AVAG: "Auf einem vernünftigen Niveau"

Der Showroom bleibt für Autokäufer wichtig. Das fehlende Geschäft während des Lockdowns konnte die AVAG mit digitalen Angeboten nur teilweise auffangen. Die Vorstandssprecher Roman Still und Albert C. Still sowie Aufsichtsratschef Albert K. Still geben Einblicke in die aktuelle Situation bei der Autohandelsgruppe. AH: Wie hat die AVAG den Lockdown während der Corona-Krise erlebt? R. Still: Wir hatten unsere Verkaufsräume von Mitte März bis Ende April sechs Wochen geschlossen. Unsere Werkstätten, deren Geschäft sich zwischen 60 und 80 Prozent bewegte, haben uns stark über die Zeit geholfen. Viele Mitarbeiter im Verkauf, aber auch in der Verwaltung sind in Kurzarbeit gegangen. In Deutschland und Österreich haben uns die Kurzarbeitsregelungen sehr geholfen. Aber auch in den anderen Ländern, in denen wir aktiv sind, wurden während der Corona-Pandemie vom Staat entsprechende Programme aufgelegt. In unseren Auslandsmärkten Österreich, Kroatien, Slowenien und Ungarn hatten unsere Betriebe größtenteils geschlossen, die Werkstätten waren je nach Land ganz oder eingeschränkt geöffnet. In Polen blieben die Betriebe offen, doch es kamen so gut wie keine Kunden. AH: Konnten Sie während des Lockdowns noch Fahrzeuge verkaufen? R. Still: Wir haben in Deutschland im Neuwagenbereich 25 Prozent des Auftragseingangs durch digitale Verkäufe aufrechterhalten können. Hauptsächlich waren es gewerbliche Großkunden. Die, die schon immer digital gekauft haben, haben das auch in dieser Phase gemacht. Im Gebrauchtwagengeschäft lag der Auftragseingang bei unter 20 Prozent, denn die Endkunden hatten während des Lockdowns kaum Interesse an Autos. Speziell diese Kundschaft will das Auto sehen. Sie hat gewartet, teils auch Fahrzeuge reserviert. Generell würde die Leadmenge, die wir über Mobile.de und Autoscout24 generieren, nur für zehn Prozent unserer GW-Verkäufe reichen. Die Kunden vereinbaren oft direkt bei uns einen Termin oder kommen selbst ins Autohaus. Sicher, die Anbahnung läuft fast ausschließlich übers Internet, aber angesichts der Erfahrungen lässt sich sagen, dass es den Autohandel in seiner klassischen Form auch weiterhin geben wird. Der Wunsch der Endkunden, ein Auto vor Ort besichtigen zu können, ist nach wie vor groß. AH: Wie ist das Geschäft nach dem Shutdown wieder angelaufen? R. Still: Seit der Wiedereröffnung läuft es ganz vernünftig, die Werkstätten sind gut besucht. Der Verkauf hat sich seitdem auf einem vernünftigen Niveau eingependelt. Diese sechs Wochen sind natürlich nicht kompensiert. Aber wenn man diesen Zeitraum ausblendet, würde man von einem ordentlichen Geschäftsjahr sprechen. Wir werden dieses positiv abschließen, aber natürlich nicht auf dem Niveau der Vorjahre. Kostenbewusstsein gefragt AH: Die Auswirkungen durch die Corona-Krise sind also überschaubar? R. Still: Wir haben eine relativ volle Werkstatt, doch die Nachfrage ist nicht auf dem gleichen Niveau wie vorher. Im Gebrauchtwagenbereich sind die Fahrzeuge jetzt sechs Wochen länger gestanden. Die Erträge fallen daher geringer aus. Generell ist das GW-Geschäft nicht auf Vor-Niveau. Das liegt auch am Händlergeschäft, welches aktuell nicht stattfindet. Auch produzieren alle Hersteller zurzeit relativ wenige Fahrzeuge. Die Zahl der Anlieferungen ist gering. Und die Auftragsbestände sind aktuell gar nicht so schlecht, weil wir die Lagerware abverkaufen. Der Bestellkauf ist eher das Problem, weil keine Fahrzeuge nachkommen. Man braucht nach wie vor ein hohes Kostenbewusstsein, denn am Ende fehlt in allen Bereichen ein bisschen was. AH: Wie steht es um die Lieferfähigkeit? R. Still: Größtenteils ist die Produktion wieder angelaufen. Faktisch wissen wir aber nicht, wann was kommt. Es ist unklar, ob die Lieferketten bei allen Fahrzeugen für alle Ausstattungsdetails funktionieren. Da ist auch die Kommunikation aller Hersteller, mit denen wir zusammenarbeiten, insgesamt dünn. Gut gemeint, aber ... AH: Wie bewerten Sie die Mehrwertsteuersenkung? R. Still: Die drei Prozent werden für den Autohandel nicht den Rieseneffekt bringen - auch wenn es für einen Barkaufkunden viel Geld sein kann. Ob man deswegen aber eher ein Auto kauft, wage ich zu bezweifeln. Es ist insgesamt eine gut gemeinte, aber falsche Idee. AH: Was sagen Sie zum Verzicht auf eine Verbrenner-Prämie? R. Still: Gegen solch eine Prämie hätten wir nichts gehabt. Alles, was die Autos billiger macht, macht sie leichter