Datenbasierte Dienste: "Werkstätten fit machen"

Der Automobilwirtschaft stehen künftig immer mehr Daten zur Verfügung. Wie sich diese im Aftermarket - auch von Werkstätten - nutzen lassen und was Continental dazu beitragen kann, erklärt Peter Wagner, Geschäftsführer Continental Aftermarket GmbH, im Interview. AH: Herr Wagner, wie beurteilen Sie das Aftermarket-Geschäft insgesamt? P. Wagner: Unser Aftermarket-Geschäft ist in den vergangenen Jahren weltweit deutlich über der Marktentwicklung gewachsen. Continental hat dabei auf neue Produkte und Qualität gesetzt. Wir haben mit den Produkten der Marken ATE und VDO zugelegt. Hier hilft uns auch die zunehmende Elektrifizierung des Automobils. So hat sich zum Beispiel der Bereich RDKS gut entwickelt. Hinzu kam, dass sich einige Länder nach der Finanzkrise wirtschaftlich wieder erholt haben bzw. dabei sind, beispielsweise in Südeuropa oder in Russland. Schwierig ist es weiterhin allerdings in Lateinamerika. AH: Wo liegt das Wachstumspotenzial der Zukunft? P. Wagner: Das Thema Digitalisierung und die damit möglichen Services werden eine wichtige Rolle spielen. Wachstumschancen sehe ich zum Beispiel bei datenbasierten Diensten wie unserer "Remote Vehicle Data Plattform" (RVD). Hier geht es darum, die Daten aus dem Auto nutzbar zu machen. Man bekommt die Daten über einen Dongel oder ab 2018 über ecall. Dann werden viele der Neuzulassungen mit Telematikeinheiten ausgestattet. Hier kann eine zweite Telematikeinheit neben dem eigentlichen ecall Daten senden. Diese Daten machen dann die Hersteller entsprechend der Vereinbarungen zugänglich. Klar ist, dass ich außer bei vom Fahrzeug generierten Daten die Zustimmung des Fahrers benötige. AH: Wie bekommt dann die Werkstatt den Zugriff auf diese Daten? P. Wagner: Hinsichtlich der Dongellösung unterstützen wir beispielsweise Bestrebungen der Branche, einen neutralen Server aufzubauen. Das sichert beispielsweise den freien Werkstätten die Möglichkeit, auf diese Daten zuzugreifen. Um im Service erfolgreich zu sein, brauchen aber künftig auch die Fabrikatswerkstätten den Zugriff auf diese Daten. Gerade die Vertreter von Importmarken müssen sich verstärkt auf mehrere Marken konzentrieren. RVD ist eine Möglichkeit für Werkstatt und Handel, am Reparaturrouting teilzunehmen. Aber auch beim Reparaturservice am Auto bieten wir Lösungen an, die den Service am Fahrzeug vereinfachen. Mit unserem Servicegerät Autodiagnos Check lassen sich Fehlercodes und Daten auf Knopfdruck auslesen und zurücksetzen. Ich muss dafür dann kein aufwendiges Diagnosetool hochfahren. Wir sichern damit unseren Markt und den unserer Kunden ab. AH: Wer kauft RVD, die einzelne Werkstatt ist dazu wohl nicht in der Lage? P. Wagner: Da gibt es viele mögliche Nutzer, beispielsweise Teilehändler, Werkstattketten, Automobilhersteller, Autohändler, Flottenbetreiber, Reparaturwerkstätten, Versicherungsgesellschaften sowie Autovermieter und Carsharing-Anbieter. Einer der ersten Kunden war der Ersatzteilhändler Matthies, dem wir eine komplette Lösung von den Dongles über das Gerätemanagement bis hin zum Backend geliefert haben. Mit unserer Lösung können wir also für Millionen noch nicht vernetzter Fahrzeuge mit OBD-Schnittstelle entsprechende Services anbieten. Seit 