Ausgabe 01-02/2012: Was für ein Kunde ist das?

Was für ein Kunde ist das?Verkäufer-Know-HOw E Wie Verkäufer ihren Umsatz steigern und sich vor Burnout schützen können. Von Manfred Schönebeck *Haben Sie schon mal die vielen Erlebnisse, die Sie bisher mit Kunden hatten, vor Ihrem geistigen Auge aufgereiht und versucht, typische Muster darin zu erkennen? Ich habe über 400 Autoverkäufer von drei Automarken in sechs Ländern dazu befragt und mir (als Psychotherapeut) Freud und Leid des Berufs in mindestens 2.000 Geschichten erklären lassen. In jedem Verkäufer steckt ein enormes Erfahrungswissen über Kunden. Jeder entwickelt daraus seine eigene Kundentypologie. Da gibt es dann ganz spontane Bezeichnungen solcher Kundentypen, wie „Der Nette“, „Das Ekel“, „Der Anspruchsvolle“, „Der Angeber“ oder auch „Der Überraschende“, um nur einige zu nennen.Ich habe mir viele Geschichten, die diese persönlichen Typologien bebildern, erzählen lassen und dann versucht, mit einer Gruppe von Wissenschaftlern daraus eine Typologie zu entwickeln, die all dieses enorme Erfahrungswissen bündelt, leicht verständlich und für den Alltag nutzbar macht. Kunden-KommunikationsanspruchsmatrixHerausgekommen ist eine verblüffend einfache Kunden-Kommunikationsanspruchsmatrix. Auf dem nach oben gehenden Pfeil steht „Kaufabsicht“ und hinter dem nach rechts zeigenden Pfeil „Produktkenntnis“. Vielleicht zweifeln Sie, ob es wirklich nur diese beiden Größen sind, die einen Kunden treffend charakterisieren. Die Antwort ist: Wir haben keine weiteren gefunden.Theoretisch könnten wir jetzt beliebig Punkte in das Koordinatensystem einzeichnen. Jeder dieser Punkte steht für einen bestimmten Kunden und wir können links sehen, wie hoch seine Kaufabsicht ist, und unten ablesen, mit welcher Produktkenntnis er vor Ihnen steht. Im Wesentlichen können wir die Kundschaft dabei in vier Typen einteilen: „der Unsichere“, „der Einsame“, „der Narzisst“ und „der Eilige“. Es sind die Ansprüche Ihrer Kunden an die Kommunikation mit Ihnen, die Ihnen zu schaffen machen können – oder eben auch nicht, wenn Sie sie erkennen und bedienen. Das ist übrigens leichter getan, als gesagt! Es bündelt eigentlich nur Ihre bereits vorhandenen Erfahrungen in einem einfacheren (weil abstrakteren) Erkenntnis-Muster. Der UnsichereSchauen Sie auf die Matrix, auf das linke obere Viertel. „Der Unsichere“ hat eine hohe Kaufabsicht, aber niedrige Produktkenntnis. Ihm fehlt noch die richtige Begründung für die vorhandene Kaufabsicht. Wenn Sie ihm nun aber die Vorzüge und Nachteile verschiedener Produkte erklären, um seine Entscheidung zu erleichtern, gehen Sie den falschen Weg. Er ist ja nicht zu Ihnen gekommen, um zu lernen, sondern mit der Entscheidung, ein Auto zu kaufen. Falsch wäre es, mit diesem Kunden ins Spiel zu ziehen: „Ich verkaufe dir erst ein Auto, wenn du dir angehört hast, was ich alles über Autos weiß!“ Das will übrigens keiner. Je mehr technische Details dieser Kundentyp für seine Entscheidung erfährt, desto unsicherer wird er. Der Eilige und der Narzisst„Der Eilige“ hat eine hohe Kaufabsicht und eine hohe Produktkenntnis. Es gibt Kollegen unter Ihnen, die haben eine Nase für den „Eiligen“: Den schnappen sie sich. Vor den anderen flüchten sie lieber. Besonders vor dem „Narzissten“, der wie ein Käufer auftritt, aber keiner ist. Er hat eine niedrige Kaufabsicht, aber so hohe Produktkenntnis, dass Sie denken: „Na, der muss doch kaufen wollen!