kaufbar. Ein Kaufanreiz für Verbrenner hätte mit Sicherheit noch mal einen zusätzlichen Anschub für eine wichtige Industrie gegeben. Unser Erfolg hängt aber nicht davon ab, ob es diese Prämie gibt oder nicht. AH: Ist die höhere Prämie für E-Autos sinnvoll? R. Still: Das befürworte ich, die Prämie dürfte ruhig noch höher ausfallen. Die E-Technik ist nach wie vor extrem teuer. Sie bringt für den Endverbraucher nicht den Mehrwert in Relation zum Mehrpreis. Wenn es das Ziel ist, die Elektrifizierung zu fördern, dann muss man sie auch für den Normalverdiener bezahlbar machen. Nur wenige Kunden sind wirklich bereit, nur wegen der Umwelt beträchtliche Mehrkosten in Kauf zu nehmen. AH: Wird das Geschäft 2021 wieder anziehen? A. K. Still: Wenn es auf dem aktuellen Niveau bleibt, können wir uns nicht beschweren. Ein Spitzenniveau werden wir vor 2022 aber nicht erreichen. Digitale Verkaufsprozesse AH: Wie steht es um die Digitalisierung im Verkauf? R. Still: Wir arbeiten an einem digitalen Verkaufsprozess. Ich glaube zwar nicht, dass übermäßig viel Geschäft darüber laufen wird, aber so etwas muss man heutzutage anbieten können. Mit Opel hatten wir schon einmal gemeinsam einen Prozess entwickelt - Stichwort Cayu. Darauf bauen wir auf. Ich schätze, dass der komplette Prozess Ende des Jahres fertig sein wird, mit Barzahlung, Leasing und Finanzierung für Gebrauchtwagen. Im zweiten Schritt kommen die Neuwagen im Lagerbestand hinzu. Im dritten Schritt folgt die Neuwagenbestellung mit Konfiguration. Wir werden mit Opel beginnen und den Prozess danach auf die weiteren Marken ausrollen. AH: Ist auch eine übergreifende Plattform aller Autohäuser der AVAG denkbar? Emil Frey hat mit dem "Online Autohaus" diesen Weg eingeschlagen. R. Still: Den großen Mehrwert der Marke AVAG sehen wir nicht, denn der Kunde geht zu seinem lokalen Händler. Ich denke auch nicht, dass es Sinn macht, Fahrzeuge zwischen unseren Autohäusern, die ja eigenständige Gesellschaften sind, hin und her zu transportieren. Das ist in der Praxis mit zu vielen Stolpersteinen verbunden. Am Ende geht es vor allem darum, dem Kunden einen perfekten Prozess zu bieten, auch digital. Wichtig ist, keine Leads zu verlieren und diese auch sauber zu bearbeiten. Bei den Leads, die über die Hersteller kommen, haben wir mittlerweile bis zu 20 Prozent Conversion Rate auf den Kauf. In unserer Gruppe liegt die Range bisher zwischen vier und 22 Prozent. Unser Ziel ist, bei allen 20 Prozent zu erreichen. AH: Sie bieten seit Anfang des Jahres ein Auto-Abo an - wie ist das angelaufen? R. Still: Für uns ist das Auto-Abo primär eine Unterstützung für die Gewerbeabteilung der Autohäuser. Unser Ziel ist es nicht, als deutschlandweiter Auto-Abo-Anbieter für Privatkunden zu agieren. Wir haben inzwischen den ersten Flottenkunden, der auf ein Auto-Abo umstellt. Der Verkäufer verkauft das Auto-Abo bei uns aktiv und erhält dafür auch eine Provision. Weitere Marketingkanäle sind die Homepage des Händlers und die Website sorglos-günstig-fahren.com. Unser Vorteil ist, dass wir die Fahrzeuge auch als Kundenersatzfahrzeug nutzen und damit Erträge generieren können. Generell macht für uns nur ein Neuwagen im Auto-Abo Sinn. Bei einem Gebrauchten stellt sich angesichts des Wertverlusts hingegen die Frage, wie sich überhaupt eine attraktive Rate darstellen lässt. Situation in Österreich AH: Wie laufen die Mercedes-Betriebe in Österreich, die Sie 2018 erworben haben? A. C. Still: Natürlich war es kein Selbstläufer. Wir sind auf einem guten Weg, aber noch nicht am Ziel angekommen. Die Betriebe waren ganz anders organisiert und wir haben beispielsweise eine komplett neue IT eingeführt. Auch hatten wir wenig Kompetenz hinsichtlich der Marke. Wir wollten aber generell im Premiumsegment Fuß fassen und da fiel die Wahl schnell auf Mercedes, auch weil dieser Partner für seine Fairness bekannt ist. AH: Was sagen Sie zum Direktvertrieb, den Mercedes-Benz ab dem nächsten Jahr in Österreich einführen will? A. C. Still: Es ist ein Pilotprojekt auf dem europäischen Festland. Diese Vertriebsform gibt es bisher nur in Schweden und Südafrika. Österreich ist der erste Versuch in Euro-Währung. Nächstes Jahr im Mai soll es losgehen. Es gibt natürlich noch Anpassungsbedarf. Wir müssen sehr viel reden miteinander, aber es herrscht eine anständige Gesprächskultur, die sehr lösungsorientiert ist. AH: Vielen Dank für das Gespräch!

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