Inzahlungnahme: Stillschweigender Gewährleistungsausschluss - ja oder nein?

Die Inzahlungnahme und Anrechnung von Gebrauchtfahrzeugen gehört zum täglichen Geschäft des Neuwagenverkaufs. Die Einwertung der Gebrauchten erfolgt in der Praxis oftmals auf Grundlage der Kundenangaben ohne eingehende Untersuchung. Präzise Vereinbarungen zum Zustand des Gebrauchtfahrzeuges werden selten getroffen. Weist es Mängel auf, ist der Händler nach der Rechtsprechung mit Sachmängelhaftungsansprüchen weitgehend ausgeschlossen. Dieser Ausschluss der Gewährleistung ist nach einem zuletzt ergangenen Urteil des OLG Karlsruhe vom 4.12.2018 - Az. 9 O 160/16 - weit auszulegen. Der Fall Ein Bauunternehmer kaufte beim Vertragshändler einen Neuwagen Mazda2 für knapp 16.000 Euro. Mit der Bestellung wurde die Inzahlungnahme eines fünf Jahre alten Gebrauchtfahrzeuges derselben Marke für 5.000 Euro und die Verrechnung mit dem Neuwagenpreis vereinbart. Für das Gebrauchtfahrzeug wurde ein eigener Ankaufsvertrag unterzeichnet mit folgender Fahrzeugbeschreibung: Erstzulassung: 03.05.2010 Kilometerstand: 130.000 Fahrzeugzustand: Normal Unfall: Reparierter Schaden Vom Verkäufer des Händlers hinzugesetzt wurde noch der Vermerk "optische und technische Prüfung vorbehalten!". Die Vertragsverhandlungen wurden auf Seite des Neufahrzeugkäufers geführt von einer Mitarbeiterin, die das bisherige Fahrzeug auch genutzt hatte. In der Zeit dieser Nutzung hatte das Fahrzeug einen Unfallschaden und einen Hagelschaden erlitten, welche beide in einer Fachwerkstatt repariert wurden. Eine Untersuchung des Fahrzeuges erfolgte vor Abschluss des Kaufvertrages nicht. Der Unfallschaden wurde nicht näher hinterfragt, ob sich der Verkäufer nach einem Hagelschaden erkundigt hatte, blieb strittig. Das alte Fahrzeug wurde bei Abholung des neuen abgegeben. Einen Tag später reklamierte der Händler zahlreiche Schäden und Mängel, mit denen er nicht gerechnet hatte, insbesondere diverse Kratzer im Lack und ein Steinschlagschaden in der Windschutzscheibe sowie die unsachgemäße Reparatur des Hagelschadens. Unter Berufung auf den Prüfungsvorbehalt teilte er dem Kunden mit, dass er wegen der Mängel für das Gebrauchtfahrzeug lediglich 2.000 Euro anrechnen könne, und übermittelte eine Rechnung in Höhe des Differenzbetrages von 3.000 Euro. Weil der Kunde dies nicht akzeptierte, erklärte der Händler letztlich den Rücktritt vom Gebrauchtwagenankauf. Der Kunde sah im Neuwagenkauf und in der Inzahlunggabe seines Gebrauchten einen einheitlichen Vorgang und bezog den erklärten Rücktritt deshalb auch auf das Neuwagengeschäft. Er klagte auf Rückabwicklung beider Verträge, woraufhin der Händler Widerklage auf Zahlung der 3.000 Euro erhob, hilfsweise auf Rückabwicklung nur des Gebrauchtwagenankaufs. Erste Instanz Das LG Konstanz wies die Klage des Bauunternehmers auf einheitliche Rückabwicklung ab und verurteilte ihn entsprechend dem Hilfsantrag der Widerklage zur Rücknahme des Gebrauchtwagens und Zahlung des restlichen Kaufpreises i.H.v. 5.000 Euro. Das Neuwagengeschäft werde von dem Rücktritt wegen Mängeln des Gebrauchtfahrzeuges nicht erfasst, da mit der vereinbarten Anrechnung des Gebrauchtwagenkaufpreises nach ständiger Rechtsprechung in entsprechender Höhe die Ersetzungsbefugnis bezüglich des