Winterreifenpflicht: Im Zeichen der Schneeflocke

Mit der 52. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18.05.2017 wurden die technischen Anforderungen an Winterreifen in der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO), der Straßenverkehrsordnung (StVO) und der Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV) geändert. Nach der 52. Verordnung gelten nur noch solche Reifen als Winterreifen, die mit dem sogenannten "Alpine-Symbol" - einem dreigezackten Bergpiktogramm mit innenliegender stilisierter Schneeflocke - gekennzeichnet sind. Das Bundesverkehrsministerium bezeichnet das Alpine-Symbol in einer Pressemitteilung als das "Qualitätssiegel für Winterreifen". Die Winterreifen im Sinne der 52. Änderungsverordnung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften sind ab 01.01.2018 zu verwenden. Es gilt allerdings eine Übergangsfrist für Altreifen: M+S-Reifen, die bis zum 31.12.2017 hergestellt wurden, dürfen bis 30.09.2024 unter Beachtung der altgesetzlichen Vorschriften weiterhin als Winterreifen angesehen und verwendet werden. Langer Anlauf Bereits im Jahr 2010 hatte der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, die Winterreifenpflicht auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen und zu präzisieren. Hintergrund war insbesondere der Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg vom 09.07.2010 (Az. 2 SsRs 220/09). Das OLG Oldenburg hatte über folgenden Fall zu entscheiden: Ein Fahrzeugführer hatte auf seinem Pkw neue Sommerreifen aufgezogen und fuhr Ende November innerorts über eine Eisfläche. Der Pkw kam ins Schleudern und schlitterte in das Schaufenster eines Geschäfts. Das zuständige Amtsgericht verurteilte den Fahrzeugführer und legte erstinstanzlich im OWi-Verfahren dar, es sei deshalb zu einem Unfall gekommen, weil der Fahrzeugführer keine entsprechend den (damals geltenden) gesetzlichen Vorschriften für das Wetter angemessene Bereifung aufgezogen habe. Die einschlägigen Vorschriften in der StVO sprachen lediglich davon, dass ein Fahrzeug mit einer "an die Wetterverhältnisse angepassten, geeigneten Bereifung" ausgestattet sein musste. Das OLG Oldenburg beurteilte die damaligen StVO-Vorschriften wegen Verstoßes gegen das Bestimmtheitsgebot als verfassungswidrig und sprach den Fahrzeugführer frei. Nach einer ersten "Nachbesserung" der gesetzlichen Winterreifenpflicht als Reaktion auf das Urteil des OLG Oldenburg dauerte es dann weitere sieben Jahre, bis das Gesetz in der vorliegenden konkretisierten Fassung verabschiedet wurde. Situative Winterreifenpflicht Der Text des § 2 Abs. 3 Buchst. a S. 1 StVO lautet in der Neufassung nunmehr: "Der Führer eines Kraftfahrzeuges darf dies bei Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eisglätte oder Reifglätte nur fahren, wenn alle Räder mit Reifen ausgerüstet sind, die unbeschadet der allgemeinen Anforderungen an die Bereifung den Anforderungen des § 36 Absatz 4 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung genügen." In § 36 Abs. 4 StVZO heißt es: "Reifen für winterliche Wetterverhältnisse sind Luftreifen im Sinne des Absatzes 2, 1. durch deren Laufflächenprofil, Laufflächenmischung oder Bauart vor allem die Fahreigenschaften bei Schnee gegenüber normalen Reifen hinsichtlich ihrer Eigenschaft beim Anfahren, bei der Stabilisierung der Fahrzeugbewegung und beim Abbremsen des Fahrzeugs verbessert werden, und 2. die mit dem Alpine-Symbol (Bergpiktogramm mit Schneeflocke) nach der Regelung Nr. 117 der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNE-CE) - Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Reifen hinsichtlich der Rollgeräuschemissionen und der Haftung auf nassen Oberflächen und/oder des Rollwiderstandes - gekennzeichnet sind." Es wird durch das Gesetz also eine "situative Winterreifenpflicht" normiert - die Pflicht zur Verwendung von Winterreifen lediglich bei Eintreten bestimmter Wetter-Situationen unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrslage. Der Gesetzgeber hat sich bewusst dagegen entschieden, die Verwendung von Winterreifen datumsmäßig oder bezogen auf Temperaturgrenzen vorzuschreiben, sondern überlässt jedem Halter und Fahrer die eigene Verantwortung zur Risikoeinschätzung anhand der Wetter- und Straßenverhältnisse. Die gesetzlichen Vorschriften beinhalten des Weiteren eine materielle Anforderung (... verbesserte Eigenschaften bei Schnee ...) und eine formelle Anforderung (Kennzeichnung mit dem Alpine-Symbol). Die verbesserten Reifeneigenschaften bei Schnee müssen die Hersteller künftig beim Kraftfahrt-Bundesamt durch Tests nachweisen, dies