GVO: Noch alles offen

Seit dem 01.06.2013 haben wir für den Vertrieb von Neufahrzeugen keine Kfz-spezifische Gruppenfreistellungsverordnung mehr. Stattdessen gelten die branchenübergreifenden Regelungen der Vertikal-GVO. Für den Aftersales gibt es zwar noch eine Kfz-GVO, aber letztlich enthält diese nur wenige Regelungen zum Ersatzteilbereich. Interessanter sind die diese Verordnung ergänzenden Leitlinien. Insgesamt spielen die Gruppenfreistellungsverordnungen aber im Automobilhandel im Moment keine große Rolle. Denn es gibt für Händler im Moment viel drängendere Themen, wie zum Beispiel CO2-Ziele als Bonuskriterien oder die Online-Vertriebsaktivitäten von Herstellern bzw. Importeuren. Das ist sicherlich verständlich, aber es sollte trotzdem nicht aus den Augen verloren werden, dass die wettbewerbsrechtlichen Weichen für den Neuwagenvertrieb und Aftersales ab 2022/23 jetzt gestellt werden. Denn die Vertikal-GVO läuft zum 31.05.2022 aus, die Kfz-GVO ein Jahr später. Und die EU-Kommission hat bereits mit dem Prozess der Überprüfung der Verordnungen begonnen. Im Fokus steht zunächst die Vertikal-GVO, die für den Neuwagenvertrieb relevant ist. Die Ergebnisse der Konsultation Der Ablauf an sich ist sehr transparent. Welche Schritte im Prozess der Überprüfung der Vertikal-GVO und der Erarbeitung einer möglichen neuen Regelung durchlaufen werden, ergibt sich aus dem nebenstehenden Zeitplan. Interessanter wird es natürlich, wenn es um die Inhalte geht. Erste Hinweise dazu liefert die Auswertung der Ergebnisse der öffentlichen Konsultation. Daran beteiligt haben sich 164 Marktteilnehmer. Obwohl diese aus völlig unterschiedlichen Branchen kommen, spricht sich die Mehrheit für eine Überarbeitung der Vertikal-GVO (62,2 %) und eine Überarbeitung der Leitlinien (73,2 %) aus. Schaut man sich die Themenfelder an, die überarbeitet werden sollten, dann steht ganz oben auf der Liste - was auch zu erwarten war - der E-Commerce. Aber auch der Direktvertrieb durch Hersteller, die in Konkurrenz zu ihren Vertriebspartnern treten, wird hier genannt. Beides sind Themen, die für den Automobilhandel von besonderer Bedeutung sind. So ganz allein stehen wir mit unseren Forderungen offensichtlich nicht da. Der Workshop zur Vertikal-GVO Allerdings steckt der Teufel wie so häufig im Detail. Das wurde anlässlich des zweitägigen Workshops deutlich, zu dem die Generaldirektion Wettbewerb am 14./15. November nach Brüssel eingeladen hatte. Gemeinsam konkrete Forderungen zu formulieren, ist nicht so einfach, wenn es um den Vertrieb so unterschiedlicher Produkte wie Schiffsmotoren, Body Lotion, Luxus-Handtaschen und Autos geht. Doch genau das war das Ziel der Veranstaltung. Mittels dynamischer Diskussionsformate wurden die Teilnehmer ermuntert, sich mit den Problemen der jeweils anderen Branchen auseinanderzusetzen. Am Ende stand dann eine Liste mit rund 70 Themen, die dann von den Teilnehmern nach Wichtigkeit geordnet werden sollten. Dazu gehört die Fragestellung, was eigentlich zum Vorteil des Konsumenten ist. Der Preis allein - so sahen es viele Teilnehmer - kann es nicht sein. Auch die Qualität von Produkten und Dienstleistungen muss Berücksichtigung finden. Oder: Wie soll fairer Wettbewerb online und offline gleichermaßen gewährleistet werden? Was bedeutet das für die Preispolitik? Sollte unter bestimmten Umständen eine Preisbindung wieder zulässig sein? Und wie kann ein Investitionsschutz aussehen, der sich letztlich auch zum Vorteil des Konsumenten auswirkt? Bei diesem Thema waren sich nicht nur die Vertreter des Automobilhandels einig. Dies interessiert nämlich auch die Bierbrauer - wenn auch vor einem anderen Hintergrund. Verlautbarungen des Bundeskartellamts Eine übergreifende Frage ist zudem, ob in Zukunft weniger in der Verordnung und mehr in den Leitlinien geregelt werden