Audi Deutschland: Herausfordernde Zeiten

Nach 2016, dem erfolgreichsten Jahr von Audi in Deutschland, steht die Marke derzeit im Fokus der Debatte rund um den Abgasskandal. Mit welchen Maßnahmen die Ingolstädter aus diesem Tief wieder in die Zukunft durchstarten wollen, darüber sprachen wir im Vorfeld der IAA mit Martin Sander, Leiter Audi Vertrieb Deutschland. AH: Herr Sander, bei der großen Audi-Veranstaltung im Juli in Barcelona wurde der neue A8 in den Mittelpunkt gestellt, der Ende November auf den Markt kommt. Wurden in Zeiten von Dieselskandal und Forderungen nach mehr Elektromobilität die richtigen Botschaften verkündet? M. Sander: Wir stehen am Anfang der größten Modell- und Technologieoffensive in der Geschichte von Audi. Startpunkt ist der neue A8 als unser Oberklasse-Flaggschiff. Er ist das erste Automobil, das für hochautomatisiertes Fahren auf dem sogenannten Level 3 entwickelt wurde. Mit dem 48-Volt-Bordnetz bietet der neue A8 serienmäßig über alle Aggregate einen elektrifizierten Antriebsstrang. Und auch im Interieur schlägt das neue Bedienkonzept mit haptischer Response ein neues Kapitel auf. Die Resonanz auf den neuen A8 in der Berichterstattung und im Markt ist hervorragend - sowohl international als auch hier bei uns in Deutschland. Modell- und Technologieoffensive AH: Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dem neuen Auto in Deutschland? M. Sander: Mit dem neuen A8 wollen wir unsere Position in der Oberklasse weiter ausbauen. Zusammen mit weiteren neuen Top-Modellen wird er noch einmal deutlich auf das Prestige unserer Marke einzahlen. Die neue Designsprache, das Interieur und die neuen Technologien werden unsere Kunden überzeugen. AH: Wie geht es dann mit den neuen Modellen weiter? M. Sander: In der Oberklasse kommt als Nächstes der neue A7, dann folgt die neue Generation des A6 - zunächst als Limousine, später als Avant. Den Q8 präsentieren wir ebenfalls im kommenden Jahr, genauso wie den Q3, den A1 und den Audi e-tron als unser erstes vollelektrisches Großserienmodell. Wir zünden also innerhalb der nächsten 18 Monate ein beeindruckendes Produktfeuerwerk. Das ist eine Riesenchance für uns! AH: Was steht dann auf der IAA? M. Sander: Natürlich wird für uns der neue A8 im Fokus der diesjährigen IAA stehen. Darüber hinaus präsentieren wir ein Concept Car, das in Sachen Konnektivität, pilotiertes Fahren und Design einen Ausblick auf die Mobilität der Zukunft gibt. Zum Thema Audi AI zeigen wir Lösungen und Funktionen, die das Auto immer mehr zum intelligenten, empathischen und interaktiven Partner machen. AH: Wie beurteilen Sie die Marktentwicklung in 2017? M. Sander: Wir hatten in Deutschland 2016 mit großem Abstand das erfolgreichste Jahr unserer Geschichte. Aktuell liegen wir bei den Auslieferungen auf Vorjahresniveau. Trotz des laufenden Modellwechsels bei unserem Volumenmodell Q5 übertreffen die Auftragseingänge den Wert aus 2016. Was mich besonders freut, ist der Auftragsbestand beim Handel, der bei Einzel- und Großkunden ein Viertel über dem Vorjahr liegt. Und das, obwohl wir natürlich Auswirkungen der Dieselkrise im Markt spüren. Was der Handel hier leistet, ist absolut beeindruckend und sensationell. Unsere Händler, die Verkäufer, die Serviceberater und mein Team im Vertrieb Deutschland machen einen hervorragenden Job. Wir haben eine enorm starke Handelsorganisation, das zeigt sich besonders in herausfordernden Zeiten wie diesen. Fragen zur Dieselthematik AH: Nun hat ja auch Audi bei den Abwrackprämien das Füllhorn geöffnet. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit dieser Maßnahme? Es gibt ja bis zu 11.000 Euro, wenn man alles zusammenrechnet. M. Sander: Wir bieten mit der Umweltprämie für Kunden mit älteren Fahrzeugen einen starken Anreiz, auf einen Audi mit neuester Effizienztechnologie umzusteigen. Damit leisten wir wie auf dem Nationalen Forum Diesel vereinbart einen wichtigen Beitrag, Stickoxid-Emissionen rasch zu senken. Einen starken Fokus legen wir dabei auf unsere besonders emissionsarmen g-tron- und e-tron-Modelle. Das hohe Interesse von Kunden und Handel seit Start der Aktion zeigt uns, dass wir hier ein sehr attraktives Paket geschnürt haben. AH: Welche Euro-Norm-Diesel (1, 2, 3 oder 4) tauschen die Kunden zur Verschrottung hauptsächlich ein? M. Sander: In den ersten Tagen haben die meisten Kunden Fahrzeuge mit EU3 und EU4 eingetauscht. Dies entspricht ja auch den Fahrzeugbeständen im Markt. Es sind aber auch EU1 und EU2 Fahrzeuge in nennenswerter Größenordnung dabei. AH: Warum