hinsichtlich Traktions-, Brems- und Beschleunigungsverhalten. Nur bei erfolgreichem Bestehen der Tests darf das Alpine-Piktogramme als Qualitätsmerkmal auf dem Reifen angebracht und der Reifen als Winterreifen bezeichnet werden. Übergangsfrist Durch die 52. Änderungsverordnung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften kann naturgemäß nicht gegen den Grundsatz des Bestandsschutzes verstoßen werden. Durch diesen Grundsatz wird verhindert, dass neue oder geänderte Gesetze die Rechte der betroffenen Personen unzulässig einschränken oder gar beseitigen. Der Bestandsschutz ist ein fundamentales Prinzip der staatlichen Rechtssicherheit. Der Bestandsschutz gilt für jeden Bereich und somit auch für Reifenhersteller und Pkw-Nutzer. Es wäre nicht nachvollziehbar, dass bereits hergestellte neuwertige Reifen nicht mehr verkauft werden oder Fahrzeugnutzer kaum gebrauchte Reifen nicht mehr verwenden dürften, sondern vielmehr entsorgen müssten. Schließlich haben "alte" Winterreifen auch bis zum Inkrafttreten der neuen Verordnung ihren Dienst als Winterreifen versehen. Es war demgemäß vom Gesetzgeber eine Übergangsfrist für die Herstellung und Verwendung der Winterreifen mit einem letzten Stichtag für die Reifenherstellung - in der Verordnung festgesetzt auf den 31.12.2017 - vorzusehen. Maßgeblich ist das am Reifen angebrachte Herstellungsdatum. Die Übergangsfrist von sieben Jahren für die Reifenverwendung bis zum Jahr 2024 scheint hierbei angemessen, berücksichtigt man die Verschleiß- und Alterungseigenschaften von Reifen. Der Bundesverband der Reifenhersteller und Vulkanisierer-Handwerk e. V. empfiehlt beim Kauf von Neureifen darauf zu achten, dass das Produktionsdatum nicht länger als fünf Jahre zurückliegt. Voraussetzung ist naturgemäß eine sachgemäße Lagerung der Reifen in einem kühlen, dunklen, trockenen, ozon- und ölfreien Raum. Der ADAC empfiehlt anhand gesammelter Erfahrungen (Heft 9/2004), Reifen spätestens nach acht bis zehn Jahren zu ersetzen. Im Hinblick auf die Übergangsfrist bis 2024 sollte die neue gesetzliche Regelung für die Autohäuser kein Hindernis sein, einen gegebenenfalls noch vorhandenen Reifenbestand absetzen zu können. Autohauskunden sind im Einzelfall entsprechend aufzuklären. Kurzfassung 1. Nach der 52. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 18.05.2017 gelten nur noch solche Reifen als Winterreifen, die mit dem so genannten Alpine-Symbol - einem dreigezackten Bergpiktogramm mit innenliegender stilisierter Schneeflocke - gekennzeichnet sind. Die Winterreifen im Sinne der 52. Änderungsverordnung sind ab 01.01.2018 zu verwenden.2. Für M + S Reifen, die bis zum 31.12.2017 hergestellt werden, ist allerdings gesetzlich eine Übergangsfrist bis 30.09.2024 festgelegt. Bis 2024 gelten die bis Ende 2017 produzierten Reifen weiterhin als Winterreifen und dürfen unter Beachtung der altgesetzlichen Vorschriften als solche verwendet werden.3. Durch das Gesetz wird eine "situative Winterreifenpflicht" normiert, also die Pflicht zur Verwendung von Winterreifen lediglich bei Eintreten bestimmter Wetter-Situationen unter Berücksichtigung der konkreten Verkehrssituation. Die konkrete Risikoeinschätzung bleibt jedem Fahrzeugführer in eigener Verantwortung vorbehalten. Kommentar Die Winterreifenpflicht gilt grundsätzlich für alle Kraftfahrzeuge. Das Gesetz normiert ab sofort sogar die Verantwortlichkeit des Fahrzeughalters, wenn dieser zulässt oder anordnet, dass sein Fahrzeug bei Schnee oder Glatteis ohne Winterreifen benutzt wird. Gesetzlich ausgenommen von der Winterreifenpflicht sind Nutzfahrzeuge der Landund Forstwirtschaft, einspurige Kraftfahrzeuge (wie Motorräder, Motorroller und Mofas), Stapler, motorisierte Krankenfahrstühle und Einsatz- und Spezialfahrzeuge, für die bauartbedingt keine einschlägigen Reifen verfügbar sind. Sofern ein solches Fahrzeug während einer gesetzlich definierten winterlichen Witterungslage ohne Winterbereifung geführt werden darf, hat ein Fahrzeugführer über seine allgemeinen Verpflichtungen hinaus vor jeder Fahrt zum einen zu prüfen, ob es überhaupt erforderlich ist, die Fahrt durchzuführen, da das Ziel mit anderen Verkehrsmitteln nicht erreichbar ist. Zum anderen hat der Fahrzeugführer dann während der Fahrt einen Abstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug von mindestens dem halben Tachowert einzuhalten und darf nicht schneller als 50 km/h fahren, wenn nach der Verkehrslage nicht sogar eine geringere Geschwindigkeit geboten ist.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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