Totalverlust: Schrottabwicklung

Der Standardfall der berechtigten Rückabwicklung eines Neuwagen-Kaufvertrags ist es, dass vom Verkäufer ein zwar mangelbehaftetes, im Übrigen aber noch intaktes Fahrzeug mit der entsprechenden Werthaltigkeit zurückgenommen werden muss. Es gibt jedoch auch den Ausnahmefall, dass vom Käufer die Rückabwicklung des Vertrags nach Eintritt eines "zufälligen" Totalverlusts des Fahrzeugs verlangt wird. Da Neuwagen in aller Regel kaskoversichert sind, ist ein solcher Verlust eigentlich und in jedem Fall für alle Parteien durch eine Versicherungsleistung abgedeckt - sollte man meinen ... Der Bundesgerichtshof (BGH) kam in seinem Urteil vom 25.3.2015 (Az. VIII ZR 38/14) zu einem anderen Ergebnis. Der Fall Der Käufer erwarb einen Neuwagen, der ihm im September 2009 übergeben wurde. Nachfolgend traten verschiedene Mängel am Fahrzeug auf. Der Käufer verlangte mehrfach Nachbesserung, die jeweils ohne Erfolg war. Nach dem letzten fehlgeschlagenen Nachbesserungsversuch erklärte der Käufer mit Schreiben vom August 2011 den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte den Verkäufer auf, den Kaufpreis unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung - insgesamt einen Betrag von 43.727,50 Euro - Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zurückzuzahlen. Im August 2012 brannte das Fahrzeug, das sich nach wie vor beim Käufer befand, aus. Der Käufer trat im März 2013 sämtliche Ansprüche aus einem von ihm für den Neuwagen abgeschlossenen Kaskoversicherungsvertrag an den Verkäufer ab. Der Verkäufer nahm die Abtretungserklärung an. Die Kaskoversicherung erklärte nachfolgend, dass diese Abtretung nicht genehmigt werden könne, da die Eintrittspflicht noch nicht abschließend geprüft sei. Die Versicherung bezog sich hierbei auf einen entsprechenden Genehmigungsvorbehalt, der sich in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zum Kaskoversicherungsvertrag befand. Der Verkäufer verweigerte die Rückabwicklung. Der Käufer erhob Rückabwicklungsklage Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Urteile der Vorinstanzen Das Landgericht Mannheim und das Oberlandesgericht Karlsruhe sahen in den ersten beiden Instanzen den Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag zwar für wirksam an und verurteilten den Verkäufer entsprechend auf Rückabwicklung, dies allerdings nur Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche aus dem Kaskoversicherungsvertrag. Dies verwundert zunächst, hatte der Käufer doch bereits im März 2013 die Ansprüche abgetreten und der Verkäufer die Abtretung angenommen. Allerdings - so die Urteile des Landgerichts und Oberlandesgerichts - lag eine wirksame Abtretung bisher nicht vor. Die im März 2013 erklärte Abtretung sei nämlich nichtig, weil der Versicherer unter Verweis auf seine Allgemeinen Versicherungsbedingungen die Genehmigung bisher verweigert habe und dieser Genehmigungsvorbehalt nicht zu beanstanden sei. In der Konsequenz wurde damit dem Verkäufer aufgegeben, die Einstandserklärung der Vollkaskoversicherung in den Schadenfall herbeizuführen. Die Leistung des Kaskoversicherers stelle nämlich eine Bereicherung im Sinne von § 346 Abs. 3 S. 2 BGB dar, die der Käufer bei der Rückabwicklung herausgeben müsse. Bis zur Herausgabe dieser Bereicherung - aufgrund einer wirksamen Abtretung des Versicherungsanspruchs - könne der Verkäufer ein Zurückbehaltungsrecht am zurückzuzahlenden Kaufpreis geltend machen. Der Käufer hatte damit zwar einen Prozesserfolg, konnte diesen aber wegen der Verweigerungshaltung seines Kaskoversicherers nicht umsetzen. Entscheidung des BGH Der BGH war in der Revisionsinstanz anderer Auffassung. Nach dem Leitsatz der Entscheidung vom 25.03.2015 ist der Käufer eines kaskoversicherten Fahrzeugs nach Untergang der Sache zur Herausgabe einer verbleibenden