Stationärer Handel 2.0: Wie sieht die Autohaus-Zukunft aus?

Wenn man schaut, was Nachwuchsführungskräfte aus Autohäusern heutzutage als wichtige Themen erachten, kommt man schon ins Staunen. So eine Quintessenz vom Young Business Day 2016 in Frankfurt. Dort wollten wir in einem Workshop wissen, wie die Unternehmenslenkerinnen und Chefs von morgen die Zukunft der Autohäuser sehen. Demnach werde in 15 Jahren die Anzahl an autonomen Autos stark zunehmen und die Anzahl an Autohäusern wiederum stark abnehmen (siehe Grafik Seite 24). Dabei fährt bislang noch kein einziges autonomes Fahrzeug auf öffentlichen Straßen. Hochautomatisiert - das heißt der Fahrer übergibt an den Autopilot und kommt heil an - wird wohl so bald nicht gefahren. Glaubt man Experten, könnte es vielleicht in zehn Jahren so weit sein. Vollständig autonom, sprich ohne jegliches Zutun eines Fahrers, wird demnach noch später Realität. Hingegen fahren schon seit Jahren batterieelektrische Pkw auf den Straßen dieser Erde, seit Jahren wachsen Mobilitätsdienste wie Ride- und Carsharing auf der ganzen Welt. In den Köpfen der Autohaus-Führungskräfte ist es umgekehrt: Das E-Auto und öffentliche Mobilitätsdienstleistungen erachten sie als gar nicht so relevant, die bevorstehende und zwingend notwendige Verkehrswende kommt kaum vor. Von China lernen? Dabei könnte es in Deutschland 2030 vorbei sein mit den Verbrennern, so die Überlegung in der Politik und von Verbänden der Verkehrsbranche. Vielleicht puffert man die Verkehrswende in Deutschland wieder mit Übergangsfristen und Sonderregelungen, um dieses Ziel zu erreichen. Anderswo haben die deutschen OEM allerdings weniger Lobbykraft, zum Beispiel in China, einem wichtigen Exportland. Rund 40 Prozent der Fahrzeuge, die VW produziert, setzen die Wolfsburger in China ab. Dort ist die Politik schon weiter. Wan Gang zeichnet als Minister für Wissenschaft und Technologie verantwortlich. Er studierte Maschinenbau in Clausthal, forschte bei Audi und ist Deutschlandfreund, inklusive Niedersächsischem Verdienstkreuz am Bande. Schon vor vier Jahren sagte Wan Gang, dass das Elektroauto ein Muss sei. In vielen Städten weltweit leiden die Menschen unter lokalen Emissionen, besonders in China. Was könnte China tun, um viele Ingenieurjahrzehnte deutscher Motorenentwicklung und gleich noch den Smog zu überwinden? Nullemissionszonen einrichten stellt eine Maßnahme dar, die man nicht nur diskutiert, sondern dort auch bereits vielerorts umgesetzt hat. Tesla als Vorbild? Doch nicht nur Staaten bereiten sich auf die Verkehrswende vor, auch IT-Unternehmen: Tesla-Chef Elon Musk eröffnete 2016 seine Gigafactory in Nevada mit dem Versprechen, Batterien für 500.000 E-Autos zu produzieren; 500.000 E-Autos jährlich, ab 2018. Bis Anfang Mai letzten Jahres hatten bereits 400.000 Menschen das Ende März 2016 vorgestellte Tesla-Elektroauto Model 3 vorbestellt - und 1.000 US-Dollar Reservierungsgebühr bezahlt, ohne das Auto je gesehen zu haben. Hunderttausende Kunden vertrauen einem Versprechen und bescheren Tesla damit 400 Millionen US-Dollar als Liquiditätsspritze, allein aus den Vorbestellungen. Übrigens: Teslas Oberklasse-Limousine Model S verkaufte sich 2015 in den USA erstmals besser als die Mercedes-Benz S-Klasse und dominierte damit klar das Oberklasse-Segment. Tesla verkauft sein Wissen als Beratungsdienstleistung an andere Unternehmen. Tesla verkauft seine Emissionsrechte an andere. Alle vier Geschäftsmodelle des E-Autos kamen deutschen Autobauern und -häusern bislang nicht in den Sinn. Nah genug am Kunden dran? Im Juli 2016 präsentierte Multimilliardär und Alibaba-Chef Jack Ma den Roewe RX5. Das SUV sieht nicht gerade aus wie ein Internetauto, das automatisch parken und tanken kann und auf Zuruf den Kaffee bezahlt. Doch in der Tat: Der Roewe RX5 ist ein wirkliches Smartcar. Ein Auto mit Direktanschluss an das größte Onlineversandhaus Chinas, Alibaba. So nutzt es Alibabas Online-Dienst Alipay zum Bezahlen, sein Betriebssystem: Alibabas YunOS. Aktuell gibt es noch wenige Anwendungen, aber klar ist, dass mit Alipay und YunOS