Rückrufaktion: Informationspflicht der Fachwerkstatt

E s liegt in der Natur der Sache, dass jede Rückrufaktion wegen fehlerhafter Produkte zu einem erheblichen Imageschaden beim Hersteller und Händler führt. Produkte werden meist dann zurückgerufen, wenn nach der nachträglichen Beurteilung des Herstellers Mängel oder Fehlfunktionen des ausgelieferten Produkts zu einem erhöhten Risiko für den Kunden führen. Dass auch für eine an der Rückrufaktion nicht beteiligte Fachwerkstätte ein Haftungsrisiko besteht, zeigt die nachfolgende Entscheidung des OLG Hamm vom 08.02.2017, abgedruckt in DAR 10/2017. Sachverhalt Die Klägerin hatte im Jahr 2010 ein US-Importfahrzeug erworben, für das es in Deutschland kein autorisiertes Händlernetz oder Niederlassungen gab. Die Beklagte betreibt eine Kfz-Werkstatt und wirbt für sich als autorisierte Fachwerkstatt und Service für diese US-Automarke. Die Klägerin ließ dort Reparatur- und Wartungsarbeiten, insbesondere eine kleine Inspektion am 31.10.2013 vornehmen. Acht Monate zuvor im Februar 2013 fand eine Rückrufaktion des Fahrzeugherstellers unter der Bezeichnung "Safety Recall N08" statt, die auch die Baureihe des klägerischen Fahrzeugs betraf. Diese beruhte auf einem Mangel in Gestalt einer nicht ausreichend gesicherten Mutter im Getrieberad der Hinterachse. Weder die Klägerin noch die Beklagte wurde vom Hersteller hierüber unterrichtet. Im April 2014 erlitt das klägerische Fahrzeug aufgrund einer Blockade der Hinterachse während der Fahrt erhebliche Beschädigungen. Wäre entsprechend dem Rückruf die Mutter gesichert worden, so wäre der Schaden nicht entstanden. Nachdem die Klägerin durch eigene Nachforschungen Kenntnis von der Rückrufaktion erlangt hatte, nahm sie die Beklagte auf Schadenersatzansprüche in Höhe der Reparaturkosten von rd. 6.000 Euro zzgl. eines merkantilen Minderwerts von rd. 2.000 Euro mit der Begründung in Anspruch, diese habe ihre werkvertraglichen Aufklärungspflichten verletzt. Insbesondere hätte der Beklagten als Vertragswerkstatt zwingend bekannt sein, jedenfalls hätte sich die Beklagte diese Kenntnisse verschaffen müssen. Die Beklagte hat dies in Abrede gestellt und darauf verwiesen, dass sie lediglich eine kleine Wartung durchgeführt habe. Da es sich bei dem Fahrzeug um ein nicht in Deutschland vertriebenes und nicht durch offizielle Importeure verbrachtes Fahrzeug handelte, träfe die Beklagte keine Überprüfungspflichten hinsichtlich etwaiger Rückrufaktionen. Vielmehr müsse der Hersteller für produktbedingte Mängel nach dem Produkthaftungsgesetz bzw. amerikanischem Recht haften. Erste Instanz Das Landgericht hat der Klage nach Anhörung eines Sachverständigen im Wesentlichen stattgegeben. Der Klägerin stehe ein Schadenersatzanspruch aus §§ 631, 280 Abs. 1, 249 ff. BGB zu. Nachdem sich die Beklagte selbst als Vertragswerkstatt bezeichnet habe, bestand für sie die werkvertragliche Verpflichtung, auf eigene Veranlassung zu überprüfen, ob Fehlerbeseitigungen aufgrund einer Rückrufaktion erforderlich gewesen seien. Diese Verpflichtung habe selbst dann bestanden, wenn das mit einem Herstellerfehler behaftete Fahrzeug nicht von der Beklagten ausgeliefert worden sei. Insbesondere hätte die Beklagte durch Eingabe der Fahrzeugdaten in den Zentralcomputer des Herstellers bzw. entsprechender zur Verfügung stehender Systeme ermitteln müssen, ob der Konstruktionsfehler bereits durch eine andere Werkstatt behoben ist, oder den Halter schlicht danach zu befragen. Sofern die Beklagte angibt, keinen Zugriff auf das Computerprogramm des Herstellers zu haben, wäre es ihr ohne große Umstände möglich gewesen, eine entsprechende Abfrage über die Internetpräsenz des Herstellers zu veranlassen. Die Verpflichtung zu einem solchen Abruf bestehe insbesondere, weil die Beklagte nach außen als besonders qualifizierte Fachwerkstatt für diese Marke