Sinn und Unsinn von Kundenzufriedenheitsumfragen: "Menschen binden Menschen"

Hersteller und Handel fahren beim Thema Kundenzufriedenheit als Fahrer und Beifahrer seit langem hartnäckig mit hohem Tempo in die Sackgasse und ignorieren Warnschilder. Auf der Strecke bleiben Händlerrendite und tatsächliche Kundenbeziehungen. Kundenzufriedenheit muss Kaufbereitschaft erzeugen, weil Kundenzufriedenheit kein Selbstzweck ist. Gleichzeitig: Kundenzufriedenheit sollte eine ethische Norm in unserem Tagesgeschäft sein. Der Ertrag dieses ethischen Verhaltens sollten hohe Kundenbindung und hohe Deckungsbeiträge pro Kunde sein. Das Denken und Handeln in einem Autohaus muss am Kunden ausgerichtet sein und dabei die Anforderungen von Hersteller und Handelsbetrieb berücksichtigen. Wir benötigen natürlich auf Mitarbeiter- wie auf Unternehmensebene eine adäquate Reflexion unserer Arbeit aus Kundenperspektive. Die in der Praxis angewendeten Messungen von Kundenzufriedenheit beanspruchen oftmals, dem gerecht zu werden. Die grundlegende Frage ist aus meiner Sicht jedoch, über welche Indikatoren dies geschieht und welcher Maßstab hierbei zugrunde gelegt wird. Das Konzept Kundenzufriedenheit Im Gegensatz zu betriebswirtschaftlichen Kennzahlen stellt Kundenzufriedenheit ein schwer greifbares Konzept dar, welches sich in unserem Kontext aus den subjektiven Erfahrungen der Kunden mit dem Produkt der Hersteller und den Dienstleistungen des Handels konstituiert. Um es valide erfassen zu können, ist es wichtig, die Güte von Abfragen zur Kundenzufriedenheit sicherzustellen. Dies umso mehr, da als Bewertungsgrundlage aus Kundensicht die Grenzen zwischen Hersteller und Handel fließend sind. Aber auch aus Perspektive der Kunden lösen die Anrufe der Callcenter, die Fragebögen und Feedback-Mails bestimmte Reaktionen aus. Es stellt sich die Frage, inwiefern unsere Kunden diese Befragungen als wertschätzend, sinnvoll und ehrlich empfinden. Daher ist es neben der Weiterentwicklung etablierter Prozesse zur Erfassung von Kundenzufriedenheit zugleich Aufgabe der Hersteller und des Handels, zu diskutieren, wie mit den Ergebnissen derartiger Abfragen umzugehen ist. Haben wir unter der Anspannung der meist vorhandenen Kopplung an Leistungs- und Bonussysteme die Freiheit und das ehrliche Interesse an der Kundenmeinung? Oder interessiert nur die Bestnote in der stereotypen Abfrage der Callcenter? Wie sollen Mitarbeiter z. B. reagieren, wenn Kunden die Beantwortung von der Höhe des eingeräumten Rabattes oder der geforderten Nachbetankung von Vorführ- oder Serviceersatzfahrzeugen abhängig machen? Es gilt die Effektivität und Effizienz von Kundenzufriedenheitsabfragen zu adressieren und Messhysterien sowie daraus resultierende Negativtendenzen für Händler und Kunden zu vermeiden. Da wir wissen, dass Kundenzufriedenheit subjektiv ist, müssen wir uns fragen, ob dieser Vielfalt in unseren Betrieben ausreichend Raum gegeben wird. Eine belastbare Basis ist selbstverständlich Voraussetzung. Wir müssen jedoch ein tiefgehendes Verständnis darüber erlangen, was bei wem in welcher Situation zu Zufriedenheit führt und das Gefühl der Wertschätzung auslöst. Blick über den Tellerrand Andere Branchen scheinen das verstanden zu haben. So wählt der Lufthansa-Passagier, entsprechend seinen Präferenzen und finanziellen Möglichkeiten, zwischen verschiedenen Stufen von Dienstleistungsqualität und dem damit verbundenen Preisgefüge. Der Kunde in der Economy Class ist zufrieden, weil er günstig reisen kann. Dafür verzichtet er bewusst auf bestimmte Leistungselemente. Dem Reisenden in der Business Class ist klar, dass er mehr bezahlt, weil er mehr Komfort wünscht. Jedoch kommen alle sicher und zufrieden mit einem Anbieter ans Ziel, der seinem Premiumanspruch in diversifizierten Facetten gerecht werden kann. Auch in der Hotelbranche ließe sich dieses Prinzip ebenso klar darstellen. Wir sollten uns weniger an der Markenpräsenz und Ladengestaltung von Anbietern der Konsumgüterindustrie orientieren, sondern vielmehr der Komplexität unserer Branche mit adäquaten Leitbildern begegnen und uns daran messen. Wie kann so etwas im Automobilhandel geschehen? Wenn beispielsweise für einen Geschäftskunden Zeit und die Mobilität die wichtigsten Kriterien sind, sind ein passender Ersatzwagen und ein schneller Werkstatttermin ausschlaggebend. Als Stammkunde vertraut er dem Serviceberater beim Auftragsumfang und akzeptiert die Rechnung auch auf dem Beifahrersitz. Eine kurze Mail vom Autohaus nach dem Servicebesuch bestätigt ihm, dass sein Wagen frisch