bietet Audi keine Hardware-Nachrüstlösung für ältere Diesel an? M. Sander: Der VDA hat für seine Mitglieder erklärt, dass es aus unserer Sicht darum gehen muss, die NOx-Emissionen in den Städten rasch zu senken. Dafür ist das Software-Update die richtige Maßnahme, sie wirkt vergleichsweise schnell. Hardware-Nachrüstungen würden eine deutlich langwierigere Umsetzung bedeuten. AH: Wie weit sind Sie mit den während des Dieselgipfels zugesagten Updates für die bestehende 6- und 8-Zylinder-Flotte? M. Sander: Wir sind in intensivem Dialog mit den zuständigen Zulassungsbehörden, die finale Freigabe muss durch das KBA erfolgen. Dann informieren wir unsere Kunden über die Aktion, anschließend können sie direkt mit den Werkstätten Termine vereinbaren. Der Handel ist darauf entsprechend vorbereitet. AH: Die 3-Liter-Diesel mit unzulässiger Abgasreinigung wurde noch nicht in die Werkstatt gerufen. Wann ist damit zu rechnen? M. Sander: Wie gesagt, dafür ist die finale Freigabe durch das KBA ausschlaggebend. AH: Gibt es einen Trend weg vom Diesel auch bei Audi-Kunden? M. Sander: Wir haben ein zweigeteiltes Bild. Bei den größeren Fahrzeugen vor allem für gewerbliche Kunden - also zum Beispiel A4 und A6 - ist die Nachfrage nach dem Diesel stabil. Das liegt sicher auch am höheren Leasing-Anteil in diesem Segment. Bei den kleineren Modellen und vor allem bei Privatkunden sehen wir schon eine gewisse Verunsicherung durch die aktuelle Diskussion und damit einen Trend zu Benzinmotoren. Zum Teil liegt das aber auch an unserem attraktiven Angebot an 1.4-TSI bzw. 1.5 TFSI Motoren; dieser Trend hat in dem Segment auch schon vor einiger Zeit eingesetzt. Längere Lieferzeiten bei Benzinern AH: Gibt es Lieferengpässe? M. Sander: Davon würde ich nicht sprechen. Wir haben bei bestimmten Modellen längere Lieferzeiten beim Benziner. Das ist aber nicht dramatisch und zeigt auch die hohe Nachfrage nach den Audi-Modellen, die in vielen Fällen unsere positiven Erwartungen noch einmal übertrifft. Etwa im Fall der A3 Limousine. AH: Wie läuft der Q5 aus Mexiko? M. Sander: Der neue Q5 kommt sehr gut bei den Kunden an und zeigt uns, dass das Modell auch in seiner zweiten Generation ein Volltreffer ist. Wir führen jetzt den 3.0-Liter-TDI ein. Diesen wichtigen Motor konnten wir unseren Kunden bisher noch nicht anbieten. AH: Wird es wieder einen neuen R8 geben? M. Sander: Wir haben vor gar nicht so langer Zeit den neuen R8 gestartet, da sprechen wir heute noch nicht über den Nachfolger. Wir bei Audi sind aber der festen Überzeugung, dass unsere Marke auch in Zukunft in diesem Segment vertreten sein muss. Restwertentwicklungen AH: Wie haben sich die Restwerte und Bestände an Diesel im Handel entwickelt? Die GW-Erträge sind gefährdet. M. Sander: Die Restwerte für unsere Fahrzeuge sind im Wettbewerbsvergleich weiter stabil. Das bestätigen uns unabhängige Restwert-Institute. Wir beobachten die Gebrauchtwagen-Bestände sehr genau und stehen dazu in engem Austausch mit unseren Partnern. Im Interesse aller Beteiligten müssen wir die Verunsicherung beim Kunden ausräumen. Dazu muss sich in erster Linie die Diskussion um den Diesel versachlichen. Denn die Produktsubstanz, um die es geht, ist weiterhin hoch attraktiv. AH: Werden Sie den Handel unterstützen? M. Sander: Mit unserer erfolgreichen Restwertabsicherung decken wir den großen Teil eines möglichen Restwertrisikos ab. Auch unsere gezielten Maßnahmen im Gebrauchtwagenmarkt funktionieren regelmäßig gut. Je nachdem, wie sich die Lage entwickelt, können wir hier reagieren. Neues Geschäftsmodell AH: Wie entwickelt sich das neue Geschäftsmodell für den Vertrieb? M. Sander: Wir führen dazu intensive und konstruktive Gespräche mit unserem Partnerverband. Gemeinsam arbeiten wir die Themenliste jetzt sukzessive ab. AH: Wann starten Sie mit dem Online-Vertrieb? M. Sander: Unsere E-Commerce-Lösung auf Basis der Audi Gebrauchtwagen-Börse startet im Herbst. Das ist eine Plattform, die wir mit und für den Handel entwickelt haben. Die Audi-Partner können darüber in Zukunft ihre Gebrauchtwagen verkaufen. Damit starten wir im ersten Schritt und wollen gemeinsam Erfahrungen sammeln. Danach sehen wir weiter. AH: Wird das Agenturgeschäft auch auf das Einzelgeschäft ausgeweitet? M. Sander: Bitte haben Sie Verständnis, dass wir solche Fragen erst mit unserem Partnerverband besprechen möchten, bevor wir uns dazu öffentlich äußern. AH: Herr Sander, herzlichen Dank für das Gespräch! Interview: Ralph M. Meunzel

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