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AUTOHAUS-Gespräch mit Philipp Kroschke: "Der Nutznießer muss am Ende der Autokäufer sein"

01.02.2022 16:55 Uhr | Lesezeit: 5 min
AUTOHAUS-Gespräch mit Philipp Kroschke: "Der Nutznießer muss am Ende der Autokäufer sein"
Philipp Kroschke stand AUTOHAUS Rede und Antwort.
© Foto: Kroschke Gruppe

Philipp Kroschke, Geschäftsführer der Kroschke Gruppe, über die digitale Zukunft der Zulassungsprozesse, Konkurrenz durch neue Player auf dem Markt, ein verändertes Mobilitätsverhalten - und die Herausforderungen, denen sich der Autohandel jetzt und in Zukunft stellen muss.

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AUTOHAUS: Was ist der Stand der Dinge beim neuen Zulassungssystem ON?

Philipp Kroschke: Wir testen aktuell das Tool auf Herz und Nieren. Die Rückmeldungen von unseren Pilot-Autohäusern sind bislang durchweg positiv bis begeistert. Wir haben auch kürzlich einen neuen Standort in Lübeck übernommen, in dem die Autohäuser noch gar nicht digital beauftragen konnten. Für diese Kunden bedeutete die Umstellung einen Quantensprung. Bei den meisten unserer Kunden ersetzen wir aber das seit Jahren zuverlässiger Kroschke on-System durch das neue ON. Hier stoßen wir auf besondere Begeisterung.

AH: Was wird in Zukunft bei digitalen Zulassungsprozessen alles möglich sein?

P. Kroschke: Unser Ziel sind schlanke Prozesse; der Kunde soll ein angenehmes Erlebnis haben. Als Dienstleister besteht die Herausforderung, im digitalen Zulassungswesen Teil des Fahrzeugverkaufs-Prozesses zu sein. Wir müssen verstehen, wie der Autokäufer sich den Prozess wünscht und uns dann in die Abläufe der Verkäufer integrieren. Der Nutznießer muss am Ende der Autokäufer sein. Nutzen bedeutet, dass es einen schlanken, intuitiven und transparenten Prozess gibt.

Unsere Gesellschaft ist sozusagen "amazonisiert", d. h.: Ein Fahrzeugkauf soll sich anfühlen wie ein Prozess bei Amazon: Ware auswählen, mit nur wenigen Klicks unkompliziert bestellen– und das Auto idealerweise schon zugelassen und vor die Haustüre geliefert bekommen. Nahtlos und schmerzlos, schlank und transparent. Bis das komplett digital funktioniert, wird es aber noch etwas dauern. In der Zwischenzeit fertigen wir Bausteine, mit denen wir dem Handel und den Verkäufern helfen, diesen Prozess schlank zu gestalten und dort, wo der Prozess noch analog ist, übernehmen unsere Mitarbeiter vor Ort.

AH: Zulassungsdaten sind sensible Daten: Was macht Kroschke, um die Sicherheit zu gewährleisten?

P. Kroschke: Zum einen natürlich erstmal Standards einhalten: Wir haben bei uns einen Datenschutzbeauftragten, der jeden Prozess überprüft. Das fängt bei der physischen Verarbeitung wie Ausweisdokumenten an: Es gibt Prüfmechanismen, die regeln, wie Daten weitergegeben werden.

Allerdings ist auch für ein digitales Zulassungsverfahren natürlich wichtig, Prozesssicherheit zu gewährleisten. Insbesondere bezüglich der Authentizität und Unfälschbarkeit der relevanten Dokumente. Schauen wir uns doch im aktuellen Zulassungsverfahren die Zulassungsbescheinigung Teil II (den alten Brief) an. Dieser ist auf speziellen Papier gedruckt, das nur von der Bundesdruckerei ausgegeben werden darf und mit einer einmaligen Druckstücknummer versehen.  Dieses Papier gilt als Verfügungsnachweis, nur damit kann ein Fahrzeug zugelassen werden – eine Kopie reicht für den Zulassungsprozess nicht.

