Audi: "Zur richtigen Zeit am richtigen Ort "

Seit Juli 2019 leitet Christian Bauer den Audi-Vertrieb Deutschland und damit das Geschäft auf dem deutschen Heimatmarkt. Er bringt reichlich Erfahrung in Verkauf und Service aus China und Deutschland mit. Im Interview mit AUTOHAUS-Chefredakteur Ralph M. Meunzel spricht der Manager über die Markstsituation, das Modellportfolio und die Zusammenarbeit mit dem Handel. AH: Herr Bauer, wie präsentiert sich Audi 2019 auf dem Automarkt? C. Bauer: Wir hatten ein herausforderndes erstes Halbjahr und sind mit unserer Performance zufrieden. Wir liegen zwar hinter dem Vorjahr. Hier haben wir allerdings einen Verzerrungseffekt, weil es aufgrund der guten Bevorratung unserer Händler zahlreiche Auslieferungen im Juni, Juli und August 2018 gegeben hat. Man kann die Zahlen also nur bedingt vergleichen. Wenn ich nur die absoluten Zahlen betrachte, sind wir im Premiumsegment die Nummer 1. Wir haben im Jahr 2019 20 neue Modelleinführungen. Unter anderem erhalten wir durch den neuen A4 positive Impulse im zweiten Halbjahr. Deshalb gehe ich am Jahresende von einem moderaten Wachstum aus. AH: Ihre Vorgänger konnten in den vergangenen Jahrzehnte immer Wachstumsrekorde verkünden. Sie sind jetzt mehr der Troubleshooter. Ist das eine besondere Herausforderung? C. Bauer: Ich freue mich sehr, dass man mir diese Position anvertraut hat. Ich bin zum richtigen Zeitraum am richtigen Ort. Ich habe von vielen Händlern positive Rückmeldungen erhalten, als ich die Position zum 1. Juli übernommen habe. Ich bringe die Erfahrung in Verkauf und Service aus China und Deutschland mit. Ich bin stolz auf unser motiviertes Team und freue mich auf die Herausforderung. AH: Was tun Sie, damit die Marke wieder glänzt? C. Bauer: Wir merken, dass wir Vertrauen durch die Themen der vergangenen drei Jahre verloren haben. Unsere Markenstrategie, sich konsequent an dem Kunden auszurichten, ihm Innovationen und den entscheidenden Mehrwert zu liefern, wird unser Image wieder nach vorne bringen. Dazu wird auch unser Produktportfolio beitragen, das mit einem Durchschnittsalter von 2,3 Jahren noch nie so jung gewesen ist. Damit können wir die nächsten Schritte machen. AH: Haben sich die Vorgänge vor allem im deutschen Markt niedergeschlagen? C. Bauer: Kein Land in Europa diskutiert die Themen Diesel und CO2 so intensiv wie Deutschland. Das sorgt für eine besondere Situation. "Experimental Marketing" AH: Sich konsequent auf den Kunden auszurichten, heißt konkret? C. Bauer: Natürlich haben wir unsere Kunden auch in der Vergangenheit in den Mittelpunkt gestellt. Künftig beginnt diese Ausrichtung beim Beginn der Produktentwicklung über die komplette Wertschöpfungskette. Über "experimental marketing" kommen wir noch intensiver mit den Kunden zusammen. Wir haben beispielsweise am Flughafen München den Kunden den e-tron Probe fahren lassen. Das Feedback der Kunden im Umgang mit dem Fahrzeug floss direkt in das Priority Boarding beim Handel zur Markteinführung des Modells ein. AH: Da gibt es einerseits Stammkunden von Audi, andererseits müssen Sie Neukunden ansprechen. Gibt es eine differenzierte Ansprache? C. Bauer: Es bekommen beide Kundengruppen die gleiche Aufmerksamkeit. Es ist aber klar, dass sich loyale Kunden intensiver ansprechen lassen als Neukunden. Deshalb gibt es hinsichtlich der Marktbearbeitung unterschiedliche Vorgehensweisen. Lieferfähigkeit AH: Der Handel beklagt sich über die