Autonomes Fahren: Fahrzeugautonomie und Haftungsrecht

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt erklärte vor einigen Monaten, er wolle bis zum Herbst 2015 erste rechtliche Herausforderungen für den Betrieb von selbstfahrenden Fahrzeugen klären: "Bis zur internationalen Automobilausstellung im September werden wir erste Eckpunkte vorlegen, mit denen wir dem automatisierten Fahren in Deutschland weitere Dynamik verleihen." Etwa zur gleichen Zeit erklärte Mercedes-Benz im Rahmen der Vorstellung des (noch nicht vollständig) autonomen Mercedes F015 in den USA, man plane die technische Umsetzung des autonomen Fahrens bis 2030. Auch andere Hersteller haben erfolgreiche Tests durchgeführt. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung im IT-Bereich sollte die Umsetzung des selbststeuernden Fahrzeugs im Zeitraum von 15 Jahren durchaus keine utopische Vorstellung sein. Diese technische Entwicklung ist insbesondere haftungsrechtlich umzusetzen. Haftungsgrundsätze Denkbare Verantwortliche bzw. Beteiligte eines Verkehrsunfalls können sein der Halter, der Eigentümer, der Fahrer sowie der Hersteller. Der Halter aufgrund spezialgesetzlicher Vorschriften, der Eigentümer, weil er beispielsweise einen desolaten Fahrzeugzustand zu verantworten hat, der Fahrer, wenn er im Straßenverkehr einen konkreten Fehler begangen hat, und der Hersteller, wenn er ein fehlerhaftes Fahrzeug ausgeliefert hat. - Halterhaftung: Grundsätzlich ist ein Kraftfahrzeug ein "gefährlicher" Gegenstand. Dieser Gedanke rechtfertigt sich allein aus der Überlegung, wie viele Verletzte und Tote es jedes Jahr auf unseren Straßen gibt. Diesem Umstand hat der Gesetzgeber auch Rechnung getragen. § 7 Abs. 1 StVG (Straßenverkehrsgesetz) bestimmt Folgendes: "Wird bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs (...) ein Mensch getötet, der Körper oder die Gesundheit eines Menschen verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Halter verpflichtet, dem Verletzten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen." Diese Ersatzpflicht ist nur für wenige Ausnahmetatbestände ausgeschlossen, insbesondere wenn ein Unfall durch höhere Gewalt verursacht wird (§ 7 Abs. 2 StVG). Es ergibt sich hieraus eine reine Gefährdungshaftung: Der Halter hat für den Unfall allein deswegen einzustehen, weil er ein Kraftfahrzeug in den Verkehr gebracht hat. Diese vollumfängliche Haftung findet eine Modifizierung in § 17 StVG. Hiernach haftet der Halter dann nicht, wenn für ihn - vereinfacht ausgedrückt und ohne eine juristische Diskussion führen zu wollen - ein überwiegender Verantwortungsanteil dem Unfallgegner vorzuhalten ist, insbesondere für den Halter ein "unabwendbares Ereignis" vorliegt. - Produkthaftung des Herstellers gemäß § 1 Abs. 1 ProdHaftG (Produkthaftungsgesetz): "Wird durch den Fehler eines Produkts jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so ist der Hersteller des Produkts verpflichtet, dem Geschädigten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen." Auch das ProdHaftG bestimmt (mit den gesetzlich normierten Ausnahmetatbeständen) wie bei der Halterhaftung eine Gefährdungshaftung. - Verschuldenshaftung: Unabhängig von der Gefährdungshaftung hat derjenige für einen Schaden einzustehen, der ihn schuldhaft verursacht hat. Für einen Fahrzeugführer gilt hierbei die Spezialnorm des § 18 Abs. 1 StVG, wonach die Verpflichtung des Fahrers zum Schadensersatz ausgeschlossen ist, wenn der Schaden nicht auf sein Verschulden zurückzuführen ist. Es handelt sich bei dieser Spezialnorm um eine Haftung für ein zunächst vermutetes Verschulden. Der Fahrzeugführer kann sich also durch den Nachweis eines mangelnden Verschuldens entlasten. Unabhängig von dieser Spezialnorm gewährt die allgemein gesetzliche Norm des § 823 BGB im Rahmen des sogenannten "unerlaubten Handelns" einem Geschädigten einen verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch gegen den Schädiger. Halter vs. Fahrer vs. Hersteller Für den normalen Fahrer, Halter, Eigentümer, Leasingnehmer und Hersteller eines Fahrzeugs sind die vorstehenden Haftungsgrundsätze letzten Endes nur zweitrangig. Für ihn ist nur wichtig, dass er ausreichend versichert ist, wenn es tatsächlich einmal "kracht". Die Versicherungswirtschaft hat sich naturgemäß der vorhandenen Technik und Verkehrslage angepasst; jeder kennt die Systeme der prozentualen Einstufungen nach Lebensalter, Fahrleistung, Fahrzeugtyp, Versicherungsbezirk etc. - im Prinzip stellt die Versicherungswirtschaft für die Berechnung der Versicherungsprämien hierauf ab. Ohne Berücksichtigung bleiben hierbei die Hersteller. Diese schließen eigenständige Versicherungen zum Ausschluss ihres Produkthaftungsrisikos mit jedenfalls heute überschaubarer Relevanz ab. Durch ein autonomes Fahrzeug wird das ganze System neu aufgestellt werden müssen. Bei jedem Unfall mit Beteiligung eines autonomen Fahrzeugs wird man sich die grundsätzliche Frage stellen müssen, inwieweit ein Produktfehler des Herstellers mitgewirkt hat. Es stellt sich die Frage, ob das Fahrzeug infolge fehlerhafter technischer Konzeption oder Planung für eine gefahrlose Benutzung geeignet oder ungeeignet ist. Im Streitfall wird dies Sachverständige auf den Plan rufen mit unabsehbaren Kosten für den Einzelfall. Jeder Unfall eines selbststeuernden Fahrzeuges könnte prinzipiell zu einer Produkthaftungsklage gegen den Hersteller führen. Es stellt sich des Weiteren die Frage, wie die Haftung zwischen Fahrzeugführer und Halter zu verteilen ist. Es lässt sich trefflich damit argumentieren, dass ein autonomes Fahrzeug aufgrund seiner "Fahrzeugintelligenz" fehlerfreier durch den Verkehr navigiert wird als ein menschengesteuertes. Insgesamt dürfte es wohl zu einer gewissen Risikoverlagerung zulasten der Hersteller und insgesamt zu einer gewissen Neustrukturierung der Haftungsverteilung kommen. Dies wird naturgemäß auch eine angepasste Kostenverteilung zwischen Halter/Fahrer/Hersteller beinhalten. Die Legislative wird rechtzeitig zu reagieren haben. Kurzfassung 1. Ein Kraftfahrzeug ist grundsätzlich ein "gefährlicher" Gegenstand. In § 7 Abs. 1 StVG wird deshalb eine Gefährdungshaftung normiert. Hiernach haftet der Fahrzeughalter verschuldensunabhängig und grundsätzlich vollumfänglich allein deshalb, weil er ein Fahrzeug im Straßenverkehr bewegt. Eine Gefährdungshaftung gilt auch für den Hersteller im Rahmen des Produkthaftungsgesetzes.2. Abweichend hiervon haftet der Halter dann nicht, wenn "höhere Gewalt" vorliegt, oder aber dem Unfallgegner ein überwiegender Verantwortungsanteil vorzuhalten ist, insbesondere für den Halter ein "unabwendbares Ereignis" vorliegt. Auch für den Hersteller gibt es gesetzliche Haftungseinschränkungen im ProdHaftG.3. Neben der Gefährdungshaftung können der Eigentümer oder der Führer eines Fahrzeuges bei Vorliegen eines vorsätzlichen oder fahrlässigen Verhaltens im Rahmen der Verschuldenshaftung herangezogen werden.4. Bei der Einführung des autonomen Fahrzeugs müssen die Haftungsgrundsätze im Spannungsfeld zwischen Halter/Fahrer/Eigentümer/Hersteller in gewissem Rahmen neu strukturiert und die Haftungsverteilung angepasst werden. Ohne gesetzliche Neuregelung würde sich insbesondere für die Hersteller ein erhöhtes Haftungsrisiko ergeben. Kommentar Nach der Veröffentlichung des statistischen Bundesamts aus Dezember 2014 ergibt sich ein signifikanter Rückgang tödlicher Verkehrsunfälle auf deutschen Straßen. Seit acht Jahren liegt die Zahl dieser Unfälle stabil bei unter 5.000 - zuletzt in 2014 bei 3.368. Nach dieser Statistik sind 90 % aller Verkehrsunfälle auf menschliches Fehlverhalten zurückzuführen. In absteigender Häufigkeit seien genannt: Abbiegen/Wenden/Rückwärtsfahren/Ein- und Anfahren - Missachtung Vorfahrt - nicht angepasste Geschwindigkeit - falscher Abstand - falsche Straßenbenutzung - Fehlverhalten gegenüber Fußgängern - Alkoholeinfluss - falsches Überholen. 9 % der Unfallursachen sind zurückzuführen auf Wetter/Straßenverhältnisse/Hindernisse.Technische Mängel oder Wartungsmängel machen nur 1 % der Unfallursachen aus. Man eliminiere also die Fehlerquelle Mensch - so die Konsequenz aus vorstehender Statistik - und der Straßenverkehr wird noch sicherer. Eines dürfte wohl klar sein: Nach smartphone, smartglass, smartwatch ... wird irgendwann sicherlich auch das smartmobil Realität sein.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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