Fahrzeugvermittlung: Trau, schau, wem!

Man sollte niemandem allzu leichtfertig Vertrauen schenken. Dieser Grundsatz gilt insbesondere für Versprechungen, die sich weit jenseits von allem Üblichen bewegen. Mit einem allzu günstigen und jenseits des Üblichen angepriesenen Geschäftsmodell sammelte die Automobile Chartered Group GmbH eine erhebliche Anzahl von Kunden, die nach deren Modell einer versprochenen Refinanzierung von diversen Autohäusern bankfinanziert Neufahrzeuge erwarben und sich nach Insolvenz der Automobile Chartered Group GmbH mit den Finanzierungsraten in voller Höhe konfrontiert sahen und auch weiterhin sehen. Der Fall Ende 2017 kam auf ein markengebundenes Autohaus - die später Beklagte - eine bis dahin nicht bekannte Automobile Chartered Group GmbH zu. Diese fragte an, ob an einer Vermittlung von Neufahrzeugkäufern durch die Automobile Chartered Group GmbH gegen Provision Interesse bestünde. Es würde sich bei den vermittelten Käufern jeweils um Kunden handeln, die eine sehr schnelle Lieferung haben wollten und deshalb den Listenpreis für Bestandsfahrzeuge akzeptieren würden. Ein solches Interesse wurde von der Beklagten bestätigt. Bei der Automobile Group - so deren Erklärung - handele es sich um ein neues Unternehmen, das sehr schnell wachse und bereits über eine erhebliche Anzahl von vermittlungswilligen Kunden verfüge. Die Kunden würden von der Automobile Chartered Group GmbH eine nicht näher erklärte Bonifikation im Rahmen des Geschäftsmodells erhalten. Neben der Beklagten seien wegen der großen Anzahl der Kaufinteressenten weitere Autohäuser angesprochen worden, was auch tatsächlich der Fall war. Am 09.01.2018 bestellte ein von der Automobile Chartered Group GmbH vermittelter Neufahrzeugkunde - der spätere Kläger - bei der Beklagten als Geschäftsfahrzeug einen neuen Pkw VW Passat GTE zum Listenpreis. Mit Datum vom selben Tag beantragte der Kläger bei der Volkswagen Bank ein Darlehen zur Finanzierung des Kaufpreises. Auch der Darlehensvertrag wurde dem Kläger durch die Automobile Chartered Group GmbH vermittelt. Am 24.01.2018 wurde das Fahrzeug auf den Kläger zugelassen und am 27.01.2018 vom Kläger persönlich abgeholt. Was das beklagte Autohaus nicht wusste, war der Umstand, dass die Automobile Chartered Group GmbH mit dem Kläger eine Vereinbarung geschlossen hatte, wonach diesem ein monatlicher "Werbekostenzuschuss" zur anfallenden Bankfinanzierung i.H.v. 980,30 Euro zu bezahlen war und das Fahrzeug nach Ablauf eines Jahres gegen Zahlung der vollen Restfinanzierungssumme von der Automobile Chartered Group GmbH abgekauft werden sollte. Von dieser Vereinbarung, nach der sich der Fahrzeugkauf für den Kläger quasi als "Nullsummenspiel" hätte darstellen sollen, erhielt die Beklagte erst im späteren Prozess Kenntnis. Das Geschäftsmodell der Automobile Chartered Group GmbH brach im Sinne eines Schneeballsystems zusammen, der anfänglich kurzfristig bezahlte Werbekostenzuschuss blieb aus und das Fahrzeug wurde von der Automobile Chartered Group GmbH dem Kläger auch nicht abgekauft. Die Automobile Chartered Group GmbH meldete Insolvenz an und der Kläger sah sich damit konfrontiert, dass er nun mit den Bankfinanzierungsraten ohne Refinanzierung über einen Werbekostenzuschuss in voller Höhe belastet war. Der Kläger wandte sich in der Folge an die Beklagte. Anfechtung des Kaufvertrags Mit Anwaltsschreiben vom 14.03.2019 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung mit den schlicht in