“ Leider geraten Sie aber mit diesem Kundentypen oft in turbulentes Gefühlsgerangel. Er mag nicht, wenn Sie etwas besser wissen als er, und Sie haben Angst, Inkompetenz zu zeigen und eine Beschwerde beim Geschäftsführer oder noch Schlimmeres einzufangen. Nun kämpfen Sie um Ihr Leben. Das dauert und macht Bauchschmerzen. Noch abends stellen Sie sich diesen Kunden vor und versuchen immer wieder, der Sieger des Gesprächs zu sein. Erfolglos. Es geht schließlich nicht um Sieg in einem Gespräch, sondern darum, ein Auto zu verkaufen. Zum richtigen Umgang mit dem Narzissten auch später mehr. Der Einsame„Der Einsame“ hat keine Kaufabsicht und gegen Null gehende Produktkenntnis. Was will er also bei Ihnen? Natürlich: Reden. Über Gott und die Welt. Sie erkennen ihn an der Mühe, die er Ihnen bereitet – zwischen spontaner Sympathie und abschweifendem Interesse. Aber weil Sie das Gefühl haben, er mag Sie, denken Sie, Sie hätten ihn. Falsch! Er will gar kein Auto kaufen.Was tun?Was aber ist zum erfolgreichen Bedienen dieser vier Kundentypen zu sagen? Zunächst mal eines – es sind immer nur Momentan-Typologien. Jeder von uns ist schon mal in einer dieser Rollen vor einen Verkäufer getreten. Es handelt sich also nicht um Persönlichkeitsmerkmale, sondern um Erwartungen in einer ganz konkreten Situation. Auch wenn der Narzisst hier schlecht wegzukommen scheint: Wenn Sie ihn richtig behandeln, wird er Sie schätzen und genau zu Ihnen zurückkommen, wenn er wirklich mal eine hohe Kaufabsicht hat. Der Narzisst ist einfach auch nur ein „momentan Einsamer“, der aber eine ganz bestimmte Art von Bestätigung sucht – über sein Fachwissen.Er kommt zu Ihnen, um dafür gelobt zu werden, wie ein Schüler zu seinem Professor. Das höchste Lob für den Narzissten ist, wenn Sie ihn für seine Fachkenntnisse, die klugen Gedanken, die er sich gemacht hat, und die Zusammenhänge, die er sieht, loben. Den Satz „Da haben Sie recht!“ hört er am liebsten. Selbst der Satz „Da kann ja sogar ich noch von Ihnen lernen!“ wird außerordentlich gern gehört und führt keineswegs zu einer Beschwerde wegen mangelnder Fachkompetenz. Falls doch, sollte Ihr Chef Sie hinterher allerdings wegen Ihrer hohen Sozialkompetenz loben. Den Narzissten lobenWenn Sie also dem Narzissten mit Unterordnung begegnen und ihn damit erhöhen, erfüllen Sie zu 100 Prozent sein Bedürfnis. Falls er dann auch noch ausreichend Geld zu viel hat, kauft er sogar als Anerkennung Ihrer Leistung noch irgendwas aus dem Beisortiment. Manchmal sogar ein Auto. Aber das ist eher selten und dann auch nur eine Übersprungshandlung. Normalerweise kauft der Narzisst nicht. Aber er wird sich Ihr Autohaus und vielleicht sogar Sie selbst merken. Geben Sie ihm ein paar Visitenkarten mit, er wird Sie überall als „sachkundigen Verkäufer“ weiterempfehlen.Es ist paradox: Der Narzisst bewertet Sie als klug und fachkompetent, wenn Sie seine Überlegenheit in Sachen