Autohaus-Zukunft 2025: 10.000 Schritte in die Zukunft

Die Zukunft sitzt im Raum und hört gebannt zu. Die Rede ist von den rund 100 BFClern, die Mitte November in Göttingen den Experten auf der Bühne lauschen, wo die Reise der Automobilwirtschaft und somit auch ihre eigene morgen und übermorgen hingehen könnte. Nur eines ist zum Start des Kongresses, der unter "Autohaus-Zukunft 2025" firmiert, klar: Der große Wandel kommt, die Frage ist nur, wann. Doch machen wir einen gedanklichen Dreisprung vom Handel über die Hersteller bis hin zur Hochschule. Erfreulicherweise zeigen die Wortbeiträge der Händler auf der Kongressbühne, dass sie in dieser großen Transformation ihr Geschäftsmodell noch nicht völlig abgeschrieben haben, sondern aktiv die Zukunft gestalten möchten. Sie krempeln in diesen herausfordernden Zeiten die Ärmel hoch. Im harmonischen Zusammenspiel von Onund Offline, am besten intelligent verknüpft, sehen sie eine Menge Chancen. Schon heute - nicht erst in sieben Jahren. Wahrnehmung ändern Was sind digitale Ökosysteme? Was hat das mit mir zu tun? Und was muss ich machen? Den Antworten auf diese Fragen nähert sich Ralf Schütte von der Lueg-Gruppe in seinem empathischen Hallo-Wach-Vortrag. "Der Wandel ist in unseren Genen", macht das Mitglied der Geschäftsleitung Mut. Die Botschaft lautet: "Ich habe die gleichen Herausforderungen wie ihr und gehe sie jetzt an." Zumal Schütte den rund 270 Teilnehmern konkrete Handlungsempfehlungen mit auf den digitalen Weg gibt: Ändern Sie Ihre Wahrnehmung, stellen Sie den Kunden in den Mittelpunkt, verstehen und verbinden Sie Daten, schaffen Sie Nutzen, machen Sie Fehler, gehen Sie Kooperationen ein und machen Sie 10.000 kleine Schritte. Und zwar jetzt! Zudem betont er, dass man immer an die große Lösung glauben müsse. Auch Dirk Steeger, Geschäftsführer vom Autohaus Gotthard König aus Berlin, möchte ein Umdenken bewirken. Er wählt dafür aber ein auf den ersten Blick eher ungewöhnliches Thema: Wie man erfolgreich Kunden verliert. Provokant empfiehlt der größte Renault/Dacia- sowie Fiat-Händler Deutschlands Öffnungszeiten wie bei Ikea, spricht vom Internet als letzte Bastion für den Kfz-Handel und legt Kooperationen mit Online-Portalen wie Groupon & Co. nahe. Zudem sollten die Autohäuser die amazonisierten Kunden mit einem eigenen Online-Shop umgarnen, quasi als eigene Filiale im Internet. Eine Filiale mit unbegrenztem Einzugsbereich, einer grenzenlosen Fahrzeugauswahl und ohne Diskussionen mit dem Hersteller über Fliesen & Co. Syntegration als Vorbild Wie angespannt die Beziehung zwischen Händler und Hersteller in der aktuellen Transformation mitunter ist, davon kann Hans Jürgen Persy ein Lied singen. Stichwort: Händlerverträge. Der Vorsitzende des Vorstands von Löhr & Becker hat an der von Prof. Dr. Fredmund Malik geführten Syntegration zwischen Handel und VW-Konzern teilgenommen und somit auch die Frage intensiv diskutiert, was man gemeinsam tun müsse, damit neue Verträge für beide Seiten durchschlagenden Erfolg bringen. Und zwar langfristig. Herausgekommen sind zwölf Themen der Syntegration, darunter integrierte IT und Qualifizierung/Ertüchtigung, aber auch Kundendaten und Multikanalität. Persy zufolge ist die Syntegration ein probates Mittel dafür, damit der Volkswagen und Audi Partnerverband sowie der Hersteller in ein gemeinsames Handeln kommen. Lars Eßmann, Leiter Service Deutschland Marke Volkswagen Pkw, war ebenfalls bei der Syntegration dabei. Demnach verwundert es kaum, dass auch er auf dem Podium die Bedeutung der Multikanalwelt anspricht. Zudem betont der Aftersales-Experte die weiterhin große Bedeutung der Autohäuser. "Wir haben ein klares Bekenntnis zum Handel abgegeben", sagt Eßmann. "Wir werden kein Geschäft ohne ihn machen." Digitalisierung und Konsolidierung Handel und Hersteller sind das eine. Doch wie sieht man in Geislingen die Zukunft des Autohauses? Prof. Dr. Stefan Reindl, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA), weiß nur zu gut, dass es im Jahr 2000 noch 18.000 wirtschaftlich und rechtlich selbstständige Händler gab und die Digitalisierung die Konsolidierung unter den heute rund 6.300 weiter vorantreibt. "Die Anzahl