Workshop: "Schlimm, wie viel da brachliegt ..."

Auf der Suche nach mehr Performance im Autohandel haben sich vergangenen September Größen der Branche auf der Insel Sylt eingefunden - zur "25. AUTOHAUS Sommerakademie" von AUTOHAUS-Herausgeber Prof. Hannes Brachat. Als Führungsexperten hatte er uns von der Dr. Thorsten Bosch AG geladen, um die Verantwortung für Workshops zu übernehmen. Darin hatten wir zunächst die offene Frage aufgeworfen, für welche Aufgaben die Führungskräfte in den Autohäusern überhaupt Zeit einsetzen und wie viel das prozentual jeweils an Zeit ausmacht. Vorneweg: Der Mangel an Zeit resultiert nicht etwa daraus, dass nicht gearbeitet oder "gebummelt" würde - von dieser Auffassung können wir uns also schon einmal verabschieden. Um aus der Vielzahl an genannten Tätigkeiten eine Tendenz zu erkennen, mussten wir freilich einige ähnliche Aussagen zu Clustern zusammenfassen. Herausgekommen ist die in der nebenstehenden Tabelle wiedergegebene Aufstellung - in der wir übrigens auch versucht haben, uns möglichst nahe an die Reihenfolge zu halten, in der die Punkte genannt wurden. Erwartungsgemäß weit vorne tauchen daher mit 18 Prozent die Ad-hoc-Aufgaben (Troubleshooting, E-Mails) auf. Darauf folgt der - im weitesten Sinne - administrative Block. Zusammen brauchen diese schon rund die Hälfte der Arbeitszeit auf. Es folgen der operative Block, für den schon nur noch knapp ein Viertel der Zeit bleibt, sowie Analyse und Projekte mit circa elf Prozent. Last AND least: Führung! Für Führungsaufgaben bleibt ein kärglicher Rest von etwa zehn Prozent. Und was noch hinzukommt: Führungsaufgaben tauchen in der Reihung meist zuletzt auf, das heißt, in der Prioritätenliste fallen sie den Sachzwängen fast immer als erste zum Opfer. Ihrer erbarmt man sich, wenn gelegentlich mal noch etwas Zeit übrig ist. Insoweit ist das gelegentliche Lamenti der Führungskräfte, dass ihnen Zeit abgehe, nicht völlig unbegründet. Vermutlich haben Sie diese Klage auch schon abbekommen. Wer am Ende auf jeden Fall auf der Strecke bleibt, sind die Mitarbeiter. Deren turnusmäßige Schulungen durch die Hersteller oder durch externe Partner dienen - ohne Transfer in die Praxis - allenfalls dem Aufbau von grundlegenden Fähigkeiten und Wissen, beispielsweise im Verkauf. Ohne kontinuierliche Mitarbeitergespräche, in denen auch der Praxisbezug hergestellt wird, gibt es keine nachhaltige Entwicklung. Ohne Entwicklung gibt es weder Performance-Steigerung noch die Möglichkeit, Aufgaben zu delegieren und sich selbst Handlungsspielräume zu schaffen. Und in den meisten Autohäusern passiert in diese Richtung leider ausgesprochen wenig. Ganz ehrlich, wer soll es tun, wenn nicht die Führungskraft? Die Erkenntnis, die sich schon im Workshop den meisten aufdrängte, war ganz eindeutig, dass hier offenbar ein Missverhältnis vorliegt. Eine mögliche Ursache bei mangelnder Performance ... Kurzer Vergleich: Was macht die Industrie? Angenommen, Sie hätten eine Produktionsstraße, die aus Blechen Autotüren stanzt - allerdings mit einer hohen Ausschussquote (schlechter Wirkungsgrad). Bestimmt würde sich die große Mehrheit unter Ihnen schnellstens daran machen, die Ursachen zu orten, Maschine für Maschine, Arbeitsschritt für Arbeitsschritt, Facharbeiter für Facharbeiter. Ihr Hauptaugenmerkt läge darauf, den Kernprozess des Stanzens zu verbessern und jener Leute, die dafür verantwortlich sind. Hier begnügt man sich nicht mit zehn Prozent Zeitansatz, um den Prozess in den Griff zu bekommen. Auch dann, wenn der Kernprozess scheinbar gut funktioniert, investiert man viel mehr Energie darin. Im Handel hingegen neigt man eher dazu, mehr Bleche in die Maschine zu schieben (Stichwort Marketing), um auf die benötigte Anzahl Türen zu kommen. Der Kernprozess des Verkaufens und die Entwicklung derer, die verkaufen sollen, rückt gerne aus dem Blickfeld. Und dementsprechend ist dann zum Beispiel die Abschlussquote. Im Workshop auf Sylt leitete uns dieser Gedanke dann direkt weiter zur "Was wäre wenn?"