den Raum gestellten Behauptungen (Zitat): "Das Geschäftsmodell der Automobile Chartered Group GmbH war insgesamt als Schneeballsystem gestaltet. Die Automobile Chartered Group GmbH hatte nie vor, die Fahrzeuge wie versprochen zurückzunehmen." "Sie bzw. Ihre Mitarbeiter hatten Kenntnis vom betrügerischen Geschäftsmodell der Automobile Chartered Group GmbH. (...)" "Da unser Mandant ohne die Täuschung der Automobile Chartered Group GmbH, die Ihnen bekannt war, den Kaufvertrag nicht abgeschlossen hätte (...)" "Da Sie Kenntnis vom betrügerischen Geschäftsmodell der Automobile Chartered Group GmbH hatten und bei Vertragsschluss eine erhebliche Schädigung unseres Mandanten in Kauf nahmen, (...)" Der Kläger forderte die Beklagte unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung für zurückgelegte Kilometer zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs auf. Zusätzlich zur Anfechtung erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag. Mit nachfolgendem Schreiben des anwaltlichen Vertreters des beklagten Autohauses wurden die Vorwürfe des Klägers in aller Deutlichkeit zurückgewiesen. Insbesondere wurde dargelegt, dass die Beklagte von einem Unternehmenskonstrukt der Automobile Chartered Group GmbH keine Kenntnis hatte, ebenso wenig von den zwischen dem Kläger und der Automobile Chartered Group GmbH intern abgeschlossenen Vereinbarungen. Die an die Automobile Chartered Group GmbH gezahlte Vermittlungsprovision entsprach nach den zutreffenden Darlegungen der Beklagten einer üblichen Provision bei derartigen Vermittlungsgeschäften und ließ gleichermaßen keinen Rückschluss auf ein arglistiges Verhalten der Beklagten zu. Der Kläger strengte daraufhin einen Prozess vor dem Landgericht (LG) München I an. Urteil des LG München I Mit der Klage sprach der Kläger erneut die Anfechtung des Kaufvertrages aus. Der Kläger wiederholte seine Vorwürfe, die Beklagte habe - jedenfalls in Grundzügen - Kenntnis von einem betrügerischen Geschäftsmodell der Automobile Chartered Group GmbH gehabt. Sie habe gewusst, dass das System früher oder später zusammenbrechen würde und der Kläger - wie im Übrigen auch weitere Kunden - auf Verträgen sitzen bleiben würden, zu Konditionen, zu denen die Autohauskunden den Autokauf unter normalen Umständen niemals abgeschlossen hätten. Die Beklagte habe durch den Verkauf überteuerter Fahrzeuge ganz erheblich vom Geschäftsmodell der Automobile Chartered Group GmbH profitiert. Auch habe die Beklagte arglistig die von ihr an die Chartered Group GmbH gezahlte Vermittlungsprovision verschwiegen. Diese Vermittlungsprovision sei mit 15 bis 20 Prozent überproportional hoch gewesen. Über diese Provision habe die Beklagte analog der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Innenprovision bei Kapitalanlagen aufklären müssen. Weil dies nicht geschehen sei, läge auch diesbezüglich Arglist im Rechtssinne vor; auch hieraus rechtfertige sich die Anfechtung des Kaufvertrags. Die Argumente des Klägers überzeugten das LG München I nicht. Das Gericht schloss sich vielmehr den schriftsätzlichen Darlegungen der Beklagten an. Hiernach hatte der Kläger nicht dargelegt, inwieweit die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter von Täuschungen seitens der Automobile Chartered Group GmbH Kenntnis hatten oder grob fahrlässig nicht hatten. Das beklagte Autohaus bzw. dessen Mitarbeiter hatten eine solche Kenntnis auch tatsächlich nicht. Der Kläger selbst wusste im Übrigen - so das LG München