Hochwasserschutz: Barrieren auch zum Nachrüsten

Die Unwetter im Juli haben in Deutschland großen Schaden angerichtet. Vorsorge wird auch für Autohäuser und Werkstätten immer wichtiger. Neben dem Thema Versicherungen (siehe AUTOHAUS 16/2021) lassen sich Gebäude auch baulich schützen. Architekt und Branchenkenner Michael Schramm von archiNetwork gibt Infos und Tipps. AH: Herr Schramm, in diesem Sommer wurden auch Autohäuser von der Hochwasser-Katastrophe schwer getroffen. Wo liegen baulich die Schwachstellen der Betriebe? M. Schramm: Grundsätzlich gibt es zunächst einmal die üblichen Schwachstellen wie in jedem anderen Gebäude auch, also beispielsweise Bodeneinläufe und alles was an der Kanalisation angeschlossen ist, die gegebenenfalls überfordert ist und Wasser ins Gebäude zurückdrückt. Weiterhin Türen, Fenster und sonstige Fassadenöffnungen. Bei Kfz-Betrieben kommen als besondere Schwachstellen die Toröffnungen hinzu. Diese sind systembedingt nie dicht, was man etwa bei Wasch- und Pflegehallen gut erkennen kann, da Wasser an den Seiten hinausläuft. Hier ist immer eine Rinne außen vorzusehen. Bei Schauräumen können, neben den meist großen Tür- und Beschickungsöffnungen, die Fußpunkte der Schaufensterfassaden zum Problem werden. Automatik-Schiebetüren sind ebenfalls eine Schwachstelle. Eine weitere Besonderheit ist, dass erheblicher Schaden auch im Außenbereich entstehen kann, da viele Fahrzeuge, von Gebrauchtwagen, Kunden- und Vorführfahrzeugen bis zu Werkstattfahrzeugen, hier stehen. Die Lagerung von wassergefährdenden Stoffen wie Öle, Batterie- und Bremsflüssigkeiten bieten weitere Herausforderungen. AH: Sie erarbeiten gerade mit einem Händler, der zuletzt mehrfach von Hochwasser betroffen war, ein Schutzkonzept. Was war vor Ort passiert? M. Schramm: Innerhalb von vier Wochen sind der Werkstatt- und Fahrzeuglagerbereich sowie die Sozialräume im Untergeschoss wegen der Hanglage dreimal überschwemmt worden. Das ist in den letzten zehn Jahren vorher einmal vorgekommen, auch mit weniger hohem Wasserstand. Die Kürze der Zeit, in der der Schaden passiert ist, ist auch so noch nie vorgekommen. Innerhalb weniger Minuten war alles überflutet. AH: Was ist da nun baulich beim Thema Hochwasserschutz machbar? M. Schramm: Bei Neubauten kann man natürlich bereits in einem frühen Planungsstadium entsprechende Maßnahmen planen. Meist fordern die Behörden auch Maßnahmen, wenn das Projekt in einem potenziellen Hochwasser bzw. Überflutungsgebiete liegt. Dies ist zum Beispiel die Schaffung von Ausgleichsflächen für den Überflutungsfall. Mittlerweile ist meist ein Überflutungsnachweis mit dem Bauantrag einzureichen. Ein wichtiger Punkt ist die Einstellung der Höhenlage der Gebäude und Freianlagen. Hier kann man viel Schaden ohne bauliche Maßnahmen vermeiden. Einfriedungen mit Betonwänden bis zu einer bestimmten Höhe können Wasser abhalten. Hier helfen manchmal schon ein paar Zentimeter, um das Wasser abzuleiten. Zufahrten etc. lassen sich mit mobilen Barrieren schützen. In Tore und Türen einhängbare Barrieren können vorgehalten werden. Diese können bei Vorwarnung zum Starkregenereignis schnell angebracht werden. Allerdings ist zu beachten, dass das Thema Fluchtwege trotzdem funktionieren muss. Eine Abstimmung mit der Feuerwehr ist ratsam. AH: Lassen sich Schutzmaßnahmen bei bestehenden Betrieben nachrüsten? M. Schramm: Es gibt zahlreiche Systeme, die Fassadenöffnungen wie Tore und Türen schützen können. Je nach Anforderung schwere Ausführungen in Stahl oder leichtere Barrieren aus Aluminium, die auch stapelbar sind, bis hin zu Schlauchsystemen. Letztere können auch größere Außenbereiche schützen. Bodeneinläufe lassen sich durch spezielle Stahlplatten sichern. Einige Systeme können in Tor- und Türlaibungen befestigt werden, andere bilden Barrieren zum Frei-Aufstellen vor den Öffnungen. AH: Wie sind die Kostendimensionen? M. Schramm: Barrieren zum Einhängen gibt es schon für wenige hundert Euro. Wenn nicht gewährleistet ist, dass Schutzsysteme rechtzeitig manuell angebracht werden können, gibt es automatische Systeme, wie Klappschotts, die aber natürlich wesentlich teurer sind. Auch sind Anbietern am Markt, die unterschiedliche Lösungen zum Mieten anbieten. Dies macht gegebenenfalls Sinn, wenn man nur selten betroffen ist. Allerdings stellt sich hier die Frage nach der Verfügbarkeit, wenn Gefahr droht. AH: Was raten Sie Autohäusern in Hochwassergebieten: Sollte man jetzt aktiv werden und - über den gängigen Versicherungsschutz hinaus - Vorsorge treffen? M. Schramm: Sicher kann man sich nicht auf jeden Extremfall halbwegs wirtschaftlich vorbereiten. Es sollte aber geprüft werden, welche Maßnahmen wo Sinn machen. Eine Kontaktaufnahme mit den entsprechenden Wasserschutzbehörden bei den Landratsämtern oder Städten macht auf jeden Fall Sinn. Hier wird man zu Gefahrengebieten, möglichen Wasserständen etc. beraten. Grundsätzlich sollten die Maßnahmen nach einer Einschätzung der Gefahrenlage individuell für das Projekt geplant werden. Bei mobilen Lösungen ist sicherzustellen, dass diese auch eingesetzt werden. Betriebsanweisungen, Alarmierungs- und Vertreterregelungen schaffen hier Sicherheit. AH: Vielen Dank für Ihre Einschätzung! Kurzfassung Bei Neubauten kann man baulich bereits in einem frühen Planungsstadium Schutzmaßnahmen gegen Überschwemmungen planen. Bei Bestandsbauten gibt es ebenfalls zahlreiche Systeme, die