Produktkenntnis bedingungslos akzeptieren und rückmelden.Nicht ausmalen muss ich Ihnen die Situation, wenn Sie einen Narzissten nicht erkennen und mit ihm in den Wettbewerb steigen, wer hier mehr weiß… Dann haben Sie danach ein Gefühl in der Magengrube, als würde der Schleudergang eingelegt sein. Wenn Sie mit Ihrem Fachwissen geglänzt, den Kunden ab und zu und dann auch gern öfter korrigiert und ihm letztlich gezeigt haben, dass Sie die Fachkraft sind, haben Sie ihn ebenso frustriert wie er Sie.Nicht zu viele FaktenÄhnlich heikel, für Sie persönlich nicht so riskant, aber für den Inhaber Ihres Autohauses existentiell, ist die Falschbehandlung des „Unsicheren“ und des „Eiligen“. Beide kommen ja mit hoher Kaufabsicht zu Ihnen und können nur durch Ihre Mühe davon abgehalten werden.Der „Eilige“ will nämlich Tempo im Verkaufsprozess. Er weiß, was er will, und möchte den Kaufvertrag möglichst sofort unterschreiben. Er möchte weder auf die CSI-Befragung eingeschult noch über die Vorzüge anderer Modelle oder die verdeckten Vorteile des von ihm präferierten Fabrikats aufgeklärt werden. Er will schnell wieder raus. Für ihn ist seine Produktkenntnis ausreichend und seine Kaufabsicht so hoch, dass er auf den Punkt kommen möchte – mit Ihnen als schnellem und effizientem Vertragspartner. Vergraulen Sie ihn nicht!Orientierung bietenDer „Unsichere“ möchte Sie für ausreichend kompetent halten, dass er sich auf Ihre Führung verlassen kann. Er sucht Orientierung, entweder „Die beliebteste Konfiguration ist …“ oder „Ich persönlich raten Ihnen zu diesem Modell“ oder „Mit dem werden Sie viel Freude/Fahrspaß/Sicherheit … haben!“Der Unsichere hasst eine Lektion in Autotechnik und Parameterkunde. Es macht seine Entscheidung nicht einfacher, sondern nur noch schwerer. Er will ein Auto Ihrer Marke, ein gutes, das zu ihm passt. Ein Hutverkäufer liebt diesen Kundentyp. Aufsetzen, Probe fahren, merken, ob es passt. Wenn nicht, diese Rückmeldung geben und ein anderes Modell probieren. Fakt ist, er geht nicht ohne Kaufvertrag, wenn alles richtig läuft, wenn Sie ihn entlasten und nicht mit Ihrem Fachwissen belasten.FazitSie sparen eine Menge Kunden-Kontakt-Zeit, wenn Sie sich richtig um den Unsicheren und den Eiligen kümmern. Wenn Sie dann in der so gewonnenen Zeit auch noch den Einsamen und den Narzissten richtig erkennen und bedürfnisgerecht bedienen, schaffen Sie sich zukünftige Kunden. Der Einsame kann durchaus so entspannend wie ein Pausenplausch sein und Ihnen neue Kraft geben. Der Narzisst gibt Ihnen auch Anerkennung, wenn Sie sich ihm unterordnen, und beide werden wiederkommen, wenn sie mal ein Auto kaufen wollen. zKurzfassungManfred Schönebeck erklärt in einer verblüffend einfachen „Kunden-Kommunikationsanspruchsmatrix“, welche Arten von Kunden es gibt und wie der Verkäufer am besten damit umgehen kann, um sich Zeit und Nerven zu sparen und so viele Abschlüsse wie möglich zu tätigen. * Manfred Schönebeck ist Diplompsychologe und Kommunikationswissenschaftler, Kanzler der Carl Benz Academy (Bejing) und Institutsdirektor der Internationalen Akademie (INA) an der Freien Universität Berlin.

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