aufgetreten sei. Dies könne aus der Sicht eines objektiven Empfängers nur so verstanden werden, als dass die Beklagte über eine besondere Fachkunde und Expertise verfüge. Aufgrund dieses Auftretens habe eine gesteigerte Informations- und Nachforschungspflicht bestanden. Demgegenüber könne der Klägerin nicht angelastet werden, dass sie wegen der Importeigenschaft keine Informationen zum Fahrzeugrückruf erhalten habe. Auch wenn diese die Möglichkeit gehabt habe, sich selbst zu informieren, sei es ihr nicht zuzumuten, ohne jede Veranlassung regelmäßige Recherchen anzustellen. Dem gegenüber habe der Rückruf der Beklagten vor der streitgegenständlichen Wartung am 31.10.2013 bekannt sein können und müssen. Zweite Instanz Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten mit dem Argument, das Erstgericht habe die Anforderungen an eine kleine Inspektion überspannt und den Rückrufadressaten verkannt. Dieser richte sich an den Fahrzeughalter mit der Aufforderung, den mangelhaften Pkw in eine Vertragswerkstatt zu verbringen. Bereits dies sei nicht geschehen. Zudem habe sich die Klägerin bewusst für den Erwerb eines sog. Grauimports entschieden und damit das Risiko in Kauf genommen, dass das Gefahrenmanagement über des Geräte- und Produktsicherungsgesetz nicht abgesichert wird. Das Oberlandesgericht Hamm ist dem allerdings nicht gefolgt und hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Auch wenn der streitgegenständliche Wartungsvertrag auf eine "kleine Inspektion" beschränkt war, so hätte die Beklagte eine umfassende Prüfung der Verkehrssicherheit des Fahrzeugs durchführen müssen. Dies beinhaltet auch die Überprüfung zumutbarer zur Verfügung stehender Informationsquellen wie etwa die Internetseite des Herstellers mit dort hinterlegten Rückrufaktionen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei dem Fahrzeug um einen sog. "Grauimport" handelt, weil die Beklagte als autorisierte Service-Vertragswerkstatt dieser Marke aufgetreten ist. Damit war aus Sicht eines objektiven Empfängers bzw. der Klägerin nicht zu erkennen, dass grauimportierte Fahrzeuge einer weniger effektiven Fehlerkontrolle unterlagen als regulär vertriebene oder eingeführte Fahrzeuge. Vielmehr hätte es der Beklagten gerade mit Blick auf ein grauimportiertes Fahrzeug oblegen, sich über andere ihr zugängliche Quellen zu informieren. Kurzfassung 1. Der Umfang der Informationspflicht über Rückrufaktionen wird nach der bisherigen Rechtsprechung durch den erteilten Werkvertrag bestimmt.2. Etwas anderes soll nach der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des OLG Hamm dann gelten, wenn der Reparaturbetrieb als "autorisierte Fachwerkstatt" auftritt.3. Dieser beim Kunden erweckte Vertrauenstatbestand kann eine gesteigerte Informationspflicht über etwaige Rückrufaktionen des Fahrzeugs begründen. Kommentar Die nebenstehend besprochene Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, weil das Berufungsgericht die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen hat. Ausschlaggebend hierfür war die grundsätzliche, höchst richterlich noch nicht geklärte Frage zum Umfang der Informationspflicht einer Fachwerkstatt über eine Rückrufaktion des Herstellers. Der BGH hat bisher lediglich über die Verpflichtung einer Vertragswerkstatt entschieden, ein ihr zur Wartung übergebenes Fahrzeug darauf zu überprüfen, ob die Beseitigung eines Fehlers bereits erfolgt ist, der bekannt war oder bekannt hätte sein müssen. In dieser bereits mehr als 10 Jahre zurückliegenden Entscheidung hat der BGH klargestellt, dass sich eine solche Überprüfungspflicht nach dem zugrundeliegenden Werkvertrag beurteilt. Von daher darf man mit Blick auf die hier beauftragte kleine Inspektion gespannt sein, ob das Berufungsurteil in der Revision halten wird.Rechtsanwalt Walter Sattler

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