gewartet und zur Abholung bereit ist, oder kündigt die Notwendigkeit weiterer Arbeiten an. Der Kunde wird sich freuen, wenn das Telefon nicht wegen dieser Dinge klingelt. Der Student hingegen kommt auch in einer Zeit mit weniger Auslastung, denn er ist flexibel. Den Werkstattauftrag hat er vorher selbst online erstellt und kennt den Preis für die Dienstleistung. Das bedeutet weniger Aufwand für die Mitarbeiter im Autohaus. Er nimmt seinen Termin in der "Happy Hour" wahr, bekommt einen Niedrigpreis und hilft so die Werkstattauslastung auszugleichen. Alle bekommen original Ersatzteile und geben ihr Fahrzeug in die Hände von bestens geschulten Mitarbeitern. Der Schwerpunkt des Premiumanspruches ist flexibel, die Qualität passt in jedem Fall. Wenn wir jedoch weiterhin stereotyp alle Kunden mit den gleichen Prozessen und damit einem starren Preisgefüge bedienen und dann auch noch alle gleich zufriedenstellen wollen, entwickeln sich um unser Kerngeschäft Fahrzeugverkauf und Service noch weitere Online-Parallelwelten (NA Vermittlerbörsen/Werkstattportale), welche es schaffen, die diversen Kundenansprüche zu bedienen. Im Fokus unseres Geschäfts muss der Anspruch stehen, Rahmenbedingungen zu schaffen, welche eine hohe Dienstleistungsbereitschaft, eine ausgezeichnete Qualität der Arbeit und Freude am Job ermöglichen. Es ist evident, dass unsere Mitarbeiter Zufriedenheit beim Kunden generieren sollen, wichtig ist jedoch, dass sie es auch wollen. Mitarbeiterzufriedenheit als wesentliche Voraussetzung von Kundenzufriedenheit spielt daher eine wichtige Rolle auf unserem gemeinsamen Weg zum Erfolg. Malus-Systeme der falsche Weg Dazu gehören auch entsprechende Rahmenbedingungen (z. B. EDV-Systeme mit geführten Prozessen ohne Systembrüchen, regelmäßige Schulungen, Coaching der Standardsituationen), um so den Mitarbeitern Sicherheit im Kundenkontakt zu geben. Dies gilt auch für Grenzfälle, Abweichungen und Reklamationen. Die ehrliche und unbefangene Kundenmeinung zählt. Auch wenn mal etwas schiefgelaufen ist, muss schnell und kompetent reagiert werden. Wir benötigen einen konstruktiven, kritischen Umgang mit diesen alltäglichen "Momenten der Wahrheit", welcher im Ergebnis ein professionelles Reklamationsmanagement umsetzt. Auch Kundenzufriedenheit ist dabei zu allererst Chefsache. Hier ist Vorbildwirkung Voraussetzung und Kriterium für Führungskräfte. "Schwarze Schafe" lösen mit Schlechtleistung oft neue Anforderungsszenarien für alle aus. Dadurch erhöht sich die Komplexität des Tagesgeschäfts, die "innere" Ablehnung zur Umsetzung resultierender Standards steigt. Haben wir im Handel eine Kultur, die Einstellungen verändert, oder wodurch Ängste geschürt werden? Die in Konsequenz implementierten Malus-Systeme belasten die ohnehin zu geringe Rendite in unserem Gewerbe zusätzlich. Das ist der falsche Weg. Wer diese Negativspirale auf Handelsseite nicht versteht und vor allem nicht verstehen möchte, gehört nicht ins Händlernetz. Wenn das der Markt nicht selbst regelt, ist die Konsequenz der Hersteller gefragt. Aus konstruktiver Perspektive heißt es gezielt und gemeinsam an strukturellen Schwachstellen zu arbeiten. Das bedeutet auch investieren - in gut ausgebildete Mitarbeiter, in Kapazitäten im Autohaus für Kundenbetreuung, in eine angemessene Entlohnung für Leistungsträger und klar strukturierte Prozesse mit intelligenten CRM-Systemen. Menschen binden Menschen. Die zahlreichen Modelle der Kopplung bestimmter Werte an die Händlermarge stehen dieser Tatsache entgegen und setzen aus meiner Sicht nicht die richtigen Anreize. Messungen zur Kundenzufriedenheit sollten der kontinuierlichen Weiterentwicklung bedarfsgerechter Leitungsangebote dienen, sodass wir auch künftig die Bedarfe unserer Kunden decken können. Wer hier als Erster neue Akzente setzt und mit neuen Ideen und Konzepten agiert, wird eine wirkliche Entwicklung auslösen. Und das geht nur im Zusammenspiel von Hersteller und Handel. "Wer etwas erreichen möchte, was noch nicht erreicht wurde, muss etwas tun, was noch nicht getan wurde" (N. Peseschkian). Wer hat den Mut dazu? Der Gastkommentar Wie sinnvoll sind Kundenzufriedenheitsumfragen? Wie sinnvoll ist die an die Kundenzufriedenheit gekoppelte Margenrelevanz? Michael Fritze, Präsident des Verbandes Deutscher BMW Vertragshändler e. V., erörtert diese Fragen in seinem Gastkommentar kritisch und gibt Anregungen dafür, wie ein sinnvoller Umgang mit dem schwer greifbaren Erfolgsfaktor Kundenzufriedenheit gelingen kann.

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