Mercedes-Benz Österreich: Skandal in Kärnten

Dr. Helmut Teissl hat derzeit viel um die Ohren. Der Geschäftsführer des ältesten Mercedes-Benz Vertragspartners (seit 1928) in Österreich, der Dipl.-Ing. Hans Teissl und Sohn mit fünf Standorten in Villach, Klagenfurt und Lienz, will sich von allen Betrieben trennen. In 2013 hatte die Gruppe noch 451 neue und 305 gebrauchte Pkw, 163 Transporter sowie 66 schwere Nutzfahrzeuge abgesetzt. Am 29. Oktober 2014 kommt es aber zum großen Knall: Mercedes-Benz Österreich löst alle Verträge mit dem Unternehmen mit sofortiger Wirkung. Der Vorwurf: Durch jahrelang falsch abgerechnete Verkaufshilfen sei dem Importeur ein Schaden von rund 1,4 Millionen Euro entstanden. "Für uns als Mercedes-Benz Österreich hat rechts- und regelkonformes Verhalten sowie die Einhaltung von Integritätsstandards oberste Priorität. Dies erwarten wir auch von unseren Geschäftspartnern. Da der Compliance-Verstoß so erheblich war, dass die Vertrauensbasis zerstört wurde, haben wir die erforderlichen Konsequenzen gezogen", begründet Unternehmenssprecher Bernhard Bauer die Vorgehensweise. Compliance mit zweierlei Maß? Dem hält der Händler entgegen, dass es angesichts der gewaltigen Rückstellungen von 600 Millionen Euro für drohende Strafen wegen Preisabsprachen in China und England einen eigenartigen Beigeschmack habe, dass Mercedes-Benz so viel Wert auf die Einhaltung von Regeln legt. "Sich selbst über systeminhärente Missbräuche von Stützungsgeldern alterieren und den ,Vertrauensbruch' trotz Selbstanzeige des Händlers mit der Totalkündigung bestrafen, gleichzeitig aber gegen Wettbewerbsregeln zu verstoßen, passt nicht zusammen." Alle Vorschläge von Teissl, einen geordneten Übergang hinzubekommen, wurden von der Importgesellschaft abgelehnt: Es blieb bei der fristlosen Kündigung sowohl der Vertriebsverträge für Pkw und Lkw als auch der Serviceverträge. Auch der Antrag auf eine einstweilige Verfügung wurde vom Gericht in Salzburg abgelehnt. Zeitpunkt der Selbstanzeige unklar Dabei hätte laut Teissl auch eine Abmahnung ausgesprochen werden können. Denn nach seinen Angaben hat er die Unregelmäßigkeiten selbst entdeckt, beim Importeur angezeigt und den Schaden beglichen. Nach österreichischem Recht war damit der Tatbestand der "Tätigen Reue und Wiedergutmachung" erfüllt und Teissl konnte strafrechtlich nicht mehr belangt werden. Der Importeur widerspricht der Darstellung Teissls aber und behauptet, dieser habe die Unregelmäßigkeiten erst gemeldet, als bekannt wurde, dass Daimler bei allen österreichischen Vertriebspartnern eine Revision durchführen wird. Teissl aber vermutet hinter der "Unerbittlichkeit und Konsequenz" des Importeurs eher eine Strategie: "Zerschlagung einer in einer Region (Kärnten und Osttirol) starken Betreuungsstruktur mit 80 Prozent Netzabdeckung. Ziel ist die Aufteilung von fünf Standorten an den wichtigsten Orten Klagenfurt, Villach und Lienz mit einem alpinen Einzugsgebiet von 180 Kilometern Durchmesser." Also nicht mehr ein Großer, sondern viele Kleine. Eingriff in gewachsene Strukturen Wie von Insidern zu erfahren war, ist diese Vermutung nicht völlig abwegig. Daimler hat in den letzten Jahren immer stärker in den österreichischen Markt eingegriffen. Bis 2003 hatte es in der Alpenrepublik vier selbst importierende Händler gegeben: zwei große, die Pappas-Gruppe und Wiesenthal, sowie zwei kleine, Schneider in Vorarlberg und Teissl in Kärnten. Dann wurde die Generalvertretung Mercedes-Benz Österreich gegründet, die zur Hälfte dem Hersteller und zur Hälfte der Pappas-Gruppe gehörte. Parallel mit der Organisationsstruktur änderte sich auch die Vorgehensweise: Daimler gab immer weniger Grundmarge und setzte mehr auf variable Bausteine und