In der Zukunft wird es aber gar keine physisch vorliegenden Fahrzeugbriefe beziehungsweise ZB II mehr geben. Bis dahin wird gelten: Der Brief muss einmal physisch vorhanden sein, dann kann er digitalisiert werden, auf der Blockchain abgelegt werden, um anschließend weitergearbeitet zu werden. Die besondere Herausforderung bei der Digitalisierung des Zulassungsverfahren ist, dass Daten nicht neu zusammengesetzt – also nicht manipuliert – werden können. Kroschke nutzt dafür die Blockchain. Manipulation oder Veränderung der Daten soll damit unmöglich gemacht werden.

AH: Lieferschwierigkeiten und Halbleitermangel prägten das vergangene Jahr: Wie geht es 2022 weiter?

P. Kroschke: Wir haben die Hoffnung, dass eine Erholung bei Chipmangel und Auslieferungen schneller einsetzt als von vielen prognostiziert – also früher als erst in der zweiten Jahreshälfte. Wichtig werden die neuen Player: Asiaten wie Genesis, Elaris und andere Akteure werden auf den Markt kommen. Denen setzt das Thema Halbleiterkrise nicht so zu, wie es teilweise bei den deutschen Herstellern der Fall ist. Spannend werden die Fragen sein: Haben die neuen Player kürzere Lieferzeiten? Wird sich der eine oder andere Autokäufer von den etablierten europäischen Autobauern verabschieden? Wie schnell werden sich diese neuen Player etablieren? Die Chinesen werden Marktanteile gewinnen. Das Entscheidenden wird aber sein: Wie wird der deutsche Markt die Fahrzeuge annehmen? Sind die Fahrzeuge wirklich so attraktiv?

Die meisten kommen mit Direktvertriebsmodellen, weil sie es sich zeitlich nicht leisten können oder wollen, eine lokale, stationäre Vertriebsstruktur aufzubauen, um Marktanteile zu gewinnen. Genesis beispielsweise will nicht die Hyundai-Struktur nutzen, sondern eigene Wege gehen. Die Koreaner haben momentan nur drei Monate Lieferzeit bei geringeren Kosten. Das könnte einiges am Markt verändern.

AH: Unter der neuen Regierungskoalition soll alternativen Antrieben und Mobilität mehr Platz eingeräumt werden: Was erhofft sich die Kroschke-Gruppe von der "Ampel"?

P. Kroschke: Der Verkehr wird nachhaltiger werden, die E-Mobilität bekommt Vorfahrt. Das ist für uns als Zulassungsdienstleister nicht dramatisch: Auch ein E-Auto trägt zwei Nummernschilder – und es muss zugelassen werden. Wichtiger wird sein: Wie stellt sich der Handel auf mehr E-Autos und Direktvertrieb ein?

Persönlich erhoffe ich mir durch ein von der FDP geführtes Verkehrsministerium, dass auch der Mittelstand mehr Gehör bekommt. In der Vergangenheit hatte man lieber mit Großkonzernen zu tun. Als Mittelständler bekommt man nicht immer den Expertenstatus zugesprochen. Was der Mittelstand aber sehr gut kann, ist aber genau das: nah am Kunden zu sein – und damit auch Experte für dessen Bedürfnisse und die notwendigen Prozesse zu sein.

Ich erhoffe mir, dass die Kommunikation mit dem Ministerium enger wird, auch mit „meinem“ Bundesverband Kraftfahrzeug-Kennzeichen (BKK e.V.). Die Mitglieder unseres Verbandes machen zwei bis drei Millionen Zulassungen aus – das bedeutet 20 bis 30 Prozent Marktanteil, nur auf Autoschilder bezogen sind es sogar rund 65 Prozent Marktanteil. Wir kennen also die Kundenprozesse genau und wollen als Sparringspartner gesehen werden. Bei der Kroschke Gruppe gehen wir davon aus, dass das Thema Digitalisierung eine größere Rolle spielen wird. Wir sind ja im Bereich Zulassung schon ziemlich digital, das könnte aber noch druckvoller passieren.

AH: Carsharing, Auto-Abos und andere Leasingmodelle: Wie sieht die Mobilität der Zukunft aus – welche Trends werden sich Ihrer Meinung nach durchsetzen?

