ZDK-Veranstaltung: Klimaschutz für Praktiker

Die IAA Mobility scheint für Kfz-Händler und -Werkstätten nicht besonders interessant gewesen zu sein. Die ZDK-Veranstaltung in deren Rahmen verzeichnete nur 60 Anmeldungen, obwohl die ersten 150 Angemeldeten ein Freiticket für die Messe bekamen. Dabei war die Diskussion zweier Branchenvertreter mit zwei Akteuren aus dem Umwelt- und Nachhaltigkeitsbereich wirklich interessant - und anders als die IAA Konferenz auf Deutsch. Autohäuser und Servicebetriebe, die sich bisher noch nicht so stark mit dem Thema beschäftigt haben, konnten bei der ZDK-Veranstaltung zahlreiche Anregungen bekommen und ein gutes Verständnis für das Thema entwickeln. Martin Boisseree, Nachhaltigkeitsbeauftragter von Sternpartner, stellte die operativen Maßnahmen der Autohausgruppe, die acht Marken an 21 Standorten vertritt, vor. Der 63-jährige Diplom-Ingenieur, der Jahrzehnte im Vertrieb gearbeitet hat, hatte die Aufgabe übernommen, als sich das Unternehmen im Januar 2022 entschied, langfristig Energieautarkie anzustreben. Dass das Thema durch den Ukraine-Krieg und die damit verbundene Steigerung der Energiepreise enorm an Bedeutung gewinnen würde, wusste damals noch keiner. Jetzt sei Nachhaltigkeit Notwendigkeit, so Boisseree. Kleine Investition - große Wirkung Begonnen wurde in der Autohausgruppe zunächst mit kleinen Maßnahmen: Die Mitarbeiter wurden für Energieverbrauch sensibilisiert. Also zum Beispiel abends die Heizung abdrehen, das Licht ausschalten, wenn man den Raum verlässt, solche Dinge. Was später von der Bundesregierung vorgeschrieben wurde, nachts die Außenbeleuchtung abzuschalten, war da schon Thema. Altgeräte zum Beispiel bei Kühlschränken wurden durch modernere Geräte ersetzt. Mit drei kleinen Videos im Intranet wurde das Thema bei den Mitarbeitern nochmals verstärkt beworben. Im Betrieb wurde eine Anlage im Lackierzentrum stillgelegt, die andere nur noch vier Tage die Woche, dann aber mehr Stunden, betrieben. Auch das sparte Energie, weil die Anlage am fünften Tag nicht mehr aufgeheizt werden musste. Die Reinigung der Heizgebläse in allen Betrieben brachte ebenfalls viel. Und ganz wichtig: Die Mitarbeiter wurden im Drei-Wochen-Rhythmus darüber informiert, wie viel durch die Maßnahmen eingespart wurde. Der Praktiker fasste zusammen: "Auch kleine Investitionen erreichen eine große Wirkung." Enorme Einsparung Trotz der Strompreissteigerungen konnten nämlich so die Kosten durch Mengenreduzierung um knapp acht Prozent reduziert werden. Bei Strom und Gas konnten rund 1.150 Tonnen CO2 eingespart werden. In diesem Jahr ist eine weitere Einsparung von 15 Prozent bei Strom und 20 Prozent bei Gas geplant. Die Solarpaneele für die Photovoltaikanlage sind bereits vorhanden. Deren Installation ist die nächste große Aufgabe von Boisseree. Im Vergleich zu 2021 erwartet er dadurch nochmals 30 Prozent Einsparung. Gas soll nur noch zur Abdeckung von Spitzen benutzt werden. Die Ölheizungen sollen alle durch Hybridheizungen aus Solarthermie und Pellet ersetzt werden. Wenn das geschafft ist, plant Sternpartner die Erweiterung des Fokus auf Wassermanagement, Müllvermeidung und Klimatechnik. Denn, so der Nachhaltigkeitsbeauftragte, durch die immer heißer werdenden Sommer werde wohl bald in der Werkstatt Klimatechnik notwendig sein, um die Mitarbeiter auch bei großer Hitze produktiv halten zu können. Auch Zertifikatehandel hilft Es gibt nicht nur den einen Weg zum Klimaschutz. Gregory Endres vom Beratungsunternehmen "Fokus Zukunft" aus Starnberg zeigte auf, wie Unternehmen bei diesem Thema begleitet werden können. Erster Schritt: Die Berechnung des CO2-Fußabdrucks. Hier folgt das Unternehmen den anerkannten Vorgaben des Greenhouse Gas Protocols. Dabei werden neben dem direkten Energieverbrauch des Unternehmens (stationäre Anlagen, Fuhrpark) sowohl die vorgelagerten Aktivitäten, zum Beispiel von zugekauften Waren über Anlagegüter und Mobilitätsaufwand bis hin zu energiebezogenen Emissionen, als auch die nachgelagerten Aktivitäten