Opel: "Wir sind eine nahbare Marke"

Ulrich Selzer ist Direktor Vertrieb, Marketing und Aftersales Deutschland der Opel Automobile GmbH. Im Interview spricht er über Marke und Modelle, die Herausforderungen für die Automobilwirtschaft und die Zusammenarbeit mit dem Handel. AH: Herr Selzer, wie ist Ihr persönlicher Eindruck von der Marke? U. Selzer: Wir sind bestens für die Zukunft aufgestellt. Die betriebswirtschaftliche Performance ist positiv. Wir haben jetzt das dritte Halbjahr mit schwarzen Zahlen abgeschlossen - und so als Unternehmen mehr als 1,5 Milliarden Euro Betriebsgewinn erwirtschaftet - und der Ausblick ist ebenfalls sehr positiv. Wir haben im Rahmen des "PACE!"-Plans angekündigt, dass wir im Jahr 2026 eine operative Marge von sechs Prozent schaffen möchten. Und wir sind auf einem guten Weg, das bereits in diesem Jahr zu erreichen. Wir verfügen zudem aktuell und auch in Zukunft über eine hervorragende Fahrzeugpalette. Nach Jahrzehnten schlechter Nachrichten über Opel geht es jetzt darum, die erfreuliche Entwicklung noch mehr in den Vordergrund zu stellen. Das sehe ich auch als meine Aufgabe. AH: In diesem Jahr wurden u. a. Zafira Life, Corsa und Astra vorgestellt. Wie wollen Sie die PS auf die Straße bringen? U. Selzer: Diese neuen Modelle sind ja bisher nur der Anfang. Es geht auch darum, klare Positionen zu Themen wie Klimaschutz zu haben. Wenn jemand etwas zur Umwelttechnologie sagen kann, dann ist das Opel. Denken Sie an den Louis Armstrong-Spot vor 30 Jahren mit der serienmäßigen Einführung des geregelten Katalysators in alle Opel-Fahrzeuge. Alle jene Entwicklungen führen jetzt zum Corsa-e, einem Elektroauto mit 330 km Reichweite für weniger als 30.000 Euro. Auch für den neuen Astra gilt, dass das Thema CO2 immer mehr zum Kaufargument wird. Er ist jetzt das effizienteste Auto der Kompaktklasse mit einem um bis zu 21 Prozent niedrigeren CO2-Ausstoß als der Vorgänger. Ein weiteres Thema ist für mich die Vereinfachung der sehr komplex gewordenen Branche für unsere Kunden, Händler und uns als Hersteller. Wir sind eine nahbare Marke. AH: Wo sind Sie schon weiter, bei der Marke oder den Modellen? U. Selzer: Klar bei den Modellen. Wir können also viel mehr halten, als wir nach außen zeigen. Wenn es umgekehrt wäre, hätten wir zu viel versprochen. Die Botschaft lautet also "Kuck mal, das ist ein Opel". AH: Wie werden Sie diese Botschaft umsetzen? U. Selzer: Wir haben zunächst intern angefangen und haben unseren Händlern gezeigt, was produktseitig in den nächsten Jahren passiert. Wenn jetzt ein Kunde zum Händler kommt, hat dieser das im Hinterkopf und ist vorbereitet. Durch den Wechsel zu PSA gab es anfangs natürlich Unsicherheiten. Wir haben auch wegen der CO2-Bilanz einige Modelle vom Markt genommen und diese ersetzt. Der neue Corsa wurde in Rekordzeit entwickelt. Unser Marketing läuft jetzt an, um ein anderes Bild zu zeigen als in den vergangenen 20 Jahren. Unser Handel und die Verkäufer müssen für die Marke brennen. Daran arbeiten wir. Die Händler können mit uns gutes Geld verdienen. In Verbindung mit neuen Produkten geht es mir um die Motivation. Das meine ich mit "brennen". AH: Das heißt künftig Marktanteile steigern und mehr verkaufen? U. Selzer: Na klar! Deswegen bin ich zu Opel zurückgekehrt. AH: Die Autoindustrie steckt in einer Transaktionsphase? Wo setzt man da seine Schwerpunkte? U. Selzer: Als Erstes geht es um die Frage, wie Kunden das Auto erleben. Die Vermarktungsform verändert sich. Früher war die Ansprache eine Einwegkommunikation, heute ist sie ein Dialog. Wir agieren anders. Wir greifen in die Kommunikation zwischen Handel und Kunden nicht ein. Der Kunde erwartet allerdings, dass sich auch der Hersteller äußert. Wir gehen also anders auf den Kunden zu. An zweiter Stelle geht es darum, in welcher Form Kunden künftig Autos besitzen. Da geht es um Kauf, Leasing, Finanzierung und Miete. Das muss so einfach gemacht werden, wie es der Kunde inzwischen aus anderen Branchen gewohnt ist. Früher ging es um Listenpreise und heute um die monatlichen Kosten. Bis zu einem Angebot an den Kunden dürfen aber keine zwei Stunden vergehen, sondern es darf höchstens 15 Minuten dauern. Unproduktive Vorgänge eliminieren AH: Und beim Händler? U. Selzer: Hier geht es um die Frage, wie können wir besser zusammenarbeiten. Auch aufgrund gesetzlicher Bestimmungen ist die Zusammenarbeit deutlich komplexer geworden. Dadurch verlangen wir als Hersteller viel von unseren Partnern. Deswegen haben wir die Händler dazu befragt und 40 Projekte abgeleitet, um unproduktive Vorgänge zu eliminieren, die mit dem Kunden nichts zu tun haben und ihm keinen Mehrwert bringen. Wir