Haftpflichtversicherung bei der Unfallregulierung: Fristenlösung

Gemäß Veröffentlichung des statistischen Bundesamtes aus dem November 2017 wurden im Jahr 2016 knapp 2,6 Millionen Verkehrsunfälle polizeilich aufgenommen. Auch für das Jahr 2017 und bis heute ist abzusehen, dass sich an der Unfallstatistik wenig ändern wird. Berücksichtigt man zusätzlich diejenigen Verkehrsunfälle, zu denen die Polizei nicht hinzugerufen wird, gelangt man zu noch deutlich höheren Unfallzahlen. Für die Unfallregulierung ergeben sich für die Kfz-Haftpflichtversicherungen Aufwendungen in Höhe von vielfachen Milliarden Euro. Bevor die Versicherungen die Erstattung von Reparaturaufwendungen vornehmen, möchten sie naturgemäß eine ausreichende Prüfungs- und Regulierungsfrist für die Frage in Anspruch nehmen, ob eine Einstandspflicht überhaupt besteht. Auf der anderen Seite möchte ein Geschädigter nachvollziehbarerweise die Bezahlung der erforderlichen Reparaturkosten möglichst umgehend zur Verfügung haben, um kurzfristig einen Reparaturauftrag erteilen oder sich ein Ersatzfahrzeug anschaffen zu können. Eine gewisse Geduld ist aufseiten des Geschädigten allerdings angezeigt, wie die obergerichtliche Rechtsprechung darlegt - zuletzt das OLG Saarbrücken mit Beschluss vom 10.11.2017 (Az. 4 W16/17). Fallgestaltung Die Fallgestaltung, die zu Problemen führt, ist in etwa immer die gleiche: Am Unfallort werden die Daten der Unfallbeteiligten ausgetauscht. Der Schädiger meldet sich bei seiner Haftpflichtversicherung, die sich mit dem Geschädigten in Verbindung setzt und ihm einen Unfallfragebogen überlässt. Der Geschädigte bringt sein Fahrzeug in das Autohaus seiner Wahl und lässt es dort (oder auch schon vorher) von einem Sachverständigen begutachten. Danach erteilt der Geschädigte den Auftrag zur Reparatur, ohne dass etwa eine unbedingte Reparatur-kostenübernahmebestätigung der Haftpflichtversicherung vorliegt. Etwa zeitgleich setzt sich der Geschädigte mit seinem Rechtsanwalt in Verbindung, der die Korrespondenz mit der gegnerischen Haftpflichtversicherung zwecks Schadensregulierung aufnimmt. Noch bevor eine abschließende Reaktion der Haftpflichtversicherung vorliegt, ist die Reparatur abgeschlossen, die Rechnung wird vom Autohaus ausgestellt und dem Geschädigten präsentiert. Dieser verlangt die Fahrzeugherausgabe ohne Bezahlung und argumentiert nun, dass die Versicherung zwar noch nicht bezahlt habe, das Geld ja aber sicher sei (weil er am Unfall nicht "schuld" sei), er das Fahrzeug unbedingt beruflich benötige, dass eine Urlaubsfahrt anstehe etc. Die anwaltliche Praxis zeigt bedauerlicherweise, dass noch immer allzu häufig Fahrzeuge in der Hoffnung an den Kunden herausgegeben werden, die Versicherung werde schon bezahlen und der Kunde das Geld unverzüglich weiterreichen. Es ist insgesamt zu empfehlen, bei der Entgegennahme eines Reparaturauftrags den Kunden auf die Prüffristen der Versicherungen hinzuweisen und dass ein Fahrzeug ohne Bezahlung nicht herausgegeben werden kann - besondere Vereinbarungen für besondere Kunden selbstverständlich außen vor. Prüffrist Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung (so z.B. OLG Köln vom 31.01.2012 - Az. 24 W69/11) ist der Haftpflichtversicherung des Unfallschädigers eine angemessene Prüfungs- und Ermittlungsfrist zuzubilligen. Dies - so die Rechtsprechung - liegt im Interesse der Gesamtheit der pflichtversicherten Kfz-Halter, die über ihre Prämienleistungen die Unfallschäden im Ergebnis zu tragen haben. Insoweit hat das Interesse des Geschädigten an einer möglichst schnellen Schadensregulierung zurückzutreten. Im Übrigen kann eine spätere Schadensregulierung unter dem Gesichtspunkt einer Verzinsung berücksichtigt werden. Die Frist für die Prüfung der Schadensersatzansprüche des Geschädigten beginnt mit dem Erhalt eines "spezifizierten Anspruchsschreibens". Dieses Anschreiben hat alle Angaben zu enthalten, die die Versicherung in die