Nürnberger Versicherung: "Von Start-ups können wir noch sehr viel lernen"

AH: Herr Meier, die Digitalisierung bietet auch Unternehmen wie Ihrem enorme Chancen. Vergangenes Jahr sind Sie eine Kooperation mit dem Start-up-Zentrum Factory Berlin eingegangen. Das stelle ich mir spannend vor. P. Meier: Ich finde gut, dass Sie das beobachtet haben. Doch wir engagieren uns nicht nur in Berlin, sondern wir haben fast zeitgleich hier in Nürnberg im Gründerzentrum Zollhof ein Engagement begonnen, haben in diesem Umfeld unsere eigene Tochterfirma CodeCamp:N gegründet und sind in München im Insur-Tech Hub Munich aktiv. Das heißt, wir können an drei verschiedenen Plätzen die Entwicklungen beobachten und frühzeitig an möglichen Produkten oder Dienstleistungen partizipieren. Denn: Die Digitalisierung ist für die Versicherer eine Herausforderung, aber auch eine Riesenchance. AH: Könnten Sie das bitte ein wenig konkretisieren? P. Meier: Eine Herausforderung, weil potenzielle neue Wettbewerber möglicherweise schneller und unkomplizierter an den Markt gehen und uns Kunden abnehmen. Doch aus meiner Sicht überwiegen die Chancen - beispielsweise dank neuer Technologien, Künstlicher Intelligenz oder dem Internet der Dinge. Dabei geht es um Anwendungen, die uns in den Geschäftsprozessen helfen, sodass wir unsere Energie in neue Themen investieren können. Wir suchen etwa Ansätze, um die Kommunikation mit unseren Kunden und Vermittlern zu vereinfachen und unsere internen Prozesse zu beschleunigen. Und wir suchen auch nach Optionen für Produktinnovationen oder ganz neue Geschäftsfelder - zum Beispiel Smart Home. Deshalb mussten wir Wege finden, um ein Teil dieser Community zu werden und uns inhaltlich und personell zu vernetzen. Dieser Austausch ist für uns auch Ansporn, die eigene Ausrichtung immer wieder zu überdenken. AH: Welche Erfahrungen haben Sie bei diesem Austausch bereits gemacht? P. Meier: Brillant ist, dass diese Start-ups immer vom Kunden aus denken. Sie sind also gnadenlos kundenorientiert. Zudem ist das Ganze immer geprägt davon, Abläufe zu vereinfachen. So zu denken, befindet sich nicht unbedingt in der DNA der Versicherungswirtschaft. Da können wir noch sehr viel lernen. AH: Was haben Sie hier schon gelernt? P. Meier: Wir diskutieren konkrete Ansätze im Bereich in der Antragsbearbeitung. Zum Beispiel ist Bilderkennung ein Thema, mit dem wir uns beschäftigen. Ein zweites Thema, mit dem wir uns auseinandersetzen werden, ist die digitalisierte Schadenbearbeitung. Mit allen Möglichkeiten, die es da gibt. AH: Sie meinen, dass der Autofahrer in Zukunft selbst seinen Schaden mit dem Smartphone aufnimmt? P. Meier: Genau, in diese Richtung denken wir. AH: Auf der einen Seite die Start-up- Mentalität, auf der anderen Seite Ihr 1884 gegründetes Traditionsunternehmen - das stelle ich mir spannend vor. P. Meier: Zum einen ist es gut, dass wir seit 1884 so solide und finanzstark unterwegs sind. Denn vor diesem Hintergrund können wir auch das Start-up-Business mit einer gewissen Investitionskraft angehen. Im Hintergrund steht immer unser traditionelles, funktionierendes Geschäftsmodell, mit dem wir Geld verdienen. Zum anderen haben wir mit dem angesprochenen CodeCamp:N unser eigenes Start-up etabliert, das selbst entsprechende Projekte angeht und das wir bewusst aus unserem Unternehmen herausgenommen haben. CodeCamp:N soll uns auch dabei helfen, das, was wir sehen, zu bewerten. Hier arbeiten sehr junge Mitarbeiter, die aus der Generation der Start-ups kommen. AH: Wie können die Autohäuser und Werkstätten, die Ihr Unternehmen ja seit rund 50 Jahren als berufsständischer Versicherer und markenunabhängiger Partner begleitet, von diesen digitalen Aktivitäten später profitieren? P. Meier: Ich stelle immer fest: Wir sitzen im gleichen Boot. Die Sorgen und Nöte des Handels sind ja auch unsere Sorgen. Mit Blick in die Zukunft müssen wir gemeinsam schauen, wie wir uns bei der Produktentwicklung und -gestaltung, auch bei der Prozessgestaltung, gemeinsam Vorteile erarbeiten können. Aus der Partnerschaft heraus. Für uns bedeutet das, dass wir unsere Verkaufs- und Serviceprozesse im Autohaus mit dem Partner absprechen - und sie gemeinsam in die moderne Welt führen. Das Ziel ist, Produktideen mit unseren Kooperationspartnern zu kreieren, die ein stückweit einen USP hervorrufen können. AH: Bei den Prozessen im Autohaus gibt es bekanntlich noch Luft nach oben. Wie kann die Digitalisierung hier helfen? P. Meier: Autohäuser müssen versuchen, ihr klassisches Business zu digitalisieren. Dafür braucht es moderne IT-Anlagen und Software. Wir nehmen wahr, dass viele unserer Partner bereits gut unterwegs sind und investieren. Was können wir dazu beitragen? Eine gute Position in der Kfz-Versicherung, die für