AVAG Gruppe: "Wir müssen uns noch stärker professionalisieren"

Die großen deutschen Autohandelsgruppen sind weiter mit hohem Wachstumstempo unterwegs. Im vergangenen Jahr konnten die Mega-Dealer stärker wachsen als der Gesamtmarkt. Der Neuwagenabsatz der 20 größten Gruppen erhöhte sich 2016 um 6,1 Prozent, ermittelte der Marktbeobachter IFA. Ganz vorne dabei sieht die Studie "Top 100 Händlergruppen in Deutschland 2016" die AVAG. Zum 25-jährigen Jubiläum legten die Augsburger 2015/2016 stärker zu als erwartet. So kletterte der Umsatz auf 1,86 Milliarden Euro, die Umsatzrendite erhöhte sich auf rund zwei Prozent. Auch mit dem aktuellen Geschäftsjahr ist die Führungsmannschaft um Roman und Albert C. Still zufrieden. Wie sich das Unternehmen zuletzt entwickelt hat und wo die großen Herausforderungen liegen, erklären die beiden Vorstandssprecher gemeinsam mit ihrem Vater, dem Aufsichtsratsvorsitzenden Albert Still senior, im Gespräch mit AUTO-HAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel. AH: Wie hat sich die AVAG im vergangenen Geschäftsjahr, also bis zum 31. August entwickelt? R. Still: Zahlen können wir noch nicht veröffentlichen. Es war aber ein ordentliches Jahr. Mit einem vernünftigen Ergebnis. Beim Umsatz haben wir die Zwei-Milliarden-Euro-Grenze überschritten. AH: Der Ertrag ist leicht gesunken. Was sind die Ursachen? R. Still: Das liegt an der Performance des Gebrauchtwagen-Geschäfts. Hier spielen unter anderem die Faktoren Einkaufspolitik und Dieselkrise eine Rolle. AH: Ist das GW-Geschäft zentral organisiert? A. Still: Grundsätzlich obliegt das GW-Geschäft unseren eigenständigen Betrieben. Wir haben aber Einkäufer, die für alle einkaufen bzw. Angebote einholen und die Ware dann den zuständigen Verantwortlichen in unseren Autohäusern anbieten. Das sind ca. 4.500 Autos per anno. Starkes Neuwagengeschäft AH: Wie viele Autos hat die AVAG im abgelaufenen Geschäftsjahr verkauft? R. Still: Ungefähr 120.000 Autos, davon 58.000 Gebrauchtwagen. Wir sind also weiterhin ein starker Neuwagenhändler. Die stärkste Marke ist weiterhin Opel und damit sind wir auch sehr gut gewachsen. Wir sind mit der Entwicklung sehr zufrieden. A. Still: Wir haben uns auch mit Ford gut entwickelt. Die Marke ist stabil und der Auftragsbestand doppelt so hoch wie im Vorjahr. Aufgrund der Lieferprobleme konnten wir uns allerdings nicht steigern. Toyota/Lexus sind auch auf einem sehr guten Weg. Die Kunden entscheiden sich für einen Hybrid, wenn er günstig ist. Im Neuwagenbereich sind wir mit der Entwicklung von allen Marken sehr zufrieden. Auf Platz vier und fünf, von den Verkäufen her betrachtet, folgen Nissan und Hyundai. AH: Wo verdient man mehr Geld, im Verkauf oder im Service? A. Still: Man braucht beides. Wir verdienen nur Geld, wenn Neu- und Gebrauchtwagen, Teile und Service gleichzeitig funktionieren. Der steigende Neuwagenmarkt hilft uns zu wachsen. Die verkauften Autos bringen uns aber Serviceumsätze und die damit verbundene Kundenbindung. Wir haben eine sehr gute Werkstattauslastung. Loyalität durch Leasing AH: Wie schafft man Kundenloyalität? R. Still: Indem wir unter anderem auf Leasing im Neu- und GW-Geschäft auch beim Privatkunden setzen. Unsere Betriebe erreichen beim