Lage versetzt, Art und Umfang eines Schadens sowie die Unfallverantwortlichkeiten zu beurteilen. Die angemessene Dauer der Prüffrist wird von den Gerichten sehr unterschiedlich beurteilt. Für den Durchschnittsfall wird die Angemessenheit im Bereich von lediglich 2 bis durchaus 6 Wochen gesehen. Längere Fristen sind bei spezieller Fallgestaltung denkbar. Die Frist bei Beteiligung eines Mietwagenfahrzeugs aufseiten der Versicherung beträgt nach Auffassung des OLG Köln (a. A. O.) beispielsweise mindestens 5 Wochen (OLG Köln a. a. O.). Das OLG München wiederum (Beschluss v. 29.07.2010 - Az. 10 W1789/10) sieht die Prüffrist für den Regelfall bei max. 4 Wochen. Für das OLG München sind angesichts des technischen Fortschritts in der Schadensbearbeitung allerdings auch deutlich kürzere Fristen zu überlegen. Wie lange die Prüffristen sind, hängt also von dem Gericht ab, vor welchem gegebenenfalls ein Prozess geführt werden müsste. Fälligkeit Beginn und Ende der vorstehenden Prüffrist hat eine erhebliche rechtliche Auswirkung. Bevor die Prüffrist nicht abgelaufen ist, liegt nämlich ein fälliger Zahlungsanspruch gegen die gegnerische Haftpflichtversicherung nicht vor. Nach § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen des Versicherers (erst) "fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen". Es müssen dem Versicherer - siehe oben stehend das spezifizierte Anspruchsschreiben - also die Informationen und Unterlagen zu den Unfallverantwortlichkeiten sowie zu Art und Umfang des Schadens vorliegen. Hierbei kann natürlich der Versicherer die Prüffrist nicht willkürlich ausdehnen und damit die Fälligkeit nach hinten schieben. Der Versicherer kann sich beispielsweise nicht darauf berufen, der eigene Versicherungsnehmer würde keine Unfallschilderung abgeben oder die polizeiliche Ermittlungsakte sei noch nicht zur Verfügung gestellt worden. Bei der Unfallabwicklung ist ein stringentes Fristenmanagement zu beachten. Kurzfassung 1. Nach der Rechtsprechung ist der Haftpflichtversicherung des Unfallschädigers eine angemessene Prüf- und Ermittlungsfrist zuzubilligen. Die angemessene Dauer dieser Frist wird von den Gerichten unterschiedlich beurteilt, überschreitet in der Regel jedoch nicht einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen.2. Die Prüffrist wird in Lauf gesetzt durch die Übersendung eines "spezifizierten Anspruchsschreibens". Dieses Schreiben hat alle Angaben zu enthalten, die die Versicherung in die Lage versetzt, Art und Umfang des Schadens sowie die Unfallverantwortlichkeiten zu beurteilen.3. Nach § 14 Abs. 1 VVG sind Geldleistungen des Versicherers erst fällig mit der Beendigung der zur Feststellung des Versicherungsfalles und des Umfanges der Leistung des Versicherers notwendigen Erhebungen. Die erforderlichen Informationen und Unterlagen für die Schadensregulierung müssen dem Versicherer also vorliegen und die Prüffrist abgelaufen sein. Kommentar Die im vorliegenden Beitrag besprochene Prüffrist ist jeweils "an den Umständen des Einzelfalls" zu bemessen. Es gibt keine starren Fristen. Bei komplizierten Unfallgestaltungen, bei Unfällen mit ausländischer Beteiligung, bei Unfällen mit Armeefahrzeugen oder bei einer Unfallregulierung über den Jahreswechsel hinweg mit mehrfachen dazwischenliegenden Feiertagen ist die Prüffrist länger zu sehen als bei einem einfachen Durchschnittsfall. Die Frist kann sich beispielsweise auch dann verlängern, wenn die Versicherung nachvollziehbarerweise bestimmte Unterlagen vom Geschädigten anfordert und sich die Bearbeitung allein deswegen verzögert. Solange die Prüffrist nicht abgelaufen ist, ist auch noch keine Veranlassung zur Erhebung einer Klage gemäß den Vorschriften der Zivilprozessordnung gegeben. Wird dennoch Klage eingereicht, so bleibt der Kläger nur allzu leicht auf den Prozesskosten sitzen.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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