Aftersales-Marketing: Keine Werbung für Karteileichen

Fast 15 Milliarden Briefe landen Jahr für Jahr in deutschen Briefkästen. Neben einer ganzen Menge Rechnungen sowie ein paar vereinzelten Botschaften von Briefromantikern ist darunter auch ein enormer Berg an Werbesendungen, den Möbelhäuser, Elektronikmärkte oder Autohäuser direkt an ihre Kunden adressieren. Trotz dieser "Personalisierung" landet ein Großteil davon dennoch wirkungslos im Papierkorb. Häufig, weil die Schreiben für die potenziellen Kunden schlicht nicht relevant sind. Schließlich kauft niemand, der sich eben eine neue Küche geleistet hat, gleich eine zweite, nur weil sie gerade im Prospekt so günstig ist. Ähnliches gilt für Waschmaschinen, Fernseher oder eben Winterreifen und Dachboxen. Dass Autohäuser trotzdem auch an die Kunden ihren Reifenprospekt schicken, die erst im Vorjahr einen neuen Satz gekauft haben, liegt daran, dass es häufig keine praktikable Möglichkeit gibt, sie herauszufiltern. Das war bis vor einiger Zeit auch beim Regensburger Autohaus Hofmann der Fall. Damals gab es in dem Tochterunternehmen der HW-Gruppe regelmäßig Aftersales-Marketingkampagnen mit einem Prospekt für alle Kunden - "und entsprechenden Streuverlusten", wie Geschäftsführer Detlef Hertwig im Rückblick bekennt. BMW fordert Bedarfsorientierung Das änderte sich, als BMW begann, sein Aftersales-Bonussystem umzustellen und die Boni an die Durchführung von jährlich rund 60 bedarfsorientierten Marketingkampagnen zu koppeln. "BMW will für die Kunden nur noch individuell passende Angebote", erklärt Hertwig. Um das zu leisten, beschloss das Autohaus Hofmann vor zwei Jahren auf Empfehlung von BMW, mit Veact zusammenzuarbeiten. Das Unternehmen ist darauf spezialisiert, Kundendaten in Autohäusern zu analysieren, für Marketingaktionen aufzubereiten und diese dann mit dem Autohaus durchzuführen. Dazu greift Veact über Schnittstellen zu DMS, CRM, Terminplaner oder Reifenmanagement auf sämtliche Rechnungen, Finanzierungsdaten, Kundenstammdaten und Termine im Autohaus zu und führt diese in individuellen Kunden-Profilen zusammen. Das erlaubt dem System unter anderem Aussagen über Kundenstruktur und Datenqualität. Im Autohaus Hofmann ergab die Analyse beispielsweise, dass es 14.000 Kunden gibt, die in den vergangenen drei Jahren Umsätze generiert haben. Auf diese entfallen 17.000 der insgesamt 62.000 im DMS gespeicherten Fahrzeuge. Von diesen aktiven Kunden hatten wiederum 74 Prozent eine Datenschutzerklärung abgegeben, die dem Unternehmen erlaubt, Kontakt aufzunehmen. Entsprechende Mail-Adressen gab es aber nur bei rund 30 Prozent. "Seitdem haben wir viel stärker auf dieses Thema geachtet und die Quote deutlich gesteigert", sagt Hertwig. Selektion auf Basis von Kundendaten Die gesammelten und aggregierten Kundendaten macht Veact außerdem in einer webbasierten Anwendung nutzbar, aus der heraus sich sämtliche Marketingaktionen im Autohaus sowohl planen als auch beauftragen und kontrollieren lassen. Die Marketingverantwortlichen in den Autohäusern können dadurch individuell mit wenigen Klicks festlegen, welche Kriterien ein Kunde erfüllen muss, damit es sich lohnt, ihn im Rahmen einer bestimmten Kampagne anzusprechen. Ob diese dann am Ende erfolgreich war, zeigt das Programm ebenfalls, indem es nach Abschluss der Aktion Kosten, Rücklaufquote und generierten Umsatz auflistet. "Das Autohaus macht die Strategie, wir liefern Daten und Analysen", erklärt Veact-Geschäftsführer Philipp Posselt die Arbeitsteilung. Und ergänzt: "Ziel ist, dem Kunden eine für ihn relevante Botschaft zu senden." Ein Beispiel: Für seine jährliche Batterie-Tausch-Aktion kontaktiert das Autohaus Hofmann nur Kunden, die ein Fahrzeug im Alter von fünf bis acht Jahren besitzen, in den vergangenen zwölf Monaten im Betrieb waren und drittens keine Batterie in der Rechnung stehen hatten. "Insgesamt haben wir rund 50 Filterkriterien, nach denen wir auswählen können", erklärt Christa Aukofer, die die Marketing-Kampagnen im Autohaus Hofmann operativ steuert. Nach dem gleichen Schema funktioniert die jährliche Winterreifen-Aktion: Nur wer ein Fahrzeug älter als drei Jahre besitzt, aktiver Kunde ist und nicht erst kürzlich Reifen gekauft hat, kommt in die Auswahl. "Ein Kunde, den ich drei Jahre lang nicht im Autohaus gesehen habe, interessiert mich in dem Zusammenhang nicht", sagt Hertwig. Bei Kunden, die ihre Räder im Autohaus einlagern, werden zusätzlich auch noch diejenigen ausgesiebt, deren Profiltiefe noch ausreicht. Wer am Ende Post bekommt, erhält zudem keine Standardbroschüre, sondern dank der im Autohaus gespeicherten Fahrzeugdaten ein auf sein Fahrzeugmodell abgestimmtes und individuell kalkuliertes Angebot. Der Besitzer eines 3er BMW etwa bekommt nur Räder zu sehen, die auch zum 3er passen - inklusive eines verbindlichen Preises samt Montage. "Wir agieren nun deutlich intelligenter", sagt Hertwig. Vorher sei es schlicht nicht möglich gewesen, Kampagnen so zielgerichtet zu platzieren. Experimente mit Kampagnenzuschnitt Darüber hinaus ermöglicht das neue System Experimente: So kann Christa Aukofer beispielsweise eine Service-Kampagne einmal per Mail und einmal per Post beauftragen oder jeweils unterschiedliche Selektionskriterien auswählen. Die Rücklaufquoten sowie der Kosten-Umsatz-Vergleich zeigen dann, welche Variante die besten Erträge bringt. Im Autohaus Hofmann etwa ergab ein solcher Vergleich, dass sich die Rücklaufquote nicht erhöht, wenn ein Callcenter Kunden zusätzlich zum schriftlichen Anschreiben per Telefon an ihren HU-Termin erinnert. Seitdem sind die Anrufe Geschichte - was dem Unternehmen pro Telefonat mindestens zwei Euro spart. Schnäppchen sind die Veact-Dienste aber nicht: Pro Jahr bezahlt das Autohaus für seine fünf Standorte rund 12.000 Euro als größenabhängige Pauschale für Software, Support und Außendiensttermine. Hertwig war dieser Fixkostenblock zunächst ein Dorn im Auge. "Für mich war klar: Wenn sich das nicht rechnet, steige ich aus", sagt er. Die ersten Ergebnisse haben die Skepsis allerdings beiseite gewischt: So ist nicht nur der Aftersales-Umsatz gestiegen, sondern durch die zentralisierte Steuerung von Kampagnen wie der HU-Erinnerung der Personaleinsatz in den Filialen gesunken. Und noch etwas: Die von BMW für den Aftersales-Bonus geforderten Reportings liefert das Autohaus nun einfach per Knopfdruck.

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