fehlende Lieferfähigkeit! C. Bauer: Wir gerieten bei der Einführung von WLTP 1.0 im Vergleich zu anderen Herstellern etwas in Verzug. Das war auch der Abarbeitung der Dieselthematik geschuldet. Wir haben aber dabei viel gelernt. Wir haben die Prüfstandkapazitäten um 30 Prozent erhöht und zusätzlich 300 Leute für die Homologation eingestellt. Wir haben auch den Bestellprozess verbessert. Wir sind jetzt wesentlich besser auf WLTP 2.0 vorbereitet. Da haben wir schon viel erreicht. Im vergangen Jahr hatten wir 22 Motor-Getriebe-Varianten homologiert, in diesem Jahr sind es bereits 167 und es fehlen nur noch wenige. Das ist eine dramatische Verbesserung. Das Angebotssortiment steht also zur Verfügung. Das wird sich zum Jahresende auf die Verkaufszahlen positiv auswirken. Die Lieferzeit bewegt sich abhängig von Ausstattung, Modell und Antriebsart derzeit durchschnittlich zwischen drei und sechs Monaten. AH: Und beim e-tron? C. Bauer: Hier beträgt die Lieferzeit zwischen fünf und sechs Monate. Hier haben wir noch Optimierungsbedarf. Bei einem neuen Modell gibt es allerdings immer eine Anlaufkurve. Wir haben aber eine weltweit starke Nachfrage. Wir wollen die Produktionskapazität erhöhen, um auf ein vernünftiges Niveau zu kommen. Bisher haben wir rund 3.500 Fahrzeuge in Deutschland ausgeliefert. Bis zum Ende des Jahres werden wir die Anzahl deutlich steigern. AH: Welche Hybridmodelle werden 2019 noch vorgestellt? C. Bauer: Zum Q5 Hybrid wird es in 2019 noch Q7, A7 und A6 als Hybridversionen geben. AH: Der Handel muss derartige Entwicklungen beim Kunden erklären und steht dann unverschuldet unter Beschuss. Wie hat sich die wirtschaftliche Situation bei den Händlern entwickelt? Die Klagen werden lauter. C. Bauer: Der Handel muss profitabel wirtschaften, das ist das A und O. Wenn das nicht gegeben ist, kann nicht investiert werden und das schafft Unzufriedenheit. Wir wissen, dass noch immer ein Viertel der Händler eine Rendite um drei Prozent erreichen. Der Abschluss 2018 war gut, lag allerdings unter dem Ergebnis der vergangenen Jahre. Die Profitabilität des Handels zu steigern, ist stets unser Ziel. Wir wollen, dass sich das weiter verbessert. So arbeiten wir auf Konzernebene an den Standards, beispielsweise bei der Ladeinfrastruktur oder der Qualifizierungsstrategie, um den Handel zu entlasten, aber auch, um das Qualitätsniveau hoch zu halten. AH: Reicht das? C. Bauer: Um das Geschäft in Deutschland zu steigern, benötigen wir drei Dinge. Es geht zunächst um das Produkt. Die IAA hat bestätigt, dass unser Portfolio aufgrund der Neueinführungen hoch attraktiv ist. An zweiter Stelle geht es um Markt- und Kundenfokussierung. Wir werden den Mehrwert für den Kunden noch stärker herausstellen. Elementar für uns ist die intensive Partnerschaft mit den Händlern. Eine gute Zusammenarbeit ist enorm wichtig. Es geht um eine transparente, ehrliche und intensive Kommunikation. Der Handel muss genau wissen, an welchen Themen wir arbeiten. Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann. AH: Mit welchem Ergebnis rechnen Sie 2019? C. Bauer: Dazu kann ich noch keine Zahlen nennen. Audi on demand AH: Der Eindruck einer guten Kommunikation ist aufgrund der scharfen Kritik des Händlerverbands beim Thema Zusammenarbeit mit Sixt beim Mobilitäts-Projekt "Audi on demand" nicht entstanden? C. Bauer: Grundsätzlich haben wir alle das Verständnis, dass sich das Mobilitätsbedürfnis der Kunden hin zu mehr Flexibilität verändern wird. "Audi on demand" ist die Dachmarke unserer Mobilitätsdienstleistungen. Hier geht es darum, ein Auto zwischen einer Stunde und zwölf Monaten zu mieten. Inklusive einer großen Flexibilität für den Kunden, um von A nach B zu kommen. Am wichtigsten ist hier die Zusammenarbeit mit dem Handel. Wir sind inzwischen in den großen deutschen Städten mit 23 Audi-Händlern vertreten. Eine weitere Säule in diesem Konzept ist die Abdeckung an neuralgisch wichtigen Punkten aus der Kundenperspektive. Der Handel ist weder an Flughäfen noch an Bahnhöfen vertreten. Um diese Standorte abzudecken, ist Sixt deshalb dort unser Kooperationspartner. Ich stehe hier im intensiven Dialog mit dem Verband. Der Handel steht bei unserer Mobilitätsstrategie im Fokus. Wir müssen aber alle wichtigen Standorte abdecken. Dazu haben wir die Kooperation mit Sixt vereinbart. Wir werden im vierten Quartal starten. AH: Wohin soll sich "Audi on demand" entwickeln? C. Bauer: Wir legen unseren Fokus zunächst auf flexible Kurzzeitmieten. Wir können so auf alle Entwicklungen in der Zukunft reagieren und das Konzept flexibel skalieren. Wir können bei Bedarf langfristig Abo- und Bundling-Modelle aller Art einführen. Uns war wichtig, dass der Handel hier von Anfang an dabei ist. Per Web-App kann der Kunde künftig seine individuellen Mobilitätswünsche erfüllen und auf die komplette Produktpalette zugreifen. Das ist jetzt bereits an 23 Händlerstandorten möglich. Wir werden dann weiter skalieren. Ziel ist es, ein Geflecht aufzubauen, um dann das Abholen und Abgeben individuell gestalten zu können. AH: Warum hat der Handel so stark auf die Sixt-Kooperation reagiert? C. Bauer: Darüber möchte ich nicht spekulieren. Wir stehen mit dem Handel im stetigen Dialog und diese Art der Kommunikation bevorzugen und leben wir auch. Es ist auch völlig in Ordnung, dass es zu diesem Thema unterschiedliche Ansichten gibt. EV-Infrastruktur AH: Wie weit ist der Handel mit dem Aufbau der EV-Infrastruktur? C. Bauer: Wir bereiten das seit über einem Jahr vor. Die Standards für Verkauf und Service wurden bereits realisiert. Parallel beschäftigen sich die Händler mit eigenen größeren Investitionen. Hier sind wir beratend dabei. Wir empfehlen höhere Anschlussleistungen bzw. deren Vorbereitung, dabei gibt es zahlreiche individuelle Lösungen. Der Antrieb des Handels, mehr zu investieren, ist durchaus gegeben. AH: Wie weit sind Sie beim Direktvertrieb über das Internet? C. Bauer: Unser Handel ist das Rückgrat des Vertriebs. Wir bauen auf unsere Partner. Wir arbeiten unter dieser Prämisse an E-Commerce-Lösungen. Ab 2020 wird der Kauf von Lagerwagen direkt vom Händlerbetrieb per Internet über eine Systemplattform möglich sein. AH: Herr Bauer, herzlichen Dank für das Gespräch. Interview: Ralph M. Meunzel Kurzfassung Nach einem herausfordernden ersten Halbjahr setzen die Ingolstädter vor allem auf den neuen A4, mehr Kundenfokus und eine intensive Partnerschaft mit den Händlern. Um den Handel zu entlasten, aber auch, um die Qualität hoch zu halten, arbeitet der VW-Konzern an den Standards, beispielsweise bei der Ladeinfrastruktur oder der Qualifizierungsstrategie. Beim umstrittenen Thema "Audi on demand", der Dachmarke der Mobilitätsdienstleistungen, stehe man im intensiven Dialog mit den Händlern, so Christian Bauer: "Der Handel steht bei unserer Mobilitätsstrategie im Fokus."

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