Best Practice: Ein Elektroauto pro Tag

Um fünf Uhr morgens geht es bei Jürgen Sangl jeden Tag los. Ab da sitzt der Geschäftsführer der Auto Sangl GmbH vor seinem Rechner in einem kleinen Büro neben dem Showroom seines Autohauses im bayerischen Landsberg am Lech - und beantwortet E-Mails von Kunden. Der Grund ist in der Regel immer der gleiche: Die Kunden wollen einen rein elektrischen Hyundai Ioniq kaufen und erkundigen sich deshalb über Verfügbarkeit, Liefertermine und Finanzierungsfragen. 360 Verträge hat Sangl seit dem Verkaufsstart im November 2016 bis Anfang November 2017 bereits abgeschlossen. Ein Großteil davon kam über das Internet zustande. Bis Jahresende sollen es noch mindestens 380 Verträge werden. Das entspricht Sangl zufolge rund einem Drittel der in Deutschland verkauften elektrischen Ioniq sowie mehr als einem Prozent der weltweiten Produktion. "Im Moment rennen uns die Kunden die Türen ein. Sie wissen gar nicht, wie einfach es für uns ist, E-Autos zu verkaufen", sagt Sangl und deutet auf drei Modelle in seinem Verkaufsraum, die in den kommenden Tagen abgeholt werden. 60 Prozent Umsatz mit E-Autos Im Schnitt verkauft er ein Elektroauto pro Tag. Das macht sich nicht nur in seinem Hof, auf dem ein knappes Dutzend Ioniq steht, sondern auch bei den Unternehmenszahlen deutlich bemerkbar: Der Betrieb mit seinen insgesamt 20 Mitarbeitern erwirtschaftet im Neuwagenbereich rund 60 Prozent des Umsatzes und 50 Prozent des Gewinns mit Stromern. "E-Autos sind schon aus Umweltschutzgründen die Zukunft und werden sich genauso durchsetzen, wie in den 80er-Jahren der Katalysator", sagt Sangl. Davon ist er überzeugt, seit er sich im Jahr 2011 privat einen Mitsubishi i-MiEV kaufte. Der habe bleibenden Eindruck hinterlassen, sei aber in puncto Preis und Reichweite noch nicht massentauglich gewesen. Das sah er erst beim Ioniq gegeben. Bereits nach der ersten Ankündigung, lange vor der erstmaligen Präsentation Anfang 2016, bestellte er deshalb die ersten drei Fahrzeuge. Facebook, Onlineforum und Youtube Um Kunden zu finden, setzte Sangl von Beginn an auf die Digitalisierung: Im August 2016 startete er eine Facebook-Seite, auf der er täglich Infos und Videos rund um das Thema Elektromobilität sowie Fotos von Fahrzeugübergaben postet. Mittlerweile hat er auf der Seite fast 1.800 Likes gesammelt und erreicht bis zu 16.000 Facebook-Nutzer pro Beitrag. "Wir haben mittlerweile regelrechte Fans, die alles liken, was wir posten", sagt Sangl und schüttelt dabei ungläubig den Kopf. Außer auf Facebook engagiert sich Sangl unter dem Nutzernamen "Ioniq" auch im Online-Forum "GoingElectric", wo er Fachfragen von Usern beantwortet, etwa zu Ausstattung, Stromverbrauch oder Ladetechnik des Ioniq. Als dritten Baustein in der digitalen Vermarktungsstrategie gibt es zudem eine Video-Bedienungsanleitung auf Youtube. Darin erklärt Sangl in fünf Clips alle Funktionen des Ioniq, vom Aufladen an öffentlichen Schnellladesäulen bis hin zur Kindersicherung. Bis zu 24.000 Menschen haben sich die einzelnen Folgen angesehen. Werbesprache und Marketingaktionen gibt es bei den Online-Engagements bewusst nicht. "Wir wollen den Menschen mit unseren Angeboten einen Nutzwert bieten. Dadurch haben wir uns in der Szene als seriöser Ansprechpartner etabliert", erklärt Sangl. Menschen, die mit dem Gedanken spielen, sich ein Elektroauto zu kaufen, und Informationen suchen, stolpern daher beim Surfen oder durch Mund-zu-Mund-Propaganda verhältnismäßig oft über das Autohaus Sangl - mit entsprechenden Folgen: "Viele Kunden sagen uns, sie hätten sich letztlich wegen der Youtube-Videos oder aufgrund der Empfehlungen von Nutzern auf GoingElectric für uns entschieden", berichtet Sangl. Diesen Eindruck belegt auch eine Zahl: 60 Prozent der Käufer stammen nicht aus Bayern, sondern aus anderen Bundesländern oder Österreich und damit weit außerhalb des eigentlichen Einzugsgebietes. Nicht für jeden Kunden geeignet Die endgültige Entscheidung für ein Elektroauto fällt aber nicht immer online. "Viele Kunden informieren sich zuerst im Netz und kommen dann für Detailfragen und Probefahrten vor Ort ins Autohaus. Der Verkäufer muss daher die Technik genauestens kennen", sagt Sangl. Andernfalls sei der Kunde sehr schnell wieder weg. Das Verkaufsteam im Autohaus analysiert zudem mit jedem Interessenten, ob das Auto wirklich zum ihm passt. Wolle ein Kunde beispielsweise jeden Tag 180 Kilometer pendeln und könne den Akku am Arbeitsplatz nicht aufladen, hätte er im Winter Probleme mit der Reichweite. Weise er den Kunden auf solche speziellen Probleme nicht hin, schade er langfristig der eigenen Reputation, ist sich der Geschäftsführer sicher. Kollegen, die ebenfalls verstärkt auf Elektroautos setzen wollen, rät Sangl, sich im ersten Schritt die Technik der Fahrzeuge in allen Facetten anzueignen und im Anschluss darauf aufbauend digitale Angebote zu schaffen. Das sei enorm wichtig, da sich die Käufer von E-Autos vor allem online informieren. Gleiche Marge wie Benziner Zudem müssten die Verkäufer in den Autohäusern gut geschult und auch persönlich zu 100 Prozent von der Technik überzeugt sein. "E-Autos dürfen nicht als Stiefkind nebenher laufen", warnt Sangl. Es sei daher auch unvermeidlich, vor Ort in moderne Schnellladeinfrastruktur zu investieren. Das sei wichtig, um Kunden die Technik vorzuführen, und signalisiere, dass der Händler an die Technik glaubt. Die hohen Kosten ließen sich langfristig über die Menge gut amortisieren. "Ich habe bei E-Autos dieselbe Marge wie bei klassischen Verbrennern und kann preislich mit Online-Angeboten mithalten", sagt Sangl. Wegen dieser soliden Ertragslage erwartet er, dass die Konkurrenz stark zunehmen wird und Kunden nicht mehr aus ganz Deutschland in sein Autohaus kommen. Für 2020 rechnet Sangl insgesamt nur noch mit rund 350 verkauften Autos und einem E-Auto-Anteil von etwa 50 Prozent. Doch das ist Zukunftsmusik. Vorerst stehen die Zeichen noch voll auf Wachstum: Für die 2018 erscheinende Elektro-Variante des Hyundai Kona hat Sangl schon jetzt 76 Reservierungen - mit je einer Anzahlung von 990 Euro.

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