Neufahrzeugpreises verbunden ist und § 365 BGB insoweit die Sachmängelhaftung gesondert und abgelöst vom Hauptgeschäft regelt. Bezüglich der Widerklage sei zwar grundsätzlich bei der Inzahlungnahme eines Gebrauchtfahrzeuges von einem stillschweigenden Gewährleistungsausschluss auszugehen. Auf diesen könne sich der Bauunternehmer vorliegend aber nicht berufen, da seine Mitarbeiterin offenbarungspflichtige Schäden verschwiegen habe, insbesondere die Kratzer und den Steinschlag in der Frontscheibe. Zudem hätte die Mitarbeiterin auf Nachfrage den Hagelschaden angeben müssen, auch wenn sie von einer ordnungsgemäßen Reparatur ausgegangen ist. Ein Minderungsverlangen sei vorangehend nicht wirksam gestellt worden, so dass es bei der vom Händler getroffenen Wahl der Rücktrittserklärung zu verbleiben habe. OLG Karlsruhe Die Berufung des Bauunternehmers blieb hinsichtlich des Rücktritts vom Neuwagengeschäft ohne Erfolg. Die Verurteilung zur Rückabwicklung des Gebrauchtwagengeschäfts wurde aber nach nochmaliger Beweisaufnahme aufgehoben. Das Neufahrzeug war unstreitig nicht mangelhaft und ein Rücktritt wurde vom Käufer auch gar nicht erklärt. Die Rücktrittserklärung des Händlers konnte aus den bereits vom Landgericht gesehenen Gründen nur das Gebrauchtwagengeschäft betreffen. Ein Rücktrittsgrund stand dem Händler hier aber schon gar nicht zu, da sich der Bauunternehmer hinsichtlich der Mängel des Gebrauchtfahrzeugs wirksam auf einen stillschweigenden Gewährleistungsausschluss berufen kann. Ein solcher gilt nach der Rechtsprechung des BGH auch ohne ausdrückliche Regelung grundsätzlich dann, wenn der Händler ohne vorangehende Untersuchung des in Zahlung zu nehmenden Fahrzeuges einen festen Ankaufpreis und die entsprechende Anrechnung auf den Neuwagenpreis vereinbart. Abgeleitet wird dies aus der Interessenlage der Parteien. Der Käufer möchte konkret und ohne nachträgliche Diskussion über Mängel wissen, wie viel er restlich für das neue Fahrzeug aufzubringen hat. Der Verkäufer hat es in der Hand, sich das Fahrzeug vorher genau anzusehen. Wenn er hierauf verzichtet, ist er zu Gunsten des Neuwagengeschäfts bereit, das entsprechende Risiko einzugehen. Möchte er das nicht, steht es ihm frei, sich zumindest durch bestimmte Angaben des Kunden im Kaufvertrag im Sinne einer vereinbarten Beschaffenheit abzusichern. Für solche Beschaffenheitsvereinbarungen kann der Gewährleistungsausschluss ebenso wenig gelten wie für arglistiges Verschweigen. Vorliegend sieht das OLG Karlsruhe die vereinbarte Beschaffenheit des Fahrzeuges durch die Angaben im Gebrauchtwagenankaufvertrag abschließend definiert, also insbesondere mit Erstzulassung, Kilometerstand und repariertem Unfallschaden. Negative Abweichungen ergeben sich hier nicht, auch wenn die Reparatur des Unfall- und des Hagelschadens nach den Feststellungen eines gerichtlich bestellten Sachverständigen nicht ordnungsgemäß erfolgt waren. Dies war dem Kläger bzw. seiner Mitarbeiterin nicht bekannt. Eine vollständige und sachgerechte Reparatur war nach Auffassung des OLG Karlsruhe mit der Angabe des reparierten Unfallschadens nicht zugesagt und wäre für die Beklagten bei Interesse vor Ankauf des Fahrzeuges ohne weiteres kontrollierbar gewesen. Die Bezeichnung des Fahrzeugzustandes als "normal" lässt sich