Euro-6-Diesel: Keine Rücknahme der Typengenehmigungen

Die deutsche Umwelthilfe ist im Dezember 2017 mit ihrem Versuch gescheitert, das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zur Rücknahme erteilter Typengenehmigungen für Euro-6- Diesel-Fahrzeuge und zur Rücknahme der Freigabe von Nachrüstaktionen für EA 189-Motoren zu verpflichten. Mit insgesamt fünf im Wesentlichen gleich gelagerten Klagen vor dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht wollte die DUH erreichen, dass das KBA für Opel und VW erteilte Genehmigungen für Fahrzeugtypen wegen unzureichender Abgasreinigung zurücknehmen muss und die Fahrzeuge ihre Zulassung verlieren. Das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht hat die Klagen abgewiesen, Rechtsmittel jedoch zugelassen (Az. 3 A 26/17; 3 A 30/17; 3 A 38/17; 3 A 142/17 und 3 A 59/17). Klagevortrag Geltend gemacht wurde, dass zur Erlangung der Typgenehmigung die zur Reduzierung des Stickstoffausstoßes in den Motoren der Fahrzeuge verbaute Technologie der Abgasrückführung und des SCR-Katalysators angegeben wurde, nicht aber deren steuerungsbedingt fehlende oder eingeschränkte Funktion in bestimmten Temperatur-, Geschwindigkeits- oder Motordrehzahlbereichen außerhalb der Rahmenbedingungen der Messung im NEFZ-Verfahren. Die Fahrzeuge seien bewusst auf die Bedingungen des Rollenprüfstandes programmiert, im normalen Alltagsbetrieb tatsächlich aber ganz überwiegend ohne die unter Prüfbedingungen aktive Reduzierung des Schadstoffausstoßes unterwegs. Konkret vorgetragen wurde eine reduzierte Funktion der Abgasrückführung im Temperaturbereich zwischen -11 °C und +17 °C sowie eine völlige Abschaltung bei Motordrehzahlen jenseits der 3.300 U/min und/oder bei Temperaturen unter -11 °C bzw. über +33 °C. Ferner eine eingeschränkte Funktion des SCR-Katalysators im Temperaturbereich unter +17 °C bzw. über +33 °C und/oder einer Geschwindigkeit über 145 km/h sowie die völlige Abschaltung in extremen Geschwindigkeits- und Temperaturbereichen. Wegen tatsächlicher Nichteinhaltung der von der Schadstoffklasse Euro 6 vorgegebenen Emissionsgrenzwerte seien die Abschaltvorrichtungen unzulässig. Vorgerichtlicher Verlauf Die DUH hatte zunächst vorgerichtlich vom KBA die Rücknahme der erteilten Typgenehmigungen verlangt. Dies unter Berufung auf eine von ihr beauftragte Studie der Fachhochschule Bern, bei der für die Motoren der maßgeblichen Fahrzeuge im realen Fahrbetrieb abweichend vom NEFZ eine Überschreitung der nach Euro 6 zugelassenen Stickstoffoxid-Grenzwerte festgestellt wurde. Steuerungen zur eingeschränkten Funktion der Abgasreinigung seien jedenfalls dann unter den Begriff der unzulässigen Abschalteinrichtungen zu subsumieren, wenn sie zu einer Überschreitung der zulässigen Abgaswerte führen. Das KBA hatte auch vorgerichtlich die Rücknahme der Typgenehmigungen abgelehnt. Einerseits wegen fehlender Antragsbefugnis der DUH, andererseits wegen Fehlens der materiell-rechtlichen Voraussetzungen einer Rücknahme, nachdem ein notwendiges Verfahren zur Feststellung der Nichtübereinstimmung der monierten Fahrzeuge mit dem genehmigten Fahrzeugtyp nicht durchgeführt worden war. Das Widerspruchsverfahren war erfolglos. Klageabweisung Inhaltlich hat sich das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht gar nicht mit der behaupteten Rechtswidrigkeit der Typgenehmigungen beschäftigt. Die Abweisung der Klagen erfolgte bereits aus formellen Gründen wegen fehlender Klagebefugnis der DUH. Das Gericht billigte dem Verein im Zusammenhang mit der begehrten Rücknahme der Typengenehmigungen weder die zur Klageerhebung erforderliche Betroffenheit in eigenen Rechten noch ein Klagerecht als Verein zur Förderung des Umweltschutzes nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz oder nach anderem EU-Recht zu. Einer Ausweitung der umweltrechtlichen Verbandsklage wurde damit eine klare Absage erteilt. Die