EAIVT-Tagung: Freier Handel ohne Kopfschmerzen

So gut besucht wie noch nie war die diesjährige Tagung des europäischen Verbandes der unabhängigen Fahrzeughändler (EAIVT) vom 15. bis 17. Juni in Berlin. 290 Teilnehmer von 130 Firmen aus 25 Ländern waren zum Treffen in die Bundeshauptstadt gekommen, um Kontakte zu pflegen oder neue zu knüpfen. Denn Kontakte sind das A und O in diesem Geschäft, in dem auch viele Scharlatane unterwegs sind und Steuerfallen bei Übergrenzgeschäften teuer werden können. Deswegen gibt es den EAIVT. Mitglied kann nämlich nur werden, wer mindestens zwei Bürgen hat. Das heißt: Jeder dort organisierten Firma bescheinigen andere Verbandsmitglieder ordentliches Geschäftsgebaren. Auch für Gäste gibt es ein eigenes Kontrollsystem. Bevor jemand aufgenommen wird, wird seine finanzielle Situation gecheckt. Eine innere Gruppe von großen Händlern wird gefragt, ob sie die Leute kennen und ob es irgendwelche Einwände gibt. Das führt zu einer gewissen Selektion. "Ein Drittel aller Anfragen müssen wir ablehnen", sagt Präsident Marco Belfanti. Sicherheit durch Selektion Seiner Meinung nach ist das auch der Grund dafür, dass das Interesse an dem Verband immer größer wird: "Jeder weiß, mit einem Mitglied des EAIVT kann ich Geschäfte machen, weil er dieses Prozedere durchlaufen hat." Rund 250.000 bis 300.000 Fahrzeuge werden pro Jahr von den hier organisierten Firmen gehandelt. Für Deutschland bezifferte er den Parallelmarkt auf zehn Prozent. Quellen und Geschäftsmöglichkeiten Während früher viele Lkws mit Fahrzeugen von und nach Italien rollten, ist der freie Markt heute wesentlich zersplitterter und unterliegt ständigen Veränderungen: Keine der im EAIVT organisierten Firmen wisse, was sie in drei Monaten handeln würde, weiß Belfanti. Es käme eben immer darauf an, was man gerade kaufen und verkaufen könne. "Die Hersteller mögen uns oder nicht, je nachdem, ob sie Autos zu verkaufen haben oder nicht." Es gebe ständig neue Herausforderungen. Immer wieder müssen neue Quellen und neue Geschäftsmöglichkeiten gesucht werden. Als Drehscheibe für den freien Markt sieht er Belgien und die Niederlande: "Dort sitzen die richtig kapitalstarken Firmen." Die kaufen sehr viel in Osteuropa - Rumänien, Bulgarien, Polen -, viel in Spanien, einen kleinen Teil in Italien. Aber auch Leasingrückläufer aus Dänemark sind im Angebot. Kleinere freie Händler kaufen eher bei den Großhändlern ein: Dort bekommt man auch kleinere Mengen, braucht nicht so viel Kapital und auch das Risiko ist geringer. Spezialitäten aus USA Auch ein Thema auf der Tagung: Spezialmärkte, wie zum Beispiel der Import von US-Fahrzeugen. In Berlin stellte ein Enkel des legendären Sportwagen-Veredlers Caroll Shelby eine neue "Super Snake" Variante vor. Die Sportversion des Ford Mustang bringt bis zu 750 PS auf die Straße. Die vom neuen Importeur GU Auto Trade eigens nach Berlin verbrachten Fahrzeuge sorgten auf der Straße vor dem Tagungshotel für Furore. Einige freie Händler berichteten von Geschäften nach Iran, weil dort ein großer Nachholbedarf besteht. Ein Schweizer Händler bat um Angebote. Und auch ein Vertreter von LeasePlan sprach von Ambitionen, der größte Gebrauchtwagenhändler der Welt zu werden. In den nächsten sechs Monaten wolle er 1.000 Autos in größeren Tranchen von