bei einem fünf Jahre alten Gebrauchtfahrzeug nicht objektivieren und ist wegen möglicher unterschiedlicher Betrachtungsweisen zu unbestimmt, um hieraus eine konkret vereinbarte Beschaffenheit abzuleiten. Dementsprechend kann hieraus auch nicht abgeleitet werden, dass keine Kratzer und kein Steinschlag am Fahrzeug vorliegen. Von einer tatsächlichen Nachfrage des Verkäufers der Beklagten nach einem Hagelschaden ging das OLG nach nochmaliger Zeugeneinvernahme nicht aus, so dass auch hier ein arglistiges Verhalten ausscheiden musste. Auslegung des OLG Im Ergebnis legt das OLG Karlsruhe den stillschweigenden Gewährleistungsausschluss bei Inzahlungnahme eines Gebrauchtfahrzeuges weit aus und begrenzt die Möglichkeiten des Händlers zur Geltendmachung von Mängeln auf die Fälle einer eindeutig abweichenden Vereinbarung und des Fehlens einer vereinbarten Beschaffenheit, ebenso auf die Fälle der arglistigen Täuschung. Der hier im Ankaufvertrag vermerkte Vorbehalt "optische und technische Prüfung vorbehalten" genügt dem Erfordernis einer eindeutigen Aufhebung des stillschweigenden Gewährleistungsausschlusses nicht. Die Klausel kann - so das OLG - nach dem Zweck des Vertrages nur so verstanden werden, dass sich der Händler eine Überprüfung der Angaben des Kunden vorbehalten möchte, nicht aber als Möglichkeit, den ohne Untersuchung des Fahrzeuges fest vereinbarten Preis der Inzahlungnahme nachträglich noch zu ändern. Zusammenfassung 1. Wird beim Neuwagenverkauf ein Gebrauchtfahrzeug in Zahlung genommen und mit einem festen Betrag auf den Preis des Neuwagens angerechnet, ist regelmäßig zu Gunsten des Kunden von einem stillschweigenden Gewährleistungsausschluss für Mängel des Gebrauchten auszugehen. Dies gilt insbesondere auch bei vorangehend unterbliebener Untersuchung.2. Der stillschweigende Gewährleistungsausschluss kommt nur bei eindeutig abweichenden Vereinbarungen nicht zur Anwendung. Ein Vorbehalt der optischen und technischen Prüfung ist hierfür nicht ausreichend. Nicht vom Gewährleistungsausschluss erfasst sind konkrete Vereinbarungen zur Beschaffenheit des Fahrzeuges und arglistige Täuschung.3. Kann der Händler bezüglich des in Zahlung genommenen Gebrauchtfahrzeuges Sachmängelhaftungsansprüche geltend machen, berührt dies nicht den Neuwagen-Verkaufsvertrag. Bei Minderung oder Rücktritt erlischt die Befugnis des Kunden, entsprechende Teile des Neufahrzeugpreises durch Anrechnung zu ersetzen. Der Kunde hat dies durch Zahlung der Differenz auszugleichen. Kommentar Zur Begründung seiner Entscheidung bezieht sich das OLG Karlsruhe mehrfach auf ein betagtes Urteil des BGH aus dem Jahre 1982. Dort hatte der Bundesgerichtshof den stillschweigenden Gewährleistungsausschluss bei der Inzahlungnahme eines Gebrauchtwagens jedenfalls für nicht untersuchte Verschleißschäden angenommen. Letztlich offengelassen wurde damals, wie es sich bei Unfallschäden verhält oder bei einer erfolgten Untersuchung des Fahrzeuges. Hierzu bedurfte es damals keiner Entscheidung, ein stillschweigender Gewährleistungsausschluss war aber auch hier für den BGH bereits "naheliegend". Die zu Grunde liegende Interessenlage sieht das OLG Karlsruhe auch aktuell ebenfalls vergleichbar.Robert Glocker Rechtsanwalt

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