den Handel nach wie vor ausschlaggebend ist. Wir müssen sehen, dass wir unser klassisches Produkt in die digitale Welt überführen und mit den Verkaufssystemen unserer Partner verbinden. Das ist jetzt einfacher als früher. AH: In Sachen Autoversicherung kooperieren Sie mit den Fabrikaten Mitsubishi und Renault/Nissan. Wie entwickeln sich diese Partnerschaften weiter? P. Meier: Mit beiden Partnern sprechen wir über neue Sonderaktionen oder neue Kfz-Angebotsmodelle. So wird es bei beiden Kooperationen in diesem Jahr den einen oder anderen neuen Input geben. Aus unserer Sicht entwickeln sich beide Kooperationen sehr positiv. Bei Mitsubishi ist das natürlich einfacher, weil wir da schon auf 40 Jahre gelebter Zusammenarbeit zurückblicken können. Hier geht es sehr stark um die Details in der gemeinsamen Bearbeitung. So arbeiten wir heuer beispielsweise am einfachen Vertragsabschluss. In der Zusammenarbeit mit Renault/ Nissan, die es seit fünf Jahren gibt, ist es uns gelungen, das Geschäft mit den aktiven Händlern auszubauen. Erfreulich: Bei beiden Kooperationen konnten wir 2017 und Anfang 2018 steigendes Neugeschäft sehen. Das macht natürlich Spaß! Und ich möchte noch einen dritten Punkt ergänzen: Auch die Zusammenarbeit mit dem Ford-Partnerverband läuft sehr erfolgreich. AH: Beim AUTOHAUS Versicherungs-Monitor 2017/2018 haben Sie sich gemeinsam mit der MKG Bank (Mitsubishi) bei den "Kleinen Importfabrikaten" die Top-Platzierung geholt, eine traditionell heftig umkämpfte Kategorie. Welche Anstrengungen hatten Sie im Vorfeld unternommen, um diesen Erfolg verbuchen zu können? P. Meier: Über die Auszeichnung, die wir gemeinsam mit der MKG Bank gewinnen konnten, haben wir uns natürlich außerordentlich gefreut. Das Erfolgsgeheimnis ist die Summe der langjährigen, vielzähligen Aktivitäten, die wir hier haben. Exemplarisch dafür stehen die regelmäßigen Kooperationsgespräche. Aber auch das engagierte Team der MKG Bank, unsere Mitarbeiter und die persönliche Ebene sind ein weiterer Erfolgsfaktor. Gerade in der immer digitaler werdenden Welt. AH: Wo sehen Sie nach der Auswertung dieser Händlerbefragung die größten Stellschrauben? P. Meier: Ich denke, dass wir uns bei der Qualität und Häufigkeit von Sonderaktionen und bei der Erreichbarkeit und Zuverlässigkeit von Anfragen immer weiter verbessern können. Vielleicht auch mit der Unterstützung der neuen Technik. Wenn es uns gelingt, am Point of Sale die Abschlussmöglichkeit viel zielgenauer hinzubekommen und einfacher darzustellen, dann bekommen wir schon wieder einen großen Schub. AH: Jetzt wäre eine gute Möglichkeit, noch einmal für die Vorteile des Versicherungsverkaufs in Autohäusern zu werben. Welche Pro-Argumente sollten sich die Unternehmer durch den Kopf gehen lassen? P. Meier: Grundsätzlich merken wir, dass es wieder einen Trend zum Versicherungsverkauf im Autohaus gibt - wie es der VersicherungsMonitor zeigt. Dabei konnten wir auch ehemalige Partner wieder zurückgewinnen. Denn wir spielen drei Themen perfekt: Schadenrückführung, Schadenrückführung und Schadenrückführung! Das ist das entscheidende Stichwort. Da unterscheidet sich unsere Position am Markt deutlich von der HUK. Wir sind der Partner des Kfz-Gewerbes, im Schadenfall bringen wir die Unfallfahrzeuge über unser Nürnberger-Servicepartner-Netz zum Händler zurück, der die Nürnberger Autoversicherung vermittelt hat. Der Händler hat es dann selber in der Hand, wie gut er seine Werkstatt auslastet. Und das zu fairen Konditionen für alle Beteiligten. Die Händler erkennen dies wieder und danken es mit einer Intensivierung der Zusammenarbeit, sprich mehr Zuführungen bei der Autoversicherung. Wir haben für das Thema die Nürnberger Servicepartner-Schadengarantie ausgesprochen, das heißt, wir garantieren die Rückführung. AH: Kommen wir zum 2018er-Automarkt: Die Prognosen sehen ja ziemlich gut aus. Das spielt Ihnen doch in die Karten, wenn es ums Neugeschäft bei den Kfz-Versicherungen geht? P. Meier: Absolut! Der ZDK erwartet ja 2018 3,4 bis 3,5 Millionen Neuzulassungen, was dem Niveau von 2017 entspricht. Vielleicht wird es sogar ein bisschen mehr. Ähnlich sieht es beim Gebrauchtwagenmarkt aus - 7,2 bis 7,4 Millionen Besitzumschreibungen. Natürlich wollen auch wir in diesem Jahr sowohl mit unseren starken Produkten als auch mit unseren Partnern in den Autohäusern diese Chancen nutzen und - ähnlich wie 2017 - wachsen. AH: Herr Meier, vielen Dank für das informative Gespräch! Interview: Patrick Neumann Im Fokus Den Start-ups gut zuhören: Die Nürnberger Versicherung diskutiert aktuell konkrete Ansätze im Bereich in der Antragsbearbeitung. Themen sind beispielsweise die Bilderkennung und die digitalisierte Schadenbearbeitung.

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