Autobanken: Das unkomplizierte Nutzen liegt im Trend

AH: Die Digitalisierung treibt die Autobanken auch 2019 mächtig an. Wie weit sind die Institute bei der Verknüpfung von On- und Offline-Welten schon? P. Renkel: Die Herstellerbanken haben hier in den letzten zwölf Monaten erneut große Schritte in die richtige Richtung gemacht und ihren "digitalen Reifegrad" weiter verbessert. Dies reicht von der Qualität des Online-Auftritts und den angebotenen Kontaktmöglichkeiten für Kunden über die Erweiterung der genutzten Kanäle bis hin zur Integration neuer Online-Tools. Die Beratungsgesellschaft Capgemini hat zuletzt im Herbst 2018 die digitale Performance der Captives analysiert und bewertet. Im Durchschnitt, also wenn wir das breite Feld der BDA-Mitgliedsinstitute in Summe betrachten, liegen die Herstellerbanken bei rund 50 von 100 möglichen Bewertungspunkten für ihren digitalen Reifegrad - im Frühling waren es noch 43 Punkte. Soll heißen: Alle Häuser sind aktiv und arbeiten an entsprechenden Projekten, gleichwohl ist aber weiterhin noch ordentlich Luft nach oben. Allen Marktteilnehmern ist klar: Man kann nicht von heute auf morgen einen "digitalen Schalter" umlegen, sondern Digitalisierung ist ein langfristiger, schrittweiser Prozess. AH: Gibt es Benchmarks bei Ihren Mitgliedern? P. Renkel: Bei den verschiedenen BDA-Mitgliedsbanken zeigt sich natürlich eine gewisse Bandbreite bei der Frage, wie weit man in der Digitalisierung der Kundenschnittstelle ist: Manche Player verfügen schon über einen vollständig digitalen End-to-End-Online-Vertragsprozess, andere Häuser bieten den Online-Antrag mit Vorab-Kreditzusage und organisieren den weiteren Prozess postalisch. Wiederum andere ermöglichen die Online-Kalkulation und leiten dann an den Handelspartner weiter. Ohne hier einzelne Marken herauszustellen, kann man sicherlich sagen, dass die großen Institute, für die Deutschland der Heimatmarkt ist, auch beim Thema Digitalisierung den Anspruch haben, hier voranzuschreiten und "First Mover" zu sein. AH: Kommen wir zur Online-Kundenschnittstelle: Welche Trends lassen sich hier erkennen? P. Renkel: Insgesamt werden Kunden heute immer selbstständiger und erwarten auch rund um ihr Fahrzeug und die dazugehörigen Finanzdienstleistungen digitale Self-Service-Optionen. In der Folge gewinnen etwa Kundenportale zunehmend an Bedeutung, in denen man unter anderem Zugriff auf alle wesentlichen Informationen hat, aber auch Tools wie Live-Chats nutzen kann. Dies ist sicherlich ein Trend und Handlungsfeld, in dem auch in nächster Zukunft noch einiges passieren wird. Darüber hinaus ist meine Wahrnehmung, dass eine immer bessere Integration der Finanzdienstleistung in die Web-Präsenz des Herstellers stattfindet, zum Beispiel dadurch, dass Leasing und Finanzierung auch direkt im OEM-Chat inhaltlich mit abgedeckt werden. AH: Digitale Antragsstrecke, Telematikbasierte Services oder digitaler Floorcheck - wann werden diese Produkte bei den Herstellerbanken State of the Art sein? P. Renkel: Wie gesagt, beim Thema digitale Antragsstrecke ist schon viel passiert im letzten Jahr, aber es gibt ein gemischtes Feld: Ungefähr die Hälfte der Captives verfügt mittlerweile über eine Online-Antragsstrecke. Mit Blick auf das Thema Telematik scheint es so, als sei nach dem ersten Hype, auch in den Medien, schon wieder etwas Ernüchterung eingekehrt. Einzelne Institute haben entsprechende Produkte im Versicherungsbereich pilotiert, aber hier gibt es sicher noch viel zu