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VW-Chef: Lieferstreit hat Folgen

30.08.2016 15:30 Uhr
Matthias Müller
Nach dem Zulieferer-Streit mit empfindlichen Produktionseinbußen ringt VW-Chef Matthias Müller um die Rückkehr zur Normalität.
© Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Der Boykott zweier Lieferanten bereitete dem VW-Konzernchef Kopfzerbrechen. Er will jetzt Lehren daraus ziehen. Auch sonst gibt es für Matthias Müller kaum Ruhe. Erhält die Belegschaft beim heiklen "Zukunftspakt" bald Gewissheit?

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Von Jan-Henrik Petermann, Almut Kipp und Heiko Lossie, dpa

Als Lehre aus dem Zulieferer-Streit mit schmerzhaften Produktionsausfällen will VW seine Lieferantenverträge durchleuchten - zusätzlich muss Konzernchef Matthias Müller weiter mit den Reizthemen Umbau, Sparkurs und Diesel-Affäre ringen. Zum "Zukunftspakt" für die gewinnschwache Kernmarke gibt es neue Details. Der Konflikt mit zwei langjährigen Partnern der Prevent-Gruppe habe zuletzt einen hohen Druck erzeugt, sagte Müller am Montagabend im Club Hamburger Wirtschaftsjournalisten. Und auch nach der Einigung vor einer Woche dürfte der Streit Konsequenzen für die Einkaufspraxis haben. Zwar gebe es keinen Anlass, nun für alle möglichen Teile eine Mehr-Quellen-Strategie zu prüfen. "Aber wir werden uns genau unsere Einkaufsverträge anschauen und sehen, wie wir das optimieren."

Ein Lieferstopp der Prevent-Firmen ES Automobilguss (Getriebeteile) und Car Trim (Sitzbezüge) wegen angeblich grundlos stornierter Verträge durch Volkswagen hatte in der vergangenen Woche empfindliche Einbußen in der Fertigung zur Folge gehabt - vor allem beim Golf und Passat. Am Dienstag hieß es aus dem Landgericht Braunschweig, dass die Auseinandersetzung um fehlende Bauteile nun auch formal beigelegt sei: Beide Seiten hätten die Sache inzwischen "für erledigt erklärt".

Der Boykott in der Beschaffung hatte die grundlegende Reform des Konzerns und sogar die Aufarbeitung der Diesel-Affäre für einige Tage fast vollständig überdeckt. Als besonders heißes Eisen gilt nach wie vor der "Zukunftspakt", der nötige Einsparungen und die Sicherheit der Jobs bei VW ausbalancieren soll. "Das Ergebnis wird in zwei bis drei Monaten vorliegen", sagte Müller. Direkte Arbeitsplatz-Verluste schloss er erneut aus: "Wir werden niemanden rausschmeißen oder betriebsbedingt kündigen." Die Zusammensetzung der Belegschaft müsse sich jedoch wandeln und mehr an den Zukunftsthemen orientieren.

Neue Details zum VW-Zukunftspakt

VW-Markenchef Herbert Diess unterstrich die Dringlichkeit, bei der gewinnschwachen Pkw-Kernmarke zu handeln. "Volkswagen steht für sehr hochwertige Produkte und bei Kunden beliebte Fahrzeuge - jedoch verdient das Unternehmen mit ihnen derzeit kaum Geld", schrieb der Manager in einer gemeinsamen Information von Unternehmen und Betriebsrat, die VW am Dienstag an die Belegschaft verteilte. "Das (Geld) wiederum wird dringend benötigt, um Investitionen in die Zukunftsthemen zu stemmen.» Das Papier nennt erstmals auch Details zu den Arbeitsgruppen, in denen Arbeitgeberseite und Betriebsrat den "Zukunftspakt" zum Wandel der Marke festzurren wollen.