EAIVT-Mitgliedern kaufen. Dafür sei eigens ein Portal installiert worden. Registrierte Händler können auf die dort veröffentlichten Gesuche bieten. Diesel und Digitalisierung Abgesehen von der Beschaffung haben die freien Händler aber ganz ähnliche Probleme wie Fabrikatshändler: Auch ihnen macht die Dieselthematik zu schaffen. Und die in der Zukunft voraussichtlich veränderte Mobilität bringt auch sie ins Grübeln. Aktuell ist das zwar noch nicht das große Problem, so Belfanti, aber: "Das kommt auf uns zu." Was die Digitalisierung angeht, sei sich der freie Handel wohl bewusst, dass es Veränderungen geben wird, er lasse diese aber auf sich zukommen, meint der EA-IVT-Präsident: "Das sind alles gute Unternehmer. Die sind nicht ferngesteuert. Sie gehen ihre Probleme anders an. Jeder arbeitet mit seinem Geld und bekommt die Quittung dafür, was er macht." Die Zukunft des freien Handels sei aber mit der des Vertragshandels verknüpft: "Es kommt darauf an, wie die Fahrzeugvermarktung in zehn Jahren aussieht." Wenn die Hersteller zukünftig direkt über Internet verkaufen, brauchen sie keinen Vertragshandel und auch keinen freien Handel mehr, so die Befürchtung. Kurzfassung Zuverlässige Einkaufsquellen und interessante Absatzmöglichkeiten sind auf der jährlichen EAIVT-Tagung zu finden. In vielen Bereichen haben die freien Händler aber die gleichen Probleme wie der Fabrikatshandel. Hyundai verweigert Garantie Ein wichtiges Thema für die freien Händler in diesem Jahr war Hyundai. Seit Jahren oder sogar Jahrzehnten verkauft die Marke viele Fahrzeuge im freien Markt. Die nicht vertragsgebundenen Händler sahen sich sozusagen als zweite Vertriebsschiene für die Koreaner. Kenner der Szene sprachen von einem Umfang der Parallelgeschäfte von 50 Prozent. Seit dem 1. März 2017 beschränkt der Hersteller seine im europäischen Wirtschaftsraum und in der Schweiz angebotene 5-Jahres-Garantie ohne Kilometerbegrenzung aber auf solche Fahrzeuge, die ursprünglich von einem autorisierten Vertragshändler an einen Endkunden verkauft wurden. Ausdrücklich nicht mehr gewährt werde die Garantie bei "Neufahrzeugen, die ein freier, nicht-autorisierter Händler an einen Endkunden verkauft, selbst wenn er dieses zuvor über einen autorisierten Vertragshändler bezogen hat", teilte der Hersteller seinen Vertragshändlern mit. Hyundai stoppt aber nicht die Lieferung an freie Händler, sondern gewährt nur die Garantie nicht mehr.Die Verbände der freien Händler sind sich derzeit nicht sicher, wie sie mit dem Thema umgehen sollen, denn selbstverständlich wollen sie die Interessen ihrer Mitglieder vertreten. Andererseits dürfte es Neufahrzeuge, die ein freier, nicht-autorisierter Händler an einen Endkunden verkauft, in einem geschlossenen Vertriebssystem gar nicht geben. Einige Diskutanten vertraten denn auch die Meinung, man müsse sich einfach an die Gesetze halten, dann gäbe es auch keine Probleme: Die Vermittlung mit Endkundennachweis ist völlig legal und solche Fahrzeuge haben auch eine Garantie. Andere wollen zukünftig lieber die Finger von Hyundai-Fahrzeugen lassen. Und wieder andere gehen davon aus, dass Hyundai in dieser Frage schon wieder einlenken wird, wenn der Druck unverkaufter Fahrzeuge nur wieder groß genug wird. dp

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