sind hier gut vorangekommen. Es geht aber auch um das Thema CO2. Hier sind wir als Hersteller der Systemführer. Wir brauchen aber am POS (Point of Sale, Anm. d. Red.) die Unterstützung des Handels. Damit der Kunde versteht, das ist das bessere Auto für mich. Der Handel kann im kommenden Jahr nahezu denselben Mix an Fahrzeugen verkaufen wie 2019. Wir haben aber technologieseitig so vorgebaut - unter anderem mit dem neuen Motorenprogramm im überarbeiteten Astra -, dass der CO2-Schnitt ausreichend abgesenkt wird, um die CO2-Ziele zu erreichen. AH: Warum sind dann die Quoten für Hybride und E-Fahrzeuge notwendig? U. Selzer: Wir sind ein Team und müssen alle am gleichen Strang ziehen. Klar ist, dass eine derartige feine Marktsteuerung von Monat zu Monat bzw. von Quartal zu Quartal bisher nicht nötig gewesen ist. Wir haben aber aufgezeigt, dass sobald der Zielwert um nur ein bis drei Gramm überschritten ist und zum Beispiel erst im Juli aufgedeckt wird, nicht ausreichend Zeit bliebe, um zu korrigieren. Deshalb führt zukünftig jeder Händler eine individuelle CO2-Verkaufsbilanz. Damit sind wir inzwischen auch schon gestartet. Wichtig für den Handel ist vor allem, dass sich - wie bereits erwähnt - am Modellmix des Vorjahres nichts ändert. Wir haben ja zum Beispiel keinen Karl oder Adam mehr, dafür aber einen neuen Corsa und Astra mit deutlich niedrigeren CO2-Ausstoß. Das ist aber keine Quotierung. AH: Was passiert, wenn die Zielwerte überschritten werden? U. Selzer: Das wird nicht geschehen. Wir haben konzernseitig klar gesagt, dass wir keine Strafzahlungen leisten werden. Daran haben wir alle ein elementares Interesse. Wir wollen unseren Kindern eine saubere Umwelt hinterlassen. Es geht nicht nur um Strafzahlungen, sondern um eine moralische Verpflichtung. Hersteller, die die Zielwerte nicht erreichen, werden große Probleme haben - nicht nur finanziell, sondern auch akzeptanzseitig. AH: Was passiert, wenn die Kunden nicht mitspielen und andere Modelle wollen, beispielsweise ein Flottenkunde will 300 Insignia mit Topausstattung. U. Selzer: Dann schauen wir uns das an und balancieren das aus. Nehmen Sie eher einen Händler, der 15 Insignia verkauft. Hier geht es dann um Kontingente und das können wir aussteuern. Natürlich werden wir nicht auf Verkäufe verzichten. Wir arbeiten schließlich im Vertrieb. Corsa-e und Grandland X Hybrid4 AH: Welche Rolle spielen dann Corsa-e und Grandland X Hybrid4 zum Anfang des Jahres? U. Selzer: Diese beiden Autos und zwei weitere Modelle im Laufe des nächsten Jahres haben die super credits und damit können wir auf der Herstellerseite kompensieren. Es gibt hier bestimmte Steuerungsmechanismen. In erster Linie hat jetzt unser Außendienst die Aufgabe, gemeinsam mit dem Handel das CO2-Tool auszufüllen unter den bekannten Vorgaben und die Absatzziele für die einzelnen Modellreihen festzulegen. Das ist für uns und den Händler Neuland. Es geht aber und hier wiederhole ich mich klar darum, die Ziele zu erreichen. Gerade bei elektrifizierten Antrieben stellt uns allerdings PSA hocheffiziente Technologie zur Verfügung, von der wir massiv profitieren. AH: Kann man das über taktische Zulassungen beeinflussen? U. Selzer: Das geht nur so weit, wie es marktgerecht ist. AH: Ist CNG ein Thema für Opel? U. Selzer: Zur Zeit nicht. Direktvertrieb AH: Wie sehen Ihre Überlegungen zum Direktvertrieb aus? U. Selzer: Es gibt einen Händlervertrag und daran halten wir uns. Wir machen nichts ohne den Handel. Der Kunde muss im Netz immer einen Händler angeben. Die Leistung vor Ort können und wollen wir nicht erbringen. Der Handel ist Teil unseres Geschäfts. Der Kunde braucht außerdem bei einer solchen Investition einen Ansprechpartner. Wir sind Hersteller und stellen her! AH: Was macht Ihr Haus hinsichtlich Shared Mobility? U. Selzer: Wir haben "Free2Move" als globale Marke (von PSA, Anm. d. Red.) und hier gibt es konkrete Projekte, die wir gerade einführen. Hier wird in Zukunft noch viel Spannendes passieren. AH: Wird es Korrekturen beim Händlernetz geben auch im Hinblick auf die Digitalisierung? U. Selzer: Wir sind mit unser Netzabdeckung gut aufgestellt. Kein Kunde muss mehr als 30 Kilometer oder 30 Minuten zum nächsten Opel-Partner fahren. Die vorhandenen open points besetzen wir gerade nach. Unsere Messinstrumente sind unabhängig von der Größe. Es geht um Kundenzufriedenheit und Zielerreichung. Hier greifen wir natürlich ein, wenn es nötig ist. Im Händlernetz geht es um Stabilität und Planungssicherheit auf Grundlage des neuen Vertrags. AH: Herr Selzer, herzlichen Dank für das Gespräch! Interview: Ralph M. Meunzel

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