-Frage: Welche Vorteile hat das Autohaus, wenn wir nach meinem Konzept aus dem Fachbuch "Führung made in Germany" 50 Prozent der Zeit in direkte Gespräche der Führungskräfte mit den Mitarbeitern investieren, um eine nachhaltige, individuelle Entwicklung zu gewährleisten und die Performance am Kunden zu steigern? Würze trotz Kürze Allein die schiere Anzahl an Nennungen zu diesem Gedankenexperiment hat uns beeindruckt. Viel bedeutender ist aber die Qualität der Aussagen. Manche mögen im ersten Moment vielleicht sogar trivial klingen - und doch enthalten sie gewaltiges Potenzial. Denken Sie allein daran, welche Anstrengungen manche Unternehmen auf sich nehmen, um nur die Motivation der eigenen Mitarbeiter zu erhöhen. Der Übersichtlichkeit wegen haben wir einen kleinen Auszug daraus genommen und ein wenig geclustert. Rationale Vorteile: - Höhere, einheitliche Standards - Führungskraft wird zum Multiplikator eigener Fähigkeiten - Weniger Fluktuation/Fehlzeiten - Chef wird entlastet/er hat mehr Zeit für strategische, kreative etc. Themen Vorteile auf emotionaler Ebene: - Höhere Motivation der Mitarbeiter - Bessere Unternehmenskultur - Sichtbarkeit von Stärken und Schwächen sowohl für Mitarbeiter als auch Führungskräfte; Identifikation von (fehlenden) Potenzialen Emotionale Gewinne, die in den rationalen Bereich ausstrahlen: - Höhere Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit - Wertschätzung, Motivation, Identifikation, Leistungssteigerung - Erkennen von Stimmungslagen beruflich wie privat; Steuerungsmöglichkeit Schon in der Kürze dieses Workshops fanden die Teilnehmer also eine ganze Reihe von Potenzialen - noch ohne dabei wirklich in die Tiefe gehen zu können. Einer brachte die Ergebnisse zum Abschluss ganz treffend auf den Punkt: "Eigentlich schlimm, wie viel da brachliegt. Aber eigentlich auch gut, denn das bedeutet ja, da kann ich noch einiges rausholen." Eine Erkenntnis übrigens, die sich auf den stationären Handel generell übertragen lässt. Einige Filialisten arbeiten dementsprechend an Konzepten, bei denen die Führungskräfte wieder darauf fokussiert werden, wie sie unmittelbaren Einfluss auf den Kernprozess - also die Arbeit am Kunden - nehmen. Und nun Sie ...! Die wichtigste Voraussetzung, diese Potenziale zu aktivieren, ist eine Frage der Haltung, nämlich bewusst Zeit für die Mitarbeiterführung frei zu machen. Und in zweiter Instanz heißt es dann: Vom was zum wie. Was - im Sinne der Autotürenanzahl, die richtig gestanzt die Maschine verlassen - ist weit weniger wichtig als die Frage, wie die Maschinerie funktioniert und wie ich ihren Wirkungsgrad erhöhe. Wie sehen die Rahmenbedingungen Ihrer Führungskräfte aus? Haben diese Zeit, Raum und das Bewusstsein, Mitarbeiter zu führen? Haben sie den Anspruch und die Fähigkeit, um aus einem mittelmäßigen einen guten Verkäufer zu machen? Wie trage ich dazu bei? Und wie wirke ich auf deren persönliche Haltung zum Produkt, zum Unternehmen, zum Kunden ein? Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Hand aufs Herz Welchen Stellenwert geben Sie selbst der Entwicklung Ihrer Führungskräfte und Mitarbeiter? Die Führungskraft selbst wird dann mein Thema für die nächste Ausgabe sein. Dr. Thorsten Bosch ist auf das Thema Führung spezialisierter Unternehmensberater, Buchautor ("Führung made in Germany"), Dozent (Hochschule Fresenius) und Inhaber der Dr. Thorsten Bosch AG in Schondorf am Ammersee. Kurzfassung Wofür setzen Führungskräfte im Autohaus ihre Zeit ein? Eine Frage, auf die ein Branchenworkshop unter der Leitung von Dr. Thorsten Bosch Antworten fand. Wichtige Erkenntnis: Die Mitarbeiter bleiben auf der Strecke. Die Führungskraft selbst thematisiert der Führungsexperte dann in der nächsten Ausgabe. TIPP In seinem Fachbuch "Führung made in Germany" empfiehlt Dr. Thorsten Bosch Führungskräften folgende Fragestellungen.- Was ist Aufgabe der Führung und was nicht?- Wie ordne und priorisiere ich die Aufgaben neu?- Welche Aufgaben lasse ich bewusst bleiben?- Was bremst mich?- Was delegiere ich an wen und wie bringe ich denjenigen so weit, dass ich es delegieren kann?- Welchen Raum bekommen meine nachgeordneten Führungskräfte, um ihre Rolle wahrzunehmen?

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