der Mitarbeiter, Betriebe und Unternehmen auf der Retail-Ebene wird auch künftig noch abnehmen." Weitere große Veränderungen, was Prozesse, Funktionen und Aufgaben angeht, sieht er im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung auf den Handel zukommen. Auch werde sich der Hersteller die Datenhoheit sichern. Doch nicht nur das. Reindl rechnet zudem mit kleineren und digitalisierten Showrooms. Der Händler könnte darüber hinaus in die Rolle des Verkaufs- und Logistikdienstleisters des Herstellers schlüpfen. Beim Aftersales erwartet der IFA-Direktor weniger, aber größere Betriebseinheiten sowie stark spezialisierte Betriebe. Auch in Sachen Vergütungssysteme muss sich seiner Meinung nach etwas tun: "Die Händlerprovisionierung ist aktivitätsbasiert und losgelöst vom einzelnen Verkaufsabschluss auszugestalten. Eine Sockelvergütung ist notwendig, um die Investitionen abzusichern." Das Kongress-Fazit: Gewaltige Veränderungen stehen an. Clevere Unternehmer müssen die Transformation als Chefsache begreifen und Schritt für Schritt die richtigen Maßnahmen einleiten. Patrick Neumann . Dreizehn Statements aus Göttingen - "Erfolgreiche Händler betreiben aktives Community-Management und zielgerichtete Business-Initiativen." Ben Keller, Facebook - "Wir müssen anfangen, Daten besser zu verstehen und zu verbinden." Ralf Schütte, Fahrzeug-Werke Lueg - "Wer keine Zeit für die Zukunft hat, der hat auch keine." Lars Eßmann, Volkswagen Pkw - "Um richtig zu handeln, muss man die Muster des Wandels kennen." Hans Jürgen Persy, Löhr & Becker - "Erzeugen Sie Wow-Effekte in der Customer Experience." Dr. Marcus Götz, Ameria - "Man sollte die Vorteile der persönlichen Beratung mit digitalen Elementen kombinieren." Fabian Dierschke, Porsche Zentrum Mannheim - "Wir erwarten, dass sich der Kunde gerne Urlaub nimmt, um am Dienstagvormittag, wenn wir für ihn Zeit haben, ein Kraftfahrzeug zu kaufen." Dirk Steeger, Autohaus Gotthard König - "64 Prozent der Verbraucher fühlen sich nicht gut über Elektroautos im Allgemeinen informiert." Markus Winkler, Capgemini Invent - "Voice is becoming the new normal." Benjamin J. Richter, Google Cloud - "Nur wenige sind mit dem Prozess des Autokaufs zufrieden." Daniel Breves, mobile.de - "Bedeutet die Digitalisierung das Ende des Autohauses? Es kommt darauf an." Uwe Brossette, Osborne Clarke - "Ich persönlich glaube an den stationären Handel." Soner Catakli, dealerdesk - "Automobilkunden fordern die Veränderung der Vertriebs- und Autohausstrukturen ein. " Prof. Dr. Stefan Reindl, Institut für Automobilwirtschaft (IFA) Kurzfassung Am 13. November hat in Göttingen "Autohaus-Zukunft 2025" stattgefunden. Im Fokus vor Ort: So gelingt die Verknüpfung von On- und Offline. Weitere Themen der Experten waren etwa die digitale Transformation, der professionelle Umgang mit Leads, das Verhältnis zwischen Handel und Hersteller und die künftige Vergütung. Kommentar Was wurde in diesem Jahr nicht alles über die GW-Börsen diskutiert. Erst brachten - aus Händlersicht - die Preisbewertungen das Fass zum Überlaufen, die Fachgruppe Fabrikatsvereinigungen nahm sich daraufhin dieses heiklen Themas an. Später stieg dann auch noch die Finanzsparte von Daimler bei der immer noch jungen GW-Plattform HeyCar ein - wieder ein Thema für Diskussionen.Grund genug für uns, in einer Talkrunde von "Autohaus-Zukunft 2025" auch über die künftige Rolle der GW-Börsen zu sprechen. Gibt es sie in zehn Jahren überhaupt noch? Ja - so lautete selbstbewusst die Antwort der Manager. Egal, ob von Daniel Breves (mobile.de), Jochen Kurz (Auto-Scout24), Volker Zweigler (WebMobil24) oder Markus Kröger (HeyCar). Letzterer sagte allerdings auch: "Ob sie noch so aussehen werden wie die GW-Plattformen heute, wage ich zu bezweifeln."Doch Vorsicht: Bei der zukünftigen Transformation und einer weiteren Endkundenzentrierung sollten die GW-Börsen eine Grundaufgabe nicht aus dem Blick verlieren: den Händler wirklich erfolgreicher zu machen. Denn ihn auf Teufel komm raus verdrängen zu wollen, dürfte beide Seiten ernsthaft beschädigen.Patrick Neumann, stellvertretender Chefredakteur AUTOHAUS

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