1999 gibt es die Schnittstelle. Hier geht es für die Werkstätten darum, auf die Daten dieses großen Fuhrparks zugreifen zu können. Wir sind mit dieser Technologie eines der wenigen Unternehmen, die der Werkstatt die Chance bieten, auch künftig an den Wartungs- und Reparaturströmen teilzuhaben - mit standardisiert herstellerspezifischen Daten in hoher Abdeckung und einer sehr flexiblen Lösung, die dem Kunden genau das bietet, was er benötigt. Der Zugang zu den Daten schafft Kundenbindung und ist ein Beitrag zur Zukunftssicherung. Darum geht es ja letztlich: Die Werkstätten fit für die Zukunft zu machen, die immer digitaler wird. Gleichzeitig sind wir zu den OEM-Werkstätten kein Wettbewerber. Ältere Fahrzeuge werden nun mal hauptsächlich vom freien Markt betreut. Damit garantieren wir aber, das qualitativ hochwertige Teile eingebaut werden. Das liegt auch im Interesse des Herstellers. AH: Wie läuft hier die Zusammenarbeit Conti, Matthies und Werkstatt? Der Dongle muss ja auch bezahlt werden. P. Wagner: Wir sind gerade dabei, das Projekt umzusetzen, und haben bisher 1.000 Dongels ausgeliefert. Der Teilehändler sucht sich derzeit die Werkstätten aus. Um die Preisgestaltung kümmert sich Matthies als Inhaber des Geschäftsmodells. Es geht auch darum, einen Datenfundus zu schaffen, um Big Data überhaupt betreiben zu können. AH: Der Dongle läuft zunächst über Bluetooth aufs Smartphone. Warum nicht gleich über GSM, also über das Handynetz? P. Wagner: Weil es eine kostengünstige Lösung zur Pilotierung ist. Wir sind gerade dabei, eine GSM-Lösung zu erarbeiten, die wir im Laufe des kommenden Jahres vorstellen werden. AH: Welche Daten werden künftig geliefert? P. Wagner: Wir greifen teilweise auch auf die Steuergeräte zu und erhalten so mehr Daten als die, die von der OBD-Schnittstelle geliefert werden. In Summe - gesetzlich vorgeschriebene und herstellerspezifische Daten zusammengenommen - sind das 190 verschiedene Parameter. Uns interessieren vor allem die herstellerspezifischen Daten wie Kilometerstände, Tankfüllstände sowie servicerelevante Informationen, etwa dynamische Serviceintervalle, und je nach Hersteller auch Bremsenverschleiß, Ölfüllstand und dazugehörige Fehlercodes. Gerade in solchen Daten liegt ein großer Mehrwert für die Kunden. AH: Wie erreicht man, dass nur Conti zugreift und das System nicht gehackt werden kann? P. Wagner: Wir legen einen sehr hohen Wert auf Sicherheit der Kundendaten. Vom Ansatz her minimieren wir die Fläche für einen Angriff und setzen auf verschiedene Best Practices, wie sie Unternehmen in der IT-Industrie verwenden. Die Daten sind von ihrer Erhebung im Auto über den Datentransfer bis hin zu ihrer Speicherung im Backend auf verschiedene Art und Weise vor unbefugtem Zugriff gesichert. So haben wir einen mehrfachen Schutz vor unbefugtem Zugriff. Wir haben dazu Sicherheitsexperten aus der Finanzbranche eingestellt, die ja bekanntlich ein besonders hohes Sicherheitsniveau hat. AH: Wie soll der Kunde als Autofahrer motiviert werden, um den Dongle einsetzen zu lassen? P. Wagner: Zunächst einmal: Die Barrieren für den Eintritt sollten gering sein, d. h. es darf möglichst kein oder nur wenig Geld kosten. Dann muss es sich für den Autofahrer in irgendeiner Form lohnen, also einen klar