bezogen auf das fertige Produkt analysiert. Und Endres erklärte das Prinzip Zertifikatehandel gut verständlich: Die europäischen Länder haben ihren Wohlstand auf fossilen Brennstoffen aufgebaut. Das Bevölkerungswachstum der Zukunft werde aber in Ländern wie China und Indien sowie auf dem afrikanischen Kontinent stattfinden. Ziel müsse es sein, auch diese Länder für CO2-neutrale Energieerzeugung zu gewinnen. Ein Weg sei die finanzielle Unterstützung etwa von Windkraft- oder Solarenergie-Projekten für den globalen Klimaschutz durch einen qualifizierten CO2-Zertifikatehandel. "Durch die Kompensation schaffen wir, dass die Kohle im Boden bleibt." Hersteller baut CO2-neutrale Fabrik Roberto Rossetti, Hauptabteilungsleiter Entwicklung Gesamtfahrzeug - Fahrzeuglebenszyklus bei der BMW Group, konzentrierte sich auf die Frage, wie moderne Technologien zu einem umweltfreundlicheren Produkt führen können, bezogen auf Klimaschutz und Ressourcenschonung. "Wir bei BMW sind überzeugt, dass Technologie und Innovationen der Schlüssel zu mehr Umweltschutz sind." Aber: Der Kunde sei nicht bereit, einen Aufpreis zu bezahlen für Nachhaltigkeit. Dennoch fragten gerade gewerbliche Kunden immer mehr nach dem "Fußabdruck" der Fahrzeuge, weil sie ihre Dienstwagen auch in die Berechnung des Fußabdrucks ihres Unternehmens einbeziehen müssen. In der Nutzungsphase könnten Treibhausgase durch batterieelektrische Fahrzeuge am besten reduziert werden, so Rossetti. Ziel sei es aber, die CO2-Emissionen über den gesamten Lebenszyklus der Fahrzeuge bis 2030 um 40 Prozent gegenüber 2019 zu reduzieren. Die größte Herausforderung liege bei der besonders energieintensiven Produktion in der Lieferkette. Hier gäbe es Potenziale in der stärkeren Verwendung von Recyclingmaterial bei Kunststoffen und Metallen sowie in der Verbesserung bei Demontage und Recycling. So könnten alte Autos als Rohstofflieferanten für neue Fahrzeuge dienen. Zukünftig sollten dafür die Demontage von Komponenten vereinfacht, die Anzahl von Komponenten verringert, die Materialauswahl verwertungskompatibel gestaltet und kritische Materialien vermieden werden. Die neu erbaute Fabrik in Debrecen, Ungarn, wo die "Neue Klasse", die 2025 auf den Markt kommt, gebaut werden soll, soll komplett CO2-neutral werden. Naturschutz geht nur gemeinsam "Es muss sich etwas ändern, aber es kann gut werden." Pauline Schur, Teamleiterin Verkehrspolitik beim Naturschutzbund Deutschland (NABU), warb dafür, gemeinsam an der dringlichen Aufgabe der CO2-Reduzierung zu arbeiten. Dabei falle dem Straßenverkehr mit einem Anteil von 71,7 Prozent der CO2-Emissionen eine Schlüsselrolle zu. Das Auto sei nach wie vor das meistgenutzte Verkehrsmittel, und die Pkw-Dichte nehme weiter zu auf inzwischen 583 Pkw auf 1.000 Einwohner. Der NABU setze hier komplett auf E-Mobilität und auf Verkehrsvermeidung, ohne jedoch jemanden zurücklassen zu wollen. Vorrangig sei der Ausbau der Schiene, Straßen sollten lediglich erhalten und saniert werden, und vom Anspruch "Autobesitz für alle" solle sich wegbewegt werden, und zwar durch Förderung von Bahn, ÖPNV, Fahrrad und Mobilitätsstationen. Parallel müssten die Verbrenner teurer werden. Auch E-Fuels seien nicht die Zukunft. Planbare Förderung nötig In der anschließenden Diskussion, geleitet von ZDK-Hauptgeschäftsführer Dr. Kurt-Christian Scheel, ging es unter anderem darum, wie Autohäuser neue und erweiterte Mobilitätskonzepte anbieten können. Auch Flottenkunden interessierten sich immer mehr für Klimaschutz und Recycling. Man müsse den Individualverkehr ganzheitlich denken und alle Mobilitätsformen in einen nachhaltigen Ausgleich bringen. Nachdrücklich äußerte der Präsident des Volkswagen/Audi-Partnerverbandes, Dirk Weddigen von Knapp, nochmals die Forderung, dass für den Erfolg der Elektromobilität diese langfristig planbar gefördert werden müsse. "Norwegen hat sieben Jahre lang konsequent gefördert, um dahin zu kommen, wo sie jetzt stehen."

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