I -, dass er das Fahrzeug zum Listenpreis ohne Nachlass kauft und er allein deshalb nicht über einen Kaufpreis getäuscht werden konnte. Der Kläger legte nach Auffassung des LG München I weder dar, woher die Beklagte gewusst haben soll, dass die Automobile Chartered Group GmbH angeblich nicht vorhatte, das Fahrzeug wie versprochen abzukaufen, noch legte der Kläger dar, dass die Beklagte gewusst haben soll, dass es sich um ein Schneeballsystem handeln würde. Es war nach Meinung des LG in der konkreten Fallkonstellation vielmehr sogar naheliegend, dass die Beklagte an die Automobile Group eine Provision in etwa der Höhe der sonst üblichen Rabatte zahlt. Im Übrigen wurde lediglich eine Netto-Vermittlungsprovision in Höhe von nur 8 % bezahlt und keineswegs die ohne Tatsachengrundlage in den Raum gestellte Provision von 15 bis 20 Prozent. Für das LG München I konnten bloße Behauptungen des Klägers im Prozess einen belastbaren und beweisbaren Tatsachenvortrag nicht ersetzen. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages ergab sich für das Gericht unter keinem denkbaren rechtlichen Aspekt. Die Klage wurde mit Urteil vom 28. November 2019 vollumfänglich abgewiesen. Berufungsverhandlung vor dem OLG München Der Kläger mochte sich mit dem Urteil des LG München I nicht abfinden und legte Berufung zum Oberlandesgericht (OLG) München ein. In der Berufungsbegründung wiederholte der Kläger seine Argumente aus erster Instanz. In der Berufungsverhandlung vom 11. Mai 2020 ließ das OLG von Anfang an keinen Zweifel daran, dass bloße Behauptungen, Mutmaßungen und Schlussfolgerungen des Klägers, wie sie von ihm in seinen Schriftsätzen vorgetragen worden waren, keinen prozessual erforderlichen Tatsachenvortrag ersetzen. Irgendwelche Ansatzpunkte, wonach der Beklagten ein gegebenenfalls betrügerisches Verhalten der Automobile Chartered Group GmbH hätte zugerechnet werden müssen, konnte das OLG nicht erkennen. Das OLG erließ einen Hinweisbeschluss, wonach dem Kläger nahegelegt wurde, seine Berufung mangels Erfolgsaussichten zurückzunehmen. Der Kläger erhielt eine zweiwöchige Frist zu erklären, ob er die Berufung zurücknimmt oder aufrechterhält. Es besteht die berechtigte Erwartung, dass das Verfahren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des vorliegenden Beitrags durch Berufungsrücknahme bereits beendet ist. Kommentar Als ein wesentlicher Punkt aus dem vorliegenden Prozess ergibt sich, dass das beklagte Autohaus im vorliegenden Fall nicht verpflichtet war, hinsichtlich der Bonität und hinsichtlich eines Geschäftsmodells des Fahrzeugvermittlers eigene Ermittlungen anzustellen. Etwas anderes hätte sich nur dann ergeben können, wenn für das Autohaus irgendwelche Ansatzpunkte vorhanden gewesen wären, an der Seriosität der Automobile Chartered Group GmbH als Vermittler zu zweifeln. Hierfür hätten nach der Rechtsprechung "handgreifliche" Anhaltspunkte bestehen müssen. Derartige Anhaltspunkte gab es jedoch nicht. Dies ergab im Übrigen auch die vom OLG aus rein prozessformalen Gründen durchgeführte Zeugenbefragung, die das LG in erster Instanz aufgrund des fehlgehenden Vortrags des Klägers nicht für erforderlich ansah. Eine grundsätzliche Recherchepflicht bezüglich eines Geschäftspartners außerhalb von gesetzlichen Vorgaben würde nach hier vertretener Auffassung im Übrigen unser Wirtschaftssystem konterkarieren.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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