testen und zu lernen, bevor solche Angebote in der Breite vorhanden sind und auch tatsächlich die gewünschten Effekte bringen, wie etwa eine signifikante Unfallreduzierung oder auch Kostenersparnisse beim Kunden. AH: Und der digitale Floorcheck? P. Renkel: Die effiziente Gestaltung der Fahrzeug-Bestandsüberprüfung, also Floorcheck, ist natürlich für alle Häuser interessant, und auch für den Handel. An digitalen, teils App-basierten Lösungen arbeiten die Herstellerbanken individuell mit ihren Prozessdienstleistern beziehungsweise haben diese schon eingeführt. Hierzu haben wir verbandsseitig aber kein aktuelles Branchenbild. AH: Derzeit wird viel über digitale Auto-Abos diskutiert. Laufen diese neuen Angebote Leasing & Co. künftig den Rang ab? P. Renkel: Digitale Auto-Abos und entsprechende Subsciption-Modelle haben medial schon eine sehr große, im tatsächlichen Markt aber noch eher eine überschaubare Bedeutung, die wir aktuell noch auf unter ein Prozent Marktanteil beziffern. Der "Hype" muss sich erst noch beweisen, und es ist davon auszugehen, dass auch nicht alle neuen Player in diesem Segment langfristig bestehen werden. Das Gefühl von maximaler Flexibilität durch Wechsel- und vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten ist natürlich attraktiv, gerade in den aktuell unsicheren Zeiten und inmitten der Dieseldiskussion. Diese Freiheit ist in der Realisierung allerdings noch sehr kostenaufwändig und hat daher auch für den Kunden ihren Preis. Bei einer vernünftigen Kostenentwicklung sehen wir durchaus Potenzial für derartige Modelle, und für die Captives sind sie in Kooperation mit den Handelspartnern unkompliziert darstellbar. Aber wir sehen hier eher keine Verdrängung, sondern vielmehr eine Ergänzung des Produktportfolios. AH: Gibt es weitere Ansätze, die durchaus reizvoll sein könnten? P. Renkel: Neue Abo-Ideen, anhaltende Zuwächse im Privatleasing und vieles mehr - gemeinsamer Nenner all dieser Entwicklungen ist der Trend zum unkomplizierten Nutzen statt Besitzen des Fahrzeugs. Und eng damit verbunden: Der Wunsch nach einer Rate, in der alles gebündelt ist, was mit meinem Auto beziehungsweise mit meiner persönlichen Mobilität zu tun hat. Hier sehen wir noch großes Potenzial für die Integration neuer Dienstleistungen. Nur als Beispiel: Warum sollten Kunden zukünftig nicht eine monatliche Mobilitätsrate erhalten, in der über Leasing- oder Finanzierung hinaus auch alle autonahen Versicherungen, Inspektionen und Services, alle Parkgebühren, Carsharing-Einsätze und Taxifahrten berücksichtigt sind? Vielleicht sogar Flug- und Bahn-Tickets? Jeder Hersteller muss natürlich strategisch entscheiden, wie weit man beim Dienstleistungsspektrum gehen möchte. Aber in diesem Thema ist viel Musik für die Zukunft drin! AH: Was ist mit Robotics, Künstlicher Intelligenz oder Blockchain-Technologie? P. Renkel: Entsprechende Technologien betreffen ja heute fast alle Wirtschaftsbereiche, und im Falle der Autobanken sind sie primär im Back-Office angesiedelt. Im Bereich Robotics, also in der Automatisierung von wiederkehrenden manuellen Aufgaben, passiert da schon viel in der Datenverarbeitung. 