P. Kroschke: Es gibt nicht den einen Trend, es gibt mehrere: Die Autokäufer-Struktur ist nicht mehr homogen. Es gibt Personen, die wollen gar kein Auto mehr besitzen, weil Kapital gebunden ist; die wollen oder können sich den Kauf nicht leisten. Es gab und gibt Leasing-Anbieter – und jetzt kommt das Abo-Modell. Abo entstammt ja als Idee nicht aus dem Autohandel, sondern ist uns aus anderen Lebensbereichen geläufig oder hat diese sogar massiv verändert, wie dem Musiksegment oder auch dem Filmsegment. Das ist kein kurzfristiger Trend, der sich wieder umkehrt. Es wird sich weiter manifestieren. Menschen wollen Transparenz und Flexibilität.

Auch das Thema Carsharing ist noch nicht zu Ende diskutiert: Ein Privatfahrzeug steht 95 Prozent seiner Zeit ungenutzt herum – das ist einfach nicht wirtschaftlich. Was jetzt vielleicht noch beim Carsharing unwirtschaftlich erscheint, macht den grundsätzlichen Gedanken, sich ein Auto zu teilen, nicht zunichte. Und: Wenn durch Investoren viel Geld im Umlauf ist, wird auch viel ausprobiert.

AH: Wird der Online-Vertrieb zunehmen?

P. Kroschke: Ja, Menschen werden digital Fahrzeuge kaufen oder leasen wollen – weil man das eben heute so macht. Markenbindung löst sich immer schneller auf. Das Internet bietet eine größere Angebotsvielfalt. Es wird zunächst auch mehr Gebrauchtwagenplattformen geben, die volldigital verkaufen. Solche Modelle könnten bis 2025 zwischen 20 und 30 Prozent Marktanteile gewinnen. Rückläufig könnte aus unserer Sicht dagegen der Kauf/Verkauf zwischen Privatkunden werden. Das Risiko ist zu hoch, ein Fahrzeug fast ohne Sicherheiten zu kaufen.

Wie bereits gesagt, glaube ich das die neuen OEM sie neue Maßstäbe setzen werden und auch müssen, da sie keine lokalen/ stationären Vertriebsstrukturen aufsetzen. Tesla-Kunden wissen heute schon, wie einfach es ist, sich ein Auto zu bestellen, weil der Prozess und auch die Auswahlmöglichkeiten transparent, überschaubar und einfach gehalten werden. Trotzdem bekommt man persönliche Ansprechpartner, die einem bei etwaigen Fragen sofort zu Seite stehen. Ein wirklich schlanker, digitaler Prozess.  Da ist ein Auto in 20 Minuten bestellt. Natürlich ist ein digitaler Fahrzeugverkaufsprozess nur dann vollständig für den Kunden abgebildet, wenn auch Auslieferung und Zulassung für den Kunden gelöst werden.

Diese Angebote sind allerdings nicht etwas für jeden – es wird also Hybrid-Strukturen geben. Der eine möchte digital vom Sofa aus sein Auto kaufen, aber beim Werkstattbesuch sicher sein, dass er jemandem persönlich gegenübersitzt, der sich um Wartung und Service kümmert.

AH: Was kann der Autohandel daraus ableiten?

P. Kroschke: Für den Autohandel gilt die Herausforderung: Der deutsche Fahrzeugmarkt wird nicht größer, er bleibt bei ca. 46 Millioen Fahrzeugen und etwas über zehn Millionen Zulassungen. Davon ungefähr 3,5 Millionen Neufahrzeuge. Der Markt wird nur neu verteilt.

Der deutsche Autohandel muss sich dem digitalen Fahrzeugvertrieb, ob GW-Plattformen oder neue OEMs, stellen und diesen seinen Kunden bieten können. Auch Abo als vierte Finanzierungssäule sollte der Handel nutzen. Aber der Handel hat auch eine unglaubliche Stärke: er ist lokal präsent. Er hat die persönlichen Kontakte zu seinen Kunden. Das schafft Vertrauen und Sicherheit. In Kombination mit digitalen Prozessen kann der Handel hier eigentlich die beste und ganzheitlichste Customer Experience schaffen. Er muss nur eins tun: den Kunden in den Mittelpunkt seines Handelns stellen und alles dransetzen ihn und seine Wünsche zu verstehen.

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