Differenzkasko-Klausel: Forderungsberechtigt: Der Leasingnehmer

Eine erhebliche Anzahl der Fahrzeugverkäufe wird über Leasinggesellschaften abgewickelt. Diese haben selbstverständlich ein Interesse an der Sacherhaltung ihres verleasten Eigentums. Dementsprechend werden in den Leasingverträgen die Leasingnehmer generell zum Abschluss von Vollkaskoverträgen verpflichtet. Das Interesse der Leasinggeber zielt insbesondere auch darauf ab, bei einem Totalverlust, sei es durch Unfall oder Diebstahl, eine volle finanzielle Entschädigung zu erhalten. In diesem Zusammenhang wird in den Leasingverträgen ein Ablösewert definiert. Der Leasingnehmer kann sich im Rahmen einer Vollkaskoversicherung durch eine sog. Differenzkasko-Klausel absichern. Eine solche Klausel bieten alle Versicherer im Rahmen ihrer Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) mehr oder weniger inhaltsgleich an. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit kürzlich veröffentlichtem Urteil vom 08.10.2014 (Az IV ZR 16/13) über die Reichweite einer solchen Differenzkasko-Klausel entschieden. Differenzkasko-Klausel nach AKB Nach den AKB werden die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers zu seinem Versicherer für den Einzelfall geregelt. Vormals wurden die AKB durch den Versicherungsverband aufgestellt und durch die Versicherungsaufsichtsbehörde und auch die Rechtsprechung als quasigesetzliches Recht angewandt. Im Rahmen der europäischen Deregulierung hat sich der Rechtscharakter geändert. Die AKB werden nicht mehr allgemeingültig vorgegeben, jedes Versicherungsunternehmen legt seinen Versicherungsverträgen eigene AKB zugrunde, die "nur noch" als allgemeine Geschäftsbedingungen in den jeweiligen Versicherungsvertrag einbezogen sind. Gegenstand der oben genannten BGH-Entscheidung war eine Differenzkasko-Klausel mit folgendem Inhalt: "Bei Totalschaden, Zerstörung oder Verlust eines geleasten Pkw erhöht sich in der Vollkasko die Leistung auf den Ablösewert des Fahrzeuges, der sich aus der Abrechnung des Leasinggebers ergibt (Differenz-Kasko). (...) Im Schadenfall haben Sie uns folgende Unterlagen vorzulegen: Leasingvertrag, Abrechnung des Leasingvertrages, Berechnung des Ablösewerts und Endabrechnung des gegnerischen Haftpflichtversicherers." Prozessgegenstand Im vorliegenden Fall hatte eine Leasinggesellschaft an die spätere Klägerin aus dreizehn Kaskoversicherungsverträgen Ansprüche auf Differenzkasko-Leistungen abgetreten. Die verleasten Fahrzeuge hatten jeweils entweder einen Totalschaden erlitten oder waren entwendet worden. In den Leasingverträgen war unter der Überschrift "Leasing - Extra bei Totalschaden oder Diebstahl" mit teilweise im Detail wechselnden Formulierungen Folgendes bestimmt: "Der Leasinggeber verzichtet im Falle eines Diebstahls oder Totalschadens auf die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert, wenn die Versicherungsleistung binnen drei Monaten ab Schadenstag bei ihm eingeht. Anderenfalls verbleibt es (...) bei dem vertraglich vereinbarten Ablösewert. Erfolgt die Auszahlung der Versicherungsleistung noch zu einem späteren Zeitpunkt, erstattet der Leasinggeber die Differenz zwischen Ablösewert und Wiederbeschaffungswert an den Leasingnehmer zurück (...)." Die Vollkaskoversicherung regulierte gegenüber der Klägerin aufgrund der Abtretung sämtliche Schäden innerhalb von drei Monaten ab dem jeweiligen Schadenstag lediglich bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswerts der einzelnen Fahrzeuge. Nicht bezahlt wurde von der Versicherung die Differenz zwischen dem Wiederbeschaffungswert und dem im Leasingvertrag vereinbarten Ablösewert als dem vollen finanziellen Interesse der Leasinggeberin. Die Leasinggeberin hatte gegenüber den Leasingnehmern keine Abrechnung auf den vollen Ablösewert vorgenommen. Die Leasinggeberin sah eine solche Abrechnung wohl als bloße Formalie an. Entscheidung des BGH Die Klägerin zog wegen der nicht bezahlten Differenz auf den vollen Ablösewert gegen die Versicherung vor Gericht und erhielt in erster Instanz noch Recht. Die Versicherung wurde auf