Bereicherung im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB nur insoweit verpflichtet, als er tatsächlich etwas erlangt hat, was er herausgeben könnte. Dies ist bei einer vom Kaskoversicherer verweigerten Genehmigung der Abtretung des Anspruchs auf Auszahlung der Versicherungsleistung an den Verkäufer nicht der Fall. Zwar - so der BGH - muss sich der Verkäufer als der Rückabwicklungsschuldner nicht auf eine tatsächliche Auszahlung einer Versicherungsleistung verweisen lassen; vielmehr ist ihm bereits der Anspruch auf die Versicherungsleistung abzutreten (§ 398 BGB). Eine wirksame Abtretung konnte jedoch wegen der entgegenstehenden und auch nach BGH wirksamen Versicherungsbedingungen der Kaskoversicherung nicht vorgenommen werden. Deshalb hatte der Käufer auch nichts erlangt, was er hätte herausgeben können. Erlangt im Sinne des § 346 Abs. 3 S. 2 BGB ist etwas erst dann, wenn es sich im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung seiner Vermögenslage eintritt. Dies war nicht der Fall, weil der Käufer weder eine Zahlung von der Versicherung erhalten noch diese ihre Eintrittspflicht anerkannt hatte. Die Ansprüche auf eine Leistung aus der Kaskoversicherung befanden sich dort noch im "Prüfungsstadium". Auf solche in der Zukunft liegenden möglichen Ansprüche auf eine Versicherungsleistung kann ein Zurückbehaltungsrecht nicht gestützt werden, da der Käufer noch nichts als "verbleibende Bereicherung" erlangt hat. Der BGH hob deshalb den Zug-um-Zug-Vorbehalt der Vorinstanzen auf und verurteilte den Verkäufer zur unbedingten vollumfänglichen Rückabwicklung. Kurzfassung 1. Verlangt der Käufer nach Totalverlust eines Fahrzeugs (hier: Zerstörung durch Fahrzeugbrand) gemäß Sachmängelrecht berechtigterweise die Rückabwicklung des Kaufvertrages, muss er die Leistung einer Vollkaskoversicherung bzw. den Anspruch auf die Leistung durch Abtretung an den Verkäufer nur herausgeben, sofern er eine "verbleibende Bereicherung" bereits tatsächlich erlangt hat.2. Nach dem Urteil des BGH vom 25.3.2015 ist im Sinne von § 346 Abs. 3 Satz 2 BGB eine verbleibende Bereicherung dann erlangt, wenn diese sich im Vermögen des Bereicherten konkret manifestiert und dadurch eine Verbesserung der Vermögenslage eintritt.3. Zahlt die Vollkaskoversicherung nicht und verweigert sie unter Verweis auf einen Genehmigungsvorbehalt in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen bereits die Abtretung des Anspruchs auf die Versicherungsleistung an den Verkäufer, hat der Käufer insoweit (noch) nichts erlangt, was abgetreten werden könnte. Der Verkäufer erhält im Rahmen der Rückabwicklung insoweit keinen finanziellen Ausgleich. Kommentar Mit dem Urteil vom 25.3.2015 hat der BGH ein weiteres verbraucherfreundliches Urteil gesprochen. Das Gesetz - so der BGH - verpflichtet den Käufer im Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrages nur zur Herausgabe einer Bereicherung, die er bereits "herausgabefähig" erlangt hat. Es besteht keine Verpflichtung des Käufers, etwa durch eine auf eigenes Risiko und eigene Kosten erhobene Klage, eine sodann herauszugebende Bereicherung - die Versicherungsleistung - erst herbeizuführen. Die Versicherungswirtschaft wird das Urteil des BGH aufmerksam lesen. Die Versuchung in derartigen Fällen könnte groß sein, eine Versicherungsleistung zu verzögern oder zu verweigern. Denn wer sollte die Versicherung nach einer erfolgreichen Rückabwicklung zu Lasten des Verkäufers noch prozessual in Anspruch nehmen? Der Käufer hat schließlich keinen "Schaden" und deshalb auch kein Interesse mehr an einer Auseinandersetzung mit der Versicherung und der Verkäufer hat ohnehin keinen Anspruch auf die Versicherungsleistung, da er kein Vertragspartner der Vollkaskoversicherung ist.Rechtsanwalt Walter Sattler

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