40 Prozent der Institute nutzen Robotics oder befinden sich in Pilotprojekten. Auch KI kommt in einigen Prozessen schon zum Tragen, beispielsweise wenn Kunden oder Händler die ZLB anfordern, bei Adressänderungswünschen oder auch beim Nachfordern von fehlenden Antragsunterlagen. Blockchain ist ebenfalls eine wichtige Zukunftstechnologie, an der sogar alle BDA-Institute im Schulterschluss dran sind: Aktuell läuft ein Pilotprojekt zum blockchainbasierten Eigentumsnachweis und der digitalen Sicherungsübereignung des Fahrzeugs. Ein höchst spannendes Projekt, auch für andere Marktteilnehmer. AH: Klingt innovativ und spannend. Doch wie vollziehen Ihre Institute den Schwenk zur Digital Company? P. Renkel: Zunächst einmal hat natürlich keine Herstellerbank den Anspruch, zur rein digitalen Company zu werden. Ihre Aufgabe ist es, den Fahrzeugabsatz für ihre Marken bestmöglich zu fördern, insofern müssen alle bestehenden und neuen Kunden sowie natürlich die Handelspartner bedient werden, und nicht nur die Digital Natives. Gleichwohl bedeutet die Öffnung für neue und digitale Kanäle, die Einführung von agilen Arbeitsweisen und Managementmethoden auch einen mitunter herausfordernden Kulturwandel für die bestehenden Marktteilnehmer. Wie hiermit im Einzelnen umgegangen wird, ist völlig unterschiedlich und reicht von der Einrichtung von Labs und Think Tanks im eigenen Hause bis zur Schaffung neuer, ausgelagerter Digital-Units. AH: In puncto Ökosysteme hatten Sie vor einem Jahr eine klare Rollenzuweisung für die Autobanken gefordert. Wie weit sind wir mittlerweile bei diesem Thema? P. Renkel: Beim Stichwort "Ökosysteme" geht es ja grundsätzlich um die Frage, wo ich neue Dienste und zusätzliche Geschäftsbereiche ansiedeln möchte, ob direkt beim Hersteller, bei der Bank usw. Das Beispiel VW FS zeigt, wie der Finanzdienstleister die Verantwortung für zukünftige Mobilitätsdienstleistungen übernehmen kann. Bei vielen anderen Mitgliedsinstituten ist diese Zuordnung noch nicht so klar getroffen. Und solange die entsprechenden Themenkomplexe - Digitalisierung und Mobility - so sehr in Bewegung sind, kann es ja auch eine ganz bewusste Entscheidung sein, diese strategische Diskussion konzernintern nicht zu führen und eine Zuordnung noch nicht in Stein zu meißeln. So bleibt erst einmal alles "im Fluss". AH: Der Start der GW-Börse Heycar hat für viel Aufsehen gesorgt. Wie wird dieses Angebot, das VW FS initiiert hat, im BDA-Kreis diskutiert? P. Renkel: Eine eigene Initiative der Automobilwirtschaft in diesem Bereich ist zweifelsohne wichtig und überfällig, dies macht die bisherige Resonanz von Handels-, Industrie- und auch Kundenseite deutlich. Das Produkt von Heycar ist bei den einzelnen Mitgliedern vorgestellt und wird diskutiert, allerdings gibt es hier keinerlei Verbandsinitiative oder gemeinsames Vorgehen, nicht zuletzt aus wettbewerbsrechtlichen Gründen. Insofern sind auch wir auf die weitere Entwicklung gespannt! AH: Abschließend ein Blick auf die Branche: Die digitale Transformation bringt mehr Chancen oder mehr Risiken? P. Renkel: Natürlich beinhaltet auch dieser Veränderungsprozess Chancen und Risiken gleichermaßen, das ist ganz klar. Das größte Risiko besteht wohl darin, mit Blick auf die insgesamt guten Geschäftszahlen der Branche nicht zu erkennen, dass genau jetzt die Zeit zur Weiterentwicklung gekommen ist, sonst ist die Überholspur von heute schon morgen ein Abstellgleis. Wer aber offen für neue Wege und Veränderungen ist, für den wird dieser Prozess zusätzliche Chancen eröffnen. Die Herstellerbanken im BDA blicken auf jeden Fall voller Tatendrang und daher auch mit Optimismus in die Zukunft - online und offline! AH: Herr Dr. Renkel, vielen Dank für die interessanten Einblicke! Interview: Patrick Neumann.

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