maßgebliche Vorschrift in § 42 VwGO für die Zulässigkeit einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage lautet: "Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein." Ein Klagerecht für Vereinigungen zur Förderung des Umweltschutzes nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sieht das Verwaltungsgericht zu Recht beschränkt auf Vorhaben im Bereich des Eingriffs in Natur und Landschaft durch ortsfeste Anlagen oder Maßnahmen. Eine erweiterte Anwendung auf Typgenehmigungen für Kraftfahrzeuge wird als dem Gesetzeszweck widersprechend ebenso abgelehnt wie die hilfsweise Konstruktion einer analogen Anwendung des Umwelt-Rechtsberatungsgesetzes auf den Bereich von Produktzulassungen. Die Verletzung eigener Rechte wurde vom Kläger zutreffend nicht reklamiert. Ein ihm in anderem Zusammenhang der Klagen gegen verschiedene Städte eingeräumtes Klagerecht nach § 47 BImSchG auf Einhaltung von Grenzwerten der Luftverschmutzung kann nach den vorliegenden Urteilen bezüglich der Typgenehmigungen nicht zum Tragen kommen. Es handelt sich um ein so genanntes "prokuratorisches Klagerecht" zum Schutz der Rechte Einzelner, deren Durchsetzung zum Anliegen anerkannter Umweltverbände gemacht werden kann. Voraussetzung ist jedoch, dass auch dem Einzelnen tatsächlich ein Recht zur klageweisen Durchsetzung des entsprechenden Anliegens zusteht, wie dies im Fall der Luftverschmutzung durch Immissionsgrenzwertüberschreitungen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Personenkreis angenommen wird, der örtlich unmittelbar von den Auswirkungen betroffen ist. Eine solche Betroffenheit konkreter Personen kann bezogen auf die angegriffenen Typgenehmigungen jedoch nicht festgestellt werden. Auch wenn der Schadstoffausstoß von Kraftfahrzeugen erhebliche Auswirkungen auf die Allgemeinheit besitzt, lässt sich ein von der Allgemeinheit abgrenzbarer Kreis qualifiziert beeinträchtigter Personen nicht feststellen. Damit gibt es auch keine klagebefugten Personen und die DUH kann sich allenfalls als Sachwalter der Allgemeinheit verstehen, ohne sich auf die Vertretung der Interessen konkret betroffener Personen berufen zu können. Damit handelt es sich jedoch um unzulässige Popularklagen. Kurzfassung 1. Der Versuch der DUH, das KBA zur Rücknahme erteilter Typgenehmigungen für Euro-6-Fahrzeuge wegen unzureichender Abgasreinigung zu verpflichten, ist in erster Instanz gescheitert.2. Die Abweisung entsprechender Klagen erfolgte ohne Sachentscheidung bereits wegen fehlender Klagebefugnis.3. Abgelehnt wurde insbesondere eine Ausweitung der Klagebefugnis als Vereinigung zur Förderung des Umweltschutzes nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz auf Produktzulassungen. Kommentar Die Absage an eine Ausweitung der gesetzlich beschränkten Klagebefugnis von Umweltverbänden auf Kfz-Typgenehmigungen ist aus Gründen der Rechtsklarheit zu begrüßen. Das eigentliche Grundproblem der Auseinandersetzung wird wohl ohnehin durch die Abschaffung des völlig realitätsfremden NEFZ akzeptabel gelöst. Zumindest ist eine Annäherung der Messbedingungen an den realen Fahrbetrieb mit erfolgter Einführung des neuen Messstandards WLTP bzw. mit dem auf der Straße gemessenen RDE zu erwarten. Vorgehalten wird auch anderen Herstellern, die Messergebnisse für die Emissionswerte ihrer Fahrzeuge in der Vergangenheit durch Maßnahmen optimiert zu haben, die im gewöhnlichen Betrieb des Fahrzeuges nicht oder nur eingeschränkt zum Tragen kommen. Ob und in welchem Umfang es sich hier um erlaubte notwendige Maßnahmen zum Bauteilschutz handelt, ist oft umstritten. Mit den neuen Messverfahren bleibt zu hoffen, dass die Hersteller tatsächlich ihre technischen Möglichkeiten voll ausschöpfen, um die Emissionswerte ihrer Fahrzeuge auch unter normalen Betriebsbedingungen in den Griff zu bekommen.Rechtsanwalt Robert Glocker

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