im Auto eine Menge Daten zum Nutzerverhalten entstehen. Und diese helfen einerseits dabei, zu verstehen, was Kunden bewegt, und ermöglichen andererseits erst neue Geschäftsmodelle.Wenn man bedenkt, dass Alibaba Großaktionär bei Didi Chuxing ist, einem chinesischen Fahrdienstvermittler à la Uber, der 16 Millionen Fahrten täglich vermittelt und auf fast 300 Millionen Nutzer in China zurückgreifen kann, dann stellt sich doch die Frage, was deutsche Autobauer und -häuser im Vergleich aufbringen an Kundennähe und Geschäft? Ticken Innovative anders? Was bewegt die Kunden? Das Wissen der Autohäuser und -bauer beschränkt sich weitgehend auf Sigma- und Sinusmilieus, einem bedeutenden Ansatz in der Zielgruppenforschung. Damit lassen sich zwar heute Entscheidungen zum Autokauf gut abbilden. Aber wenn zukünftig Mobilität und nicht mehr nur das private Vehikel verkauft werden soll, greifen diese Methoden nicht mehr. Studien zeigen bereits heute, dass innovative Zielgruppen pragmatischer unterwegs sind: Bei schönem Wetter nehmen sie das Fahrrad, zur Arbeit die S-Bahn, abends geht es mit DriveNow ins Kino und danach mit Car2Go zurück nach Hause, am Wochenende leiht man sich die S-Klasse bei Sixt. Der Anteil dieser Multimodalen, also Menschen, die öfter verschiedene Mobilitätsangebote nutzen, nimmt seit Jahren zu. Das darin schlummernde Potenzial für neue Geschäftsmodelle und Erlöse muss noch gehoben werden. Die notwendigen Erkenntnisse für die Ansprache relevanter Kundengruppen müssen mit neuen Methoden gewonnen werden. Beispielsweise ist seit Jahren die prädiktive Validität von einstellungsbasierten Mobilitätszielgruppen bekannt, soll heißen: Man kann besser vorhersagen, was den Kunden bewegt, wenn man seine Einstellungen zu Verkehrsmitteln im Detail analysiert. Da ist die Theorie schon weiter als die Praxis. Ganz zu schweigen von den Millionen Verhaltensdaten der IT-Giganten, die jede Kundenbewegung bis ins Detail verstehen könnten, dies aber noch nicht als Geschäftsmodell entdeckt haben. Die Frage, wie zukünftig Mobilität verkauft wird, wenn die Liebe zum Automobil doch bei vielen längst erkaltet ist, sollte insbesondere junge Führungskräfte aus Autohäusern beschäftigen. Mehr Dienste leisten? Vermutlich sollten Autobauer und -häuser sich dringend im Detail für ihre Kunden, ihre Mobilitätseinstellungen und ihr Verhalten interessieren - weg vom Bauen und Verkaufen, hin zum Dienste leisten. Übrigens: Beim Handelsblatt Auto-Gipfel vergangenen November wurde das Autohaus bei den Vertriebsstrategien nur am Rande erwähnt. Zeit, sich um neue Geschäftsmodelle Gedanken zu machen, vor allem für Autohäuser. Kurzfassung Innovative Verkehrsteilnehmer ändern aktuell ihr Mobilitätsverhalten: Sie nehmen das Fahrrad, die S-Bahn, das CarSharing-Auto oder den Mietwagen. Je nachdem, was am pragmatischsten ist. Autohauschefs von morgen sollten sich darauf einstellen und gezielt über neue Geschäftsmodelle und Services nachdenken. Einloggen, lernen, fitter werden Sie wollen sich und Ihre Mitarbeiter fit für die Zukunft des Autohandels machen? Mit AUTOHAUS next, dem neuen Vorteilsangebot für unsere Abonnenten, ist das jetzt möglich. Denn neben den 21 Magazin-Ausgaben, den zahlreichen Spezials, dem AUTOHAUS ePaper und den nutzwertigen Marktdaten wie dem AUTOHAUS pulsSchlag steht nun auch der brandneue eCampus zur Verfügung. Mit relevanten Videotrainings und praktischen Arbeitshilfen sowie intuitivem eCockpit zur Steuerung des Lernens und Arbeitens. So stellen wir uns die Informations- und Wissensvermittlung der Zukunft vor.Patrick Neumann, stellvertretender Chefredakteur AUTOHAUS"In Ihrer Digitalstrategie gibt es noch Luft nach oben? Kein Problem. Unser Experte Dr. Jörg von Steinaecker nimmt Sie in seinem Videokurs an die Hand und zeigt Ihnen die Chancen des digitalen Wandels auf. Machen Sie das Automobil erfahrbar, lernen Sie mehr über den Megatrend Regionalität und investieren Sie in die stationär-beständigen Geschäftsfelder - unser Videotraining gibt dazu die richtigen Impulse."

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