aktionsgebundene Verkaufshilfen. Damit lag der Spielraum für Nachlässe an den Kunden weniger beim Händler und mehr beim Hersteller. Der Mix aus komplizierten Aktionsbeschreibungen, geforderten Nachweisen und Marktdruck konnte den Händler schnell in eine "Grauzone" bringen, meint Teissl. Und es reicht ein einziger vorsätzlich anders "gestalteter" Fall, um die Compliance-Maschinerie in Gang zu setzen. Daimler jetzt Alleinimporteur Zum 1. Januar 2013 übernahm die Daimler AG die Pappas-Beteiligung an der Mercedes-Benz Österreich Vertriebsgesellschaft und wurde alleiniger Gesellschafter. Daimler-Chef Dieter Zetsche schickte die damalige Leiterin seines Stabs Corinna Widenmeyer an die Spitze der neuen Gesellschaft. Sie soll es nun richten, denn die Ergebnisse der Marke bleiben im Nachbarland hinter den Erwartungen zurück: 2014 hatte Mercedes im Nachbarland z. B. nur einen Pkw-Marktanteil von 3,9 Prozent und verkaufte 4.000 Fahrzeuge weniger als BMW und 6.500 weniger als Audi. Unter Widenmeyers Ägide wurde 2014 eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit der Durchführung einer flächendeckenden Revision in den Händlerbetrieben für die zurückliegenden sieben Jahre beauftragt. Das war neu. Bisher hatte die Vertriebsgesellschaft die Revisionen immer selbst vorgenommen. Die Ergebnisse dieser Prüfungen für die anderen Betriebe liegen noch nicht vor. Wie damit umgegangen wird, ist aber klar: "Sollte Mercedes-Benz Österreich bei anderen Partnern gleiche Missstände (wie bei Teissl, Anm. d. Red.) vorfinden, wird man natürlich die gleichen Konsequenzen ziehen." Andere Händler warten noch Dr. Alexander Martinowsky, Präsident des österreichischen Mercedes-Benz Händlerverbandes und Geschäftsführer der Wiesenthal-Gruppe, erwartet, dass die Ergebnisse der Prüfungen noch im Laufe des Februars von den Wirtschaftsprüfern mit den Händlern besprochen werden. Er kann sich vorstellen, dass das nötig ist, denn: "Viele Ausschreibungen des Importeurs hatten Interpretationsspielräume." Und: "Es gab mündliche Absprachen, die nicht niedergeschrieben worden waren." Auch er ist der Meinung, dass sich die Regeln für die Verwendung der Zuschüsse über die Zeit deutlich verschärft haben. Seit 2015 seien die "Stützungsausschreibungen", wie sie in Österreich heißen, aber präziser formuliert, so dass es keine Interpretationsspielräume mehr gebe. Teissl hilft das nicht mehr. Der 66-Jährige will nicht mehr mit Mercedes weiter machen und auch seine Kinder wollten sich das nicht weiter antun, teilte er mit. "Eine Vertriebsnetzbereinigung mittels fristloser Kündigung aller Verträge mit dem Ziel der raschen Unternehmensliquidierung hat ein modernes Bild einer Franchise-Landschaft entworfen, das mit unserem Bild des freien Unternehmertums nichts mehr zu tun hat." Da eine Lösung mit Mercedes-Benz immer unwahrscheinlicher wird, denkt er mittlerweile über eine Vermarktung der einzelnen Betriebe auch an Markenfremde nach. Mitarbeiter und Kunden betroffen Für die 160 Mitarbeiter heißt das: Sollte es in den nächsten Wochen nicht gelingen, einen Käufer aufzutreiben, werden sie am 31. März ihre Arbeitsplätze verlieren. Die Kunden werden derweil zu kleineren, weiter entfernten anderen Partnern umgeleitet. Ob sie angesichts dieser Umstände der Marke treu bleiben, ist fraglich. Gelingt es Mercedes nicht, die in Kärnten und Osttirol entstandene Lücke im Vertriebsnetz rasch zu schließen, wird es wohl auf absehbare Zeit mit den Verkäufen nicht besser werden. Kurzfassung Großer Knall in Österreich: Mercedes-Benz wirft Händler einen erheblichen Compliance-Verstoß vor und kündigt fristlos. Der Händler vermutet, dass der Hersteller die gewachsenen Strukturen verändern will.

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