationale Zielansprache hat sich über die Jahre mit internationaler Dominanz verändert. Der Nutzen für den klassischen Kfz-Betrieb verengt sich von Mal zu Mal. Messewandlungen Die Automobilhersteller haben sich komplett von der Messe zurückgezogen. Jetzt dominieren die großen Zulieferverbünde, von Bosch, ZF, Conti und Schaeffler bis zu Delphi u. a. Bosch hat ohne Frage nicht nur die größte Standfläche aufzuweisen, sondern auch das ansprechendste Standkonzept. Motto: Wir bewegen! Informationen, Mobilität, Vernetzung, Digitalisierung u. v. m. Alles doppelsprachig ausgezeichnet, Deutsch und Englisch. Augmented Reality heißt dann auf Deutsch: Alle relevanten Informationen auf einen Blick! So versteht das auch ein Schwarzwälder. Keine politischen Leitlinien Man hätte sich gewünscht, dass wenigstens einer der großen Diagnosegeräteproduzenten offen nach vorne gegangen wäre und gezeigt hätte, wie man Fahrzeugverbräuche realistisch misst. Oder der ZDK hätte auf seinem Stand neben der AU-Messung vorstellen können, wie man die Verbräuche im scharfen Kalifornien feststellt. Im Klartext, ob Gerätehersteller, Prüforganisationen, Verbände oder Messegesellschaft - keiner hatte den Mut zum offenen Bekenntnis, zur politisch dringlich notwendigen Aussage. Schleichende Ausstellererosion Der ZDK sollte als maßgeblicher Urheber der Messe die Sinnfrage einer künftigen Beteiligung stellen. Die Werbung für den Branchen-Nachwuchs wird auch zukünftig Sinn machen. Man sollte aber endlich den spürbaren schleichenden Abzug wichtiger Repräsentanten der Branche von der Messe zur Kenntnis nehmen. Bis auf Liqui Moly sind keine der klassischen Ölmarken mehr vertreten. Veedol machte einen zarten Wiederanfang. Die gesamte automobile Bankenlandschaft ist verschwunden. Ebenso sämtliche Garantieversicherer. Dekra, GTÜ, KÜS waren vertreten. Der TÜV Nord Mobilität glänzte mit der Präsentation einer Karosserieund Lackstudie. Sie machte deutlich, dass das Volumen in diesem Bereich aufgrund der Assistenzsysteme im klassischen Leistungsvolumen bis 2030 deutlich zurückgehen wird. TÜV Rheinland und TÜV Süd, sie fehlten auf der Messe. "Tomorrow's Service & Mobility" Nachdem Volkswagen angekündigt hat, 2025 sollen 25 Prozent der Produktion E-Autos ausmachen, hätte man gerne einen kompletten Werkstattarbeitsplatz für E-Autos gesehen und dafür den investiven Aufwand erfahren. Da gab es für die Festhalle, in der Mercedes-Benz bei der IAA das "Beste oder nichts" zeigt, die große Ankündigung "Tomorrow's Service & Mobility". Was dort insgesamt, besonders auf dem Stand "Repair and Services" als Werkstatt der Zukunft in Aussicht gestellt wurde, war in der MB-Sprache wirklich nichts. Einzige Ausnahme in der ganzen Festhalle: die fantasievolle und pfiffige Präsentation der Produkte aus dem Innovation Award. Das war aber nicht der einzige Messe-Reinfall zwischen Ankündigung und Wirklichkeit. Schein und Wirklichkeit Aus den früheren Veranstaltungen weiß man um die großflächige und aufwändige Präsentation der Waschanlagenhersteller auf dem Freigelände. Am Ursprungsstandort wird derzeit gebaut. Dennoch wurde die "Car Wash City" ausgerufen. Was darin präsentiert wurde, hatte gemessen an früher allenfalls Dorf- statt City-Charakter. Für Halle 3.1 wurde Infotainment ausgerufen. Man hört in sich auf dem Anmarsch schon den Krach aus vielen Lautsprechern. Nein, Friedhofsruhe. Außer Clarion war da nichts zu entdecken. Und das war eine sehr brave Performance. Brauchbares Zubehör musste man suchen. Tuningofferten, wo blieben sie? Keine konkreten Antworten In der anstehenden automobilen Entwicklung spielen Assistenzsysteme eine große Rolle. Man hätte sich gewünscht, dass mögliche Nachrüstsysteme gebündelt präsentiert worden wären. Man hätte gerne erfahren, ob diese auf das jeweilige Modell, die Marke abgestimmt sind oder überfabrikatlich einsetzbar sind? Welches Know-how ist dafür erforderlich? Wieder so gut wie nichts. Derzeit steht bei vielen Marken die papierlose Kundenannahme per Tablet in der Dialogannahme an. Ganze drei nennenswerte IT-Anbieter waren noch mit eigenen Ständen vertreten. Das waren mal 25! Es müsste dringlich die Online-Terminannahme im Service eingezogen werden. Fehlanzeige an alternativen Infomöglichkeiten. Das Thema Servicebörsen scheint überhaupt keine Geige mehr zu spielen. Novitäten Jens Nietzschmann, Sprecher der Geschäftsleitung der DAT, präsentierte neben der SilverDAT 3 die Neuheit TCO. Für Neu- wie Gebrauchtwagen können jetzt für jedes Fahrzeug für die ersten sechs Jahre die kompletten Fahrzeugkosten individuell ermittelt werden. Wenn das kein Fundament für die Flatrate im Service ist! Man schaue sich gleichermaßen den Online-Service-Assistenten der DAT an. Sieglinde Walz, Geschäftsleitung Incadea, präsentierte mit ihrem Team den "Händler 4.0". Es geht um ein futuristisches Showraumkonzept, das zusammen mit Microsoft speziell für den Handel entwickelt wurde. Es lohnt sich, da genau hinzuschauen. Die Amerikaner sind in Sachen Digitalisierung fünf Jahre weiter als wir in Deutschland. Sagt man! Details unter www.incadea.com. Mark Tracy von T-Scan präsentierte den mobilen Reifen-Diagnostik-Scan. Man fährt mit dem "Scan" über den einzelnen Reifen und erhält ein Summary über die Profiltiefe von jedem Reifen. Ebenso über den Zustand des Reifens. Die Ergebnisse werden an einem Bildschirm angezeigt und können als Protokoll ausgedruckt werden. Details unter www.tscan-tyres.com. Das Gerät kostet 800 Euro. Monatliche Leasingrate 120 Euro. Da wird man vermutlich noch etwas feilen müssen. Eines machte die Automechanika aber deutlich: Das Thema Weiterbildung wird in den Autohäusern künftig eine noch größere Rolle spielen müssen. Anders wird es nicht gelingen, diese Vielfalt in den Alltag im Autohaus zu integrieren. Kurzfassung Die Automechanika ist nicht mehr das, was sie mal war, meint AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat in diesem Beitrag. Und nicht nur er: Viele Händlerstimmen waren zur Messe mit ähnlichen Einschätzungen zu hören. Die Automechanika muss als Messe-Ikone künftig wieder mehr aus ihrer fantastischen Tradition machen.

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