sollte. Dafür spricht zunächst, dass Leitlinien schneller an aktuelle Entwicklungen angepasst werden könnten. Andererseits sind Leitlinien bisher für Gerichte und nationale Kartellbehörden nicht bindend. Unter anderem damit beschäftigt sich auch das Bundeskartellamt, wie aus dem jüngst veröffentlichten Dokument zur Zukunft der Vertikal-GVO deutlich wird. Ein weiteres Thema dort ist die geänderte Aufgabenverteilung in der Vertriebskette durch das Erstarken des Onlinehandels. Auch in anderen Branchen vertreiben Hersteller zunehmend direkt und werden somit - neben ihren Händlern - auf der Einzelhandelsebene aktiv. Das wirft kartellrechtlich ebenso interessante Fragen auf wie die Behandlung bzw. Einordnung von Plattformen. Sind diese als echte Handelsvertreter anzusehen oder nicht? Ein weiterer großer Themenkomplex für das Bundeskartellamt sind - was wenig überrascht - Preise bzw. Preissysteme. In diesem Zusammenhang wird u. a. diskutiert, unter welchen Voraussetzungen über Preissysteme Anreize gesetzt werden könnten, die sogenannte Hybridhändler dazu ermutigen würden, in stationäre Dienstleistungen zu investieren, die dem Kunden einen Mehrwert bieten. Das sind für die Automobilbranche hochinteressante Betrachtungen. Studie im Auftrag der EU-Kommission Um noch mehr ökonomischen Input aus der Praxis zu erhalten, hat die EU-Kommission kürzlich eine Studie in Auftrag gegeben. Wann die Ergebnisse vorliegen, ist noch nicht bekannt. Aber zumindest bietet sich hier eine weitere Gelegenheit für die Vertreter des Automobilhandels ihre Sichtweise zu verdeutlichen. Die Verbindung zur Kfz-GVO Für das Kfz-Gewerbe insgesamt wird es aber noch komplexer, und zwar wenn im nächsten Frühjahr die Konsultation zur Kfz-GVO beginnt. Auch für den Aftersales gilt letztlich die Vertikal-GVO. Allerdings gibt es zusätzlich in der Kfz-GVO drei Kernbeschränkungen für den Ersatzteilbereich. Die wichtigste davon ist, dass Händler nicht daran gehindert werden dürfen, Teile an Freie Werkstätten zu verkaufen. Ergänzt wird die Kfz-GVO um umfangreiche Leitlinien, die von besonderer Relevanz für Händler und Werkstätten sind. Zum Beispiel steht hier, unter welchen Bedingungen der Hersteller Exklusivität vom Händler fordern kann oder was als Originalteil gilt. Diese sollten auf jeden Fall erhalten bleiben - in welchem rechtlichen Gewand auch immer. Das wird ein Thema sein, welches im Rahmen der öffentlichen Konsultation zur Kfz-GVO im 3. Quartal 2020 vom Kfz-Gewerbe eingebracht werden sollte. Zusätzlich wird es auch zur Kfz-GVO eine Studie im Auftrag der EU-Kommission geben. Hier werden der ZDK und die europäischen Autohandelsallianz AECDR ebenfalls ihren Input liefern. Ausblick Wie die wettbewerbsrechtlichen Rahmenbedingungen ab 2022/23 aussehen werden, lässt sich heute noch nicht absehen. Jegliche Prognose dazu, ob es neue Gruppenfreistellungsverordnungen geben wird und wenn ja, mit welchem Inhalt, wäre wie ein Blick in die berühmte Glaskugel. Klar ist aber, dass die Arbeiten in Brüssel ab dem nächsten Jahr noch intensiviert werden müssen. Zeitplan der EU-Kommission Evaluierungsphase (Q4/2018 bis Q2/2020)Feedbackphase zum Evaluierungsfahrplan - 08.11.2018 bis 06.12.2018 Öffentliche Konsultation - 02/2019 bis 05/2019 Studie im Auftrag der EU-Kommission - Seit 08/2019 Stakeholder Workshop - 14./15.11.2019 Austausch mit nationalen Wettbewerbsbehörden - Fortlaufend Veröffentlichung eines Arbeitspapiers mit Vorschlägen der EU-Kommission - Ende Q2/2020 Folgeabschatzungsphase - Q3/2020 bis zum Auslauf der Vertikal-GVO am 31.05.2022Der Ablauf an sich ist sehr transparent. Welche Schritte im Prozess der Überprufung der Vertikal-GVO und der Erarbeitung einer möglichen neuen Regelung durchlaufen werden, ergibt sich aus dem obigen Zeitplan.

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