verständlichen Vorteil für ihn haben - sei es Zeit- oder natürlich Geldersparnis, oder ein besserer Service. Und das "wofür?", also der Zweck der Verwendung seiner Daten, muss glasklar sein. Dann ist er auch bereit, seine Daten herzugeben. AH: Welche Services werden dann dem Kunden im Auto angeboten? P. Wagner: Daten sind Wissen. Die Werkstatt kann ihre Kunden mit diesem Wissen viel gezielter bedienen, damit die Kundenbindung und auch ihre eigene Effizienz steigern. Die Möglichkeiten sind fast unbegrenzt - sie reichen von vergünstigten saisonalen Angeboten für den Endkunden, schnellerer Reparatur, weil sich Ersatzteile schneller beschaffen lassen und Termine schneller ausmachen lassen, bis hin zu reduzierten Stillstandzeiten bei Flottenkunden. AH: Was tut sich aktuell im Reifengeschäft? P. Wagner: Wir stellen fest, dass der Reifenhandel immer größere Probleme hat, seine Umsätze abzusichern. Hier gibt es Möglichkeiten, den Handel mit entsprechenden Konzepten zu unterstützen - beispielsweise können Reifenhändler mit den entsprechenden Schulungen und Zertifizierungen Werkstattpartner unserer ATE BremsenCenter und auch VDO ElektronikPartner werden - so gibt es in Vergölst Shops schon einige ATE BremsenCenter. Die Werkstätten haben es dagegen leichter, den Reifen im Service zu integrieren. Hier arbeiten wir an Konzepten, um den Werkstätten das Thema näher zu bringen. AH: Welche Konzepte sind das? P. Wagner: Daran arbeiten wir gerade, lassen Sie sich überraschen. Als einer der größten Reifenhersteller der Welt liegt das Thema in unserer Genetik. Da haben wir eine natürliche Kompetenz im Haus. AH: Herr Wagner, herzlichen Dank für das Gespräch. Interview: Ralph M. Meunzel Fahrzeugdaten für alle Continental hat seine "Remote Vehicle Data Plattform" (RVD) im Juni in Betrieb genommen und will damit eine Grundlage für innovative vernetzte Dienste anbieten. Die Plattform ermöglicht den Zugang zu standardisierten Fahrzeugdaten vieler Marken und Modelle, sagt der Zulieferer. Mit verschiedenen Optionen für einfach nachrüstbare Hardware, wie beispielsweise einen Bluetooth-Dongle für die OBD-II-Schnittstelle, soll die "Remote Vehicle Data Plattform" konnektivitätsbasierte Dienste auch für Millionen noch nicht vernetzter Fahrzeuge ermöglichen.Die Verbindung kann über verschiedene Hardware-Optionen erfolgen und richtet sich an eine große Bandbreite potenzieller Kunden. RVD fügt sich damit nahtlos in die modular aufgebauten Cloud-Lösungen von Continental für konnektivitätsbasierte Dienste ein. Die cloudbasierte Architektur soll es möglich machen, sich äußerst flexibel an unterschiedlichste Kunden-Anwendungen anzupassen.Mit dem breiten Portfolio von Continental sollen sich in Zukunft zahlreiche Services und Geschäftsmodelle realisieren lassen. Der Anbieter spricht von Customer Relationship Management, Positionsbestimmung, Geofencing sowie der Fernzugriff auf Fahrzeuge zu Diagnosezwecken oder für Flottenmanagement.

Maserati wird elektrisch: Blitz ohne Donner

Mazda CX-80: Eine Nummer größer

Pkw-Markt: Oster-Minus in Europa

Elektromobilität: Kia und e-mobilio kooperieren langfristig

Werk Grünheide: Tesla reduziert Zahl der Leiharbeiter

Alle Schlagzeilen

Datenbasierte Dienste: "Werkstätten fit machen"

WEITERLESEN

NEWSLETTER