Leasing Penetrationsraten zwischen 40 und 80 Prozent. Im Paket "Big Deal" ist die kostenlose Inspektion für drei Jahre und unsere hauseigene GW-Garantie enthalten, die wir schon seit 1990 anbieten. Wenn der Kunde zufrieden ist, kommt er immer zum Händler, bei dem er gekauft hat. Wir betreuen inzwischen über 100.000 Kunden über unser Loyalitätsprogramm. AH: Große Händler verfügen in der Regel über eine geringere Kundenzufriedenheit. R. Still: Unsere geschäftsführenden Gesellschafter agieren wie Familienbetriebe. Der Kunde hat hier jahrelang immer einen bekannten Ansprechpartner. Das schafft Vertrauen. A. Still senior: Dieses System haben wir bereits in den 80er Jahren eingeführt und immer beibehalten. Bei jedem Investment suchen wir uns einen geschäftsführenden Gesellschafter, wenn möglich aus der bestehenden Belegschaft. Innerhalb von drei Jahren streben wir dann eine Beteiligung des Geschäftsführers an. Wir haben das in fast allen GmbHs realisiert. Das erfordert natürlich Disziplin und die Fähigkeit zur Diskussion auf Augenhöhe mit unseren Geschäftsführern. AH: Wie sieht die Wachstumsstrategie der AVAG aus? A. Still: Es gibt keine gezielte Wachstumsstrategie. Wenn uns von einem Kollegen oder Hersteller etwas angeboten wird, dann wehren wir uns aber nicht dagegen. Sofern wir das Gefühl haben, dass wir die Aufgabe lösen können und das Angebotene zu uns passt. AH: Hat man sich vor 15 Jahren schon vorstellen können, wohin die Reise geht? A. Still senior: Vor 15 Jahren hatten wir die Milliarden-DM-Grenze schon erreicht. Das Umsatzvolumen war aber kein Ziel an sich. Organisches Wachstum war sicher geplant. Die wirklichen Veränderungen stehen uns aber noch bevor. Deshalb bin ich froh, zwei so kompetente Söhne zu haben, die das operative Geschäft führen und die Anforderungen so perfekt lösen. Opel und PSA AH: Wie beurteilt der größte Opel- Händler die Übernahme von PSA? R. Still: Wir sehen diese Entwicklung als positiv. Wir glauben, dass man mit mehreren gleichen Modelle, wie bei Volkswagen, Entwicklungs- und Produktionskosten einsparen kann. Opel kann sich künftig mit PSA skalieren. PSA hat sich herausragend entwickelt. Das wäre auch ein Weg für Opel. A. Still: Wir brauchen preiswertere und qualitativ hochwertige Produkte von unseren Vertragspartnern. AH: Also künftig Peugeot und Citröen von Still? A. Still: Wenn der Hauptpartner das möchte und wir damit Geld verdienen, gerne. Was wir übrigens in Ljubljana mit Autotehna sowie in Split und Osijek bereits tun! AH: Wie hat sich das Auslandsgeschäft (Polen, Österreich, Ungarn, Slowenien, Kroatien und Serbien) insgesamt entwickelt? A. Still: Der Ertrag hat sich im vergangenen Geschäftsjahr positiv entwickelt und schon 2015/16 gab es ein Rekordjahr. Fokus auf den Online-Vertrieb AH: Wie kam es zum "CAYU"-Shop in Stuttgart? R. Still: Opel hat mit uns gemeinsam das Konzept "Verkauf in der Mall" entwickelt in Verbindung mit der Möglichkeit, online zu kaufen. Das hat uns so weit überzeugt, dass wir investiert haben. Wir treffen damit Kunden, die nicht in ein Autohaus gehen, und Kunden, die die Marke Opel bzw. deren Produkte nicht kennen. Die zweite Idee ist die Fokussierung auf den Online-Vertrieb. Es gibt bei CAYU Berater, die