Die Vorschläge von VW-Konzernchef Matthias Müller zu einer stärkeren Besteuerung von Dieselsprit und Einführung von Umweltplaketten entzweien Regierung und Umweltverbände. Während Öko-Organisationen und auch die Grünen mehrheitlich Zustimmung für die Ideen signalisierten, reagierte der geschäftsführende Bundesverkehrsminister Christian Schmidt (CSU) irritiert darauf.
Müller hatte im "Handelsblatt" Plaketten für besonders emissionsarme Autos in Städten befürwortet und die bestehenden Steuervorteile für Dieselkraftstoff im Vergleich zu Benzin in Zweifel gezogen. "Dass die Automobilindustrie Fahrverbote fordert, verwundert sehr", sagte Schmidt am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Die blaue Plakette bedeute "nichts anderes als die kalte Enteignung von Millionen von Diesel-Besitzern". Die Branche stehe "sehr deutlich in der Verantwortung", mehr Mobilität bei weniger Emissionen zu schaffen.
Schmidt betonte, er sehe derzeit darüber hinaus keinen Anlass, an der Besteuerung etwas zu ändern. Auch Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung habe gegenwärtig "keine Pläne" dazu.
Diesel hat große Relevanz
Der Diesel ist für die deutschen Autobauer extrem wichtig. Ein Grund für den hohen Dieselanteil hierzulande ist die deutlich niedrigere Besteuerung des Kraftstoffs. Dieselwagen stoßen bei vergleichbarer Leistung weniger CO2 aus als Benziner, sind aber im Schnitt stärker motorisiert. Zudem stoßen sie viel schädliche Stickoxide aus.
Der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, Oliver Krischer, zeigte sich enttäuscht von der Einschätzung des Verkehrsministeriums. "Herr Schmidt hat wohl den Schuss nicht ganz gehört", meinte er. "Er will die Gesundheitsgefahr durch dreckige Stadtluft einfach ignorieren. Das ist grotesk." Marion Tiemann von Greenpeace beurteilte dies ähnlich: "Während die Autoindustrie einzusehen beginnt, dass Diesel-Subventionen nicht mehr zu rechtfertigen sind, gräbt sich der Verkehrsminister in einer mobilitätsfeindlichen Position ein." Statt niedrigere Steuern für den Diesel zu finanzieren, lasse sich etwa mehr Geld für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs verwenden.
Eine Sprecherin von Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) verwies darauf, dass die Ministerin aus Umweltsicht die Steuervorteile zwar nicht für gerechtfertigt halte - sie aber nur im Zuge einer größeren ökologisch und sozial ausgerichteten Steuerreform abschaffen wolle.
Müllers schlägt abgestuftes Modell vor
Der Betriebsrat von Volkswagen hob hervor, dass es sich bei den Vorschlägen Müllers um ein abgestuftes Modell handle. "Er hat nicht davon geredet, dass man das in einem Schritt macht, sondern von schrittweiser Umstellung vom Diesel hin in Richtung Elektromobilität", stellte der oberste Mitarbeitervertreter Bernd Osterloh klar. "Das wird wie gesagt nicht von heute auf morgen passieren. (...) Das ist nicht das Ende des Diesels."
Der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, verlangte von der nächsten Bundesregierung, die geringere Besteuerung von Dieselsprit aber rasch auf den Prüfstand zu stellen. Die Menschen bräuchten Planungssicherheit beim Autokauf. "Ein schrittweiser Abbau der Dieselsubvention wäre sinnvoll", sagte er dem "Handelsblatt".
Beim ökologisch orientierten Verkehrsclub Deutschland hieß es, die Äußerungen des VW-Chefs seien "eine mutige Ansage. Denn es ist absurd, wenn Politik und Industrie seit Jahren einerseits mehr Elektromobilität wollen, aber gleichzeitig den Diesel weiterhin mit Steuermilliarden künstlich am Leben erhalten." Müller habe diese Ideen allerdings wohl auch mit Blick auf den Verkauf von mehr E-Modellen und damit "nicht ohne Hintergedanken" formuliert. (dpa)
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