Zahlung von über 43.000 Euro für alle dreizehn Fahrzeuge verurteilt. Vom Berufungsgericht wurde das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage vollständig abgewiesen. Der BGH bestätigte in der Revision das klageabweisende Berufungsurteil zugunsten der Versicherung. Hiernach dient der vom Versicherungsnehmer (Leasingnehmer) freiwillig abgeschlossene Differenzkaskoschutz für das geleaste Fahrzeug nicht dem Eigentümerinteresse der Leasinggeberin, sondern deckt nur das Versicherungslücken-Risiko des Leasingnehmers als Versicherungsnehmer ab. Hieraus ergibt sich, dass der Versicherungsnehmer bei Verlust eines geleasten Fahrzeugs dem Leasinggeber die Ablösesumme schuldet, während die Kaskoversicherung dem Leasinggeber normalerweise nur den (in aller Regel) niedrigeren Wiederbeschaffungswert erstattet. Vorliegend hatten aber die einzelnen Versicherungsnehmer (Leasingnehmer) einen solchen Differenzschaden nicht erlitten, weil die Leasinggeberin sie nur in Höhe des Wiederbeschaffungswertes in Anspruch genommen hatte. Somit gab es auch keinen abtretbaren Anspruch auf eine Differenzkasko-Versicherungsleistung und die Klägerin verlor den Prozess. Richterliche Auslegung Die im Streit stehende AKB-Klausel zur Differenzkasko-Versicherung wurde vom BGH folgendermaßen interpretiert: Bei der Differenzkasko-Klausel handelt es sich nicht um eine bloße "Erstreckung" einer Fremdversicherung auf einen weitergehenden, bei der Fahrzeugeigentümerin (Leasinggeberin) eingetretenen Vermögensschaden. Vielmehr enthält die Differenzkasko-Klausel nur eine den Leasing- und Versicherungsnehmer schützende Bestimmung, die das Versicherungslücken-Risiko abdeckt. Ein solches Risiko kann sich daraus ergeben, dass der Leasing- und Versicherungsnehmer bei Verlust eines geleasten Fahrzeuges dem Leasinggeber die vertragsgemäße Ablösesumme schuldet, während der Kaskoversicherungsschutz zunächst nur den Sachverlust abdeckt und deshalb lediglich auf den Ersatz des (niedrigeren) Wiederbeschaffungswertes gerichtet ist. Der BGH wörtlich und apodiktisch: "Dies ergibt die Auslegung der Klausel." Aus dieser Konsequenz und Auslegung des BGH ergab sich für die somit nicht versicherte Leasinggeberin allein deshalb kein Anspruch, weil sie die vertragliche Ablösesumme gegenüber den einzelnen Leasingnehmern nicht abgerechnet hatte. Kurzfassung 1. In den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) werden die Rechte und Pflichten des Versicherungsnehmers zu seinem Versicherer geregelt. Nach europäischer Deregulierung beschränkt sich der Rechtscharakter der AKB heute nur noch auf allgemeine Geschäftsbedingungen im üblichen Sinne.2. Für den Fall eines Totalverlustes eines Fahrzeuges ist in den Leasingverträgen ein Ablösewert definiert, der sich aus einer Schlussabrechnung des Leasinggebers ergibt und der in der Regel höher ist als der Wiederbeschaff ungswert. Die hierdurch entstehende Deckungslücke in der Vollkaskoversicherung kann durch Abschluss einer so genannten Differenzkasko-Klausel geschlossen werden.3. Gemäß Urteil des BGH dient der vom Leasingnehmer mit der Vollkaskoversicherung abgeschlossene Differenzkasko-Schutz nicht dem Eigentümerinteresse der Leasinggeberin, sondern einzig dem Deckungsinteresse des Leasingnehmers als dem Versicherungsnehmer. Forderungsberechtigter aus der Differenzkasko-Klausel ist also allein der Leasingnehmer. Kommentar Das im vorliegenden Beitrag behandelte Urteil des BGH zeigt fast lehrbuchmäßig, dass Jura keine exakte Wissenschaft ist. Selbstverständlich gibt es allgemeingültige Vorschriften und Regeln, es gibt jedoch auch persönliche Meinungen, Tendenzen und - eben - Auslegungen. In diesem Sinne war das Urteil des BGH sicherlich nicht zwingend. Die verschiedenen Klauseln hätten auch different beurteilt werden können, wie dies die erste Instanz tat. Für die Versicherungswirtschaft und auch für die Leasingnehmer als Autohauskunden - sofern diese eine Differenzkasko-Klausel vereinbart haben - ist das Urteil jedenfalls erfreulich.Rechtsanwalt Walter Sattler

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