den Online-Prozess erklären. Der Kunde kann dann online sein neues Auto kaufen und das alte Fahrzeug auch online in Zahlung geben. Es gibt nur Leasing oder Barkauf. AH: Ist die Existenzangst des Handels hinsichtlich Digitalisierung nachvollziehbar? R. Still: Selbstverständlich. Vor allem dann, wenn dies zu Direktverkäufen bei den Herstellern führt. Dann wird das Geschäftsmodell unkalkulierbar. Wir gehen aber davon aus, mit unseren Herstellern gemeinsame Lösungen zu finden. Letztlich werden sich der klassische Verkauf und der Onlineverkauf mischen, und es braucht eine sehr gute lokale Umsetzung der Vertriebsaktivitäten, um alle Marktund Markenpotentiale auszuschöpfen. AH: Tesla macht es ohne Händler? A. Still senior: Bei den homöopathischen Mengen ist das auch machbar. Mal sehen, was passiert, wenn der Volumendruck steigt. AH: Wie weit sind die Importbestrebungen für China? A. Still: Wir sind mit dem Vertrieb von DFSK Kleinnutzfahrzeuge (Minitrucks), also dem PSA-Partner Dongfeng, in Österreich gestartet. Wir wollen damit zunächst Erfahrungen sammeln. Digitalisierung in den Griff bekommen AH: Was sind die aktuellen Herausforderungen für die AVAG? R. Still: Künftig geht es darum, den Digitalisierungsprozess in den Griff zu bekommen. Wir müssen uns aufgrund der Entwicklung des Vertriebs zum Multichannel noch stärker professionalisieren. Außerdem ist entscheidend, in welche Richtung sich die Mobilität entwickelt und wie wir unsere Leute darauf einstellen. Autos müssen immer repariert werden. Wenn der Schwerpunkt auf E-Mobilität gelegt wird, braucht man andere Werkstätten als bei der Brennstoffzelle. Hier müssen sich auch die Hersteller äußern, wie das künftige Investment ausschauen soll. Denken Sie nur an Virtual Reality. Wie groß müssen künftige Showrooms sein und wie muss die Ladeinfrastruktur ausschauen? AH: Meine Herren, herzlichen Dank für das Gespräch! Interview: Ralph M. Meunzel Kurzfassung Die AVAG ist mit dem aktuellen Geschäftsjahr zufrieden. Beim Umsatz wurde die Zwei-Milliarden-Euro-Grenze überschritten. Künftig geht es darum, den Digitalisierungsprozess in den Griff zu bekommen. Aufgrund der Entwicklung des Vertriebs zum Multichannel will sich der Mega- Dealer weiter professionalisieren. AVAG Holding Die AVAG Holding ist eine der führenden Automobilhandelsgruppen in Europa. Drei Zwischenholdinggesellschaften (DIO, DIA, AVI) koordinieren die Handelsaktivitäten. In Summe gehören 54 Autohäuser mit 167 Standorten zum Verbund. Neben dem Heimatmarkt Deutschland ist das Familienunternehmen in Österreich, Kroatien, Polen, Ungarn, Serbien und Slowenien aktiv. Insgesamt werden 4.300 Mitarbeiter beschäftigt. Das Portfolio reicht vom Stammfabrikat Opel über Ford bis hin zu den Importmarken Toyota/Lexus, Nissan, Hyundai, Kia, Honda, Subaru, Suzuki, Dacia, Peugeot, Citroën, Alfa Romeo und Volvo. In der Studie "Top 100 Händlergruppen in Deutschland 2016", die das Institut für Automobilwirtschaft (IFA) in Geislingen veröffentlicht, gelang der AVAG Holding erstmals der Sprung an die Spitze des Neuwagen-Rankings. Die Augsburger verkauften im Geschäftsjahr 2016 55.816 Fahrzeuge, das entsprach einem Plus von 14,5 Prozent.

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