Betriebsratschef Bernd Osterloh betonte darin: "Klar ist: Es geht beim Zukunftspakt nicht um Tarifverträge, sondern um die Zukunft unserer Arbeit." Das Fazit hält fest: "Neben einer nachhaltigen Rendite steht auch die Sicherheit der Arbeitsplätze im Mittelpunkt."

Im Frühjahr waren Pläne im Management für einen Abbau von über 3.000 VW-Verwaltungsstellen bekanntgeworden. Streichungen wären etwa über Altersteilzeit trotz der laufenden Beschäftigungssicherung möglich. Der Spardruck ist nicht zuletzt wegen der Finanzlast der Abgaskrise hoch. "Zur Größenordnung kann ich noch nichts sagen", sagte Müller.

Keine eigene Zellfertigung

Beim Ausbau seiner Geschäfte rund um die E-Mobilität wird VW Müller zufolge keine eigene Zellfertigung anschieben. "Das wäre ein Witz", sagte er mit Blick auf die Kosten. Man sehe sich aber die gesamte Prozesskette an - von der Rohstoffbeschaffung über die Fertigung der ganzen Batterie bis zum Einbau ins Auto. "Dann werden wir - wohl noch in diesem Jahr - bekanntgeben, wie wir mit diesem Thema umgehen." VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh hatte der Deutschen Presse-Agentur kürzlich gesagt, er sehe keine zwingende Notwendigkeit für eine eigene Zellfertigung - für eine eigene Batteriefabrik aber sehr wohl.

Die hohen Kosten für E-Autos gelten neben der geringen Reichweite und dünnen Ladeinfrastruktur als größter Hemmschuh für einen Durchbruch der Technik in Deutschland. Daimler zog sich Ende 2015 aus der Zellfertigung im sächsischen Kamenz zurück. Der US-Elektroautopionier Tesla plant derweil zusammen mit Panasonic riesige Fabriken. VW erwägt den Bau eines Werks für Elektroautos und -antriebe insgesamt.

Außerdem kämen Konzepte zum autonomen Fahren voran, meinte der VW-Konzernchef. "Dieser Hype wird sich relativieren." Noch sei viel an Entwicklungsarbeit zu leisten, und der Fall eines verunglückten Teslas mit Assistenzsystem in den USA zeige, dass es Gefahren gebe. "Aber wir werden uns da öffnen", sagte Müller. Der neue Digitalchef Johann Jungwirth sei "einer, der das ganze Unternehmen umkrempelt". Darüber, dass die Deutsche Post einen Elektro-Scooter vorstellte, ärgere er sich, räumte Müller ein. Er hoffe, dass VW doch noch "etwas mit der Post machen" könne. "Mir wäre es recht. (...) Das richtig automatisierte Fahren wird wohl zuerst bei Nutzfahrzeugen kommen."

"Städte nicht unter Wasser fallen lassen"

Zur Aufarbeitung der Affäre um Millionen manipulierte Dieselmotoren wollte sich Müller nicht äußern. Kritik an US-Chefunterhändler Francisco Garcia Sanz - auch VW-Einkaufsvorstand - konnte er nicht nachvollziehen: "Ich bin der festen Überzeugung, dass er der Richtige ist." Auf das Warum der Affäre habe er noch heute keine Antwort, sagte Müller. VW liefere alle nötigen Informationen - die Bekanntgabe von Ergebnissen sei Sache der Ermittler.

Weil VW-Standorten infolge der Abgaskrise Gewerbesteuer-Einnahmen wegbrechen, drohen den Bürgern vielerorts höhere Kosten und Gebühren. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte daher zusätzliche Hilfen für betroffene Kommunen. Die Bundesländer müssten überlegen, diese über den kommunalen Finanzausgleich hinaus zu unterstützen, sagte Vize-Hauptgeschäftsführer Uwe Zimmermann der dpa in Berlin: "Wir dürfen diese Städte nicht unter Wasser fallen lassen."

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