Gebrauchtwagen-Urteile: Neues aus der Rechtsprechung

BGH - Urteil vom 19.07.2023 Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte in dieser Entscheidung (Az. VIII ZR 201/22) folgenden Fall zu klären: Es ging um einen Gebrauchtwagenverkauf zum Preis von 4.500,00 ? mit vereinbartem "Gewährleistungsausschluss" (juristisch korrekt: Ausschluss der Sachmängelhaftung). Letzterer war zulässig, da es sich nicht um einen Verbrauchsgüterkauf (Unternehmer verkauft an Verbraucher) handelte. Der Käufer verlangte die Rückgängigmachung des Kaufs und zusätzlich Aufwendungsersatz, weil er sich arglistig getäuscht fühlte. Grund war, dass der Verkäufer vertraglich erklärt hatte, dass das Fahrzeug während seiner Eigentumszeit (der BGH spricht dann von "Besitzzeit") keinen Unfallschaden erlitten hatte, wobei er jedoch verschwieg, dass er das Fahrzeug nur wenige Tage vor der Weiterveräußerung erworben und tatsächlich lediglich nur für eine einstündige Probefahrt genutzt hatte. In rechtlicher Hinsicht besteht der Vorwurf einer arglistigen Täuschung tatsächlich nicht ausschließlich dann, wenn beim Vertragsschluss bewusst falsche Tatsachen behauptet werden, sondern auch schon bei Angaben "ins Blaue hinein". Der BGH hat nun jedoch in dem Urteil festgestellt, dass in der Erklärung des Verkäufers, das Fahrzeug sei während seiner Besitzzeit unfallfrei gewesen, nicht allein deshalb eine solche "Angabe ins Blaue hinein" gesehen werden kann, weil er den Käufer nicht darauf hingewiesen hatte, dass seine Besitzzeit extrem kurz war. Der Verkäufer habe ausreichend klar zu erkennen gegeben, dass er nur für den Zeitraum seiner Besitzzeit Angaben zur Unfallfreiheit des Fahrzeugs machen wollte, und es sei auch weder vorgetragen noch ersichtlich, dass es in dieser - sei es auch dem Käufer unbekanntermaßen kurzen - Besitzzeit zu einem Unfall gekommen war. Der Verkäufer hatte die Wahrheit gesagt - das genügte dem BGH hier. Der BGH stärkt also in diesem aktuellen Urteil den Verkäufern den Rücken, indem er den Bogen bei den Anforderungen an die Aufklärungspflichten zur Vermeidung des Vorwurfs arglistiger Täuschung nicht überspannt. OLG Stuttgart Urteil vom 17.08.2023 Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hatte hier ebenfalls über einen streitigen Gebrauchtwagenverkauf zu entscheiden (Az. 2 U 41/22). Es ging um ein beim Verkauf knapp 20 Jahre altes Fahrzeug mit einer Laufleistung von nahezu 160.000 km zum Preis von knapp 5.000,00 ?. Das Fahrzeug wurde vertraglich als "Bastlerfahrzeug" bezeichnet. Es zeigten sich im Anschluss diverse Mängel. Unter anderem stellte sich die Frage, ob hier eine wirksame Beschaffenheitsvereinbarung getroffen worden war, wonach somit die fehlende Funktionsfähigkeit keinen Mangel darstellen würde. Problem war jedoch, dass aufgrund der weiteren Angaben des Verkäufers und des unstreitig zugrunde gelegten Vertragszwecks der Käufer von einem funktionsfähigen Fahrzeug ausgehen durfte. Wie auch viele andere Gerichte in vergleichbaren Urteilen aus den letzten Jahren zuvor stellte das OLG Stuttgart entscheidend nicht auf den Wortlaut der Vereinbarung, sondern den übereinstimmenden tatsächlichen Willen der Parteien ab. Wenn es auch zwar grundsätzlich möglich ist, ein Fahrzeug lediglich zum Basteln zu verkaufen und damit die Funktionsunfähigkeit als Mangel auszuschließen, verfängt das nicht, wenn der Vertrag im Übrigen "atmet", dass das Fahrzeug als funktionsfähig verkauft wird. Mit der bloßen Worthülse "Bastlerfahrzeug" kann der Verkäufer sich dann - durchaus zu Recht und nachvollziehbar - nicht entlasten und haftet nach den Grundsätzen der gesetzlichen Sachmängelhaftung. Entgegen vielfachen Gerüchten darf ein Fahrzeug also nach wie vor durchaus als "Bastlerfahrzeug" vereinbart werden. Nur dann darf sich nicht aus den sonstigen vertraglichen Vereinbarungen das Gegenteil ergeben. OLG Karlsruhe Beschluss vom 04.04.2023 Auch in diesem Beschluss (Az. 14 U 216/21) ging es um einen Gebrauchtwagenkaufvertrag. Streitgegenstand war ein Fahrzeug zum Preis von 22.000,00 ? mit Erstzulassung etwa 3 1/2 Jahre vor dem Verkauf und einem Kilometerstand von 112.000 km. Das Geschäft galt als solches unter Unternehmern, somit nicht als Verbrauchsgüterkauf, so dass die besonderen Verbraucherschutzregelungen keine Anwendung fanden und beispielsweise also auch die Möglichkeit des Ausschlusses der Sachmängelhaftung bestand. Streitig und somit vom Gericht auszulegen war die Vertragsklausel: "Angaben über Beschädigungen und km-Stände werden wie vom Vorbesitzer ausgesagt weitergegeben. Für Unfallfreiheit (Rahmenschaden etc.), km-Stand keine Garantie, sofern dies nicht vom Verkäufer arglistig verschwiegen wurde." Das OLG interpretierte das als eine Vereinbarung, wonach sich Angaben über Vorschäden als reine Wissenserklärung darstellen und damit hinsichtlich deren Vorliegens die Sachmängelhaftung - natürlich bis auf Fälle von Arglist - ausgeschlossen ist. Unter Berufung auf den BGH erklärt das OLG, dass eine solche Wissensmitteilung die Bedeutung hat, dass der Verkäufer lediglich dafür haftet, dass er die Angaben des "Vorbesitzers" richtig und vollständig wiedergibt. Dies begegne unter Unternehmern auch keinen durchgreifenden Bedenken. Gemäß dem allgemeinen Empfängerhorizont bezieht sich die Klausel laut dem OLG auch auf sämtliche Vorschäden und nicht nur auf Unfallschäden im engeren Sinne, denn der Begriff "Unfallfreiheit" werde ja in dem Satz nach den "Beschädigungen" verwendet und sei damit objektiv gesehen als Synonym gemeint, was sich insbesondere auch aus dem Zusatz "(Rahmenschaden etc.)" ergebe. "Epilog" und Ausblick Sämtliche vorstehend dargestellten Urteile aus diesem Jahr betreffen noch Fälle vor der gehypten "Schuldrechtsreform II", welche im Wesentlichen zum 01.01.2022 in Kraft getreten ist. Die Rechtslage zu den dargestellten relevanten Punkten hat sich jedoch durch die Reform nicht grundlegend geändert, lediglich sind bekanntlich die formellen Anforderungen an die Vereinbarung von Substandards drastisch gestiegen. Zum "neuen Recht" sind, soweit überschaubar, bisher jedenfalls keine belastbaren höchstrichterlichen Entscheidungen ergangen. Bis der BGH sich zu den aufkommenden Fragen geäußert hat, wird es voraussichtlich noch Jahre dauern (und selbst das wäre nach unserem Rechtssystem dann nicht zwingend auf Dauer verbindlich). Man kann eben nur versuchen, sich möglichst rechtssicher auch zum geänderten Sachmängelhaftungsrecht insbesondere beim Verbrauchsgüterkauf aufzustellen. Viele Händler nutzen die von verschiedenen Verlagen angebotenen und teils von den einschlägigen Verbänden empfohlenen Formulare, Textbausteine und Formulierungsbeispiele. K. MARTIN HAKE Rechtsanwalt, der sich seit 30 Jahren schwerpunktmäßig den Gebieten des Autoverkaufs-, Reparatur- und Unfallschadensrechts sowie dem Handelsrecht und auch Verkehrsstraf- und Bußgeldsachen, ferner dem Recht des Forderungsmanagements im Kfz-Bereich widmet. Gemeinsam mit den Anwälten in seiner Kanzlei "Hake Rechtsanwälte" (kontakt@hake-rechtsanwaelte.de) ist er deutschlandweit bei der Beratung sowie außergerichtlichen und gerichtlichen Vertretung insbesondere von Kfz-Händlern und Werkstätten sowie Herstellern und Importeuren im Einsatz. Parallel betätigt sich der Spezialist für Autorecht als Autor von Fachbüchern, Fachbeiträgen in Zeitschriften sowie als Konzeptionist und Dozent u. a. für die zertifizierten Lehrgänge der Branche rund um das Thema Kfz-Recht. Seine Bücher "Rechtsfragen der Kfz-Werkstatt" (8. Auflage), "Rechtssicherheit beim Autoverkauf" und die Fibel "Forderungsmanagement im Autohaus" sind im Verlag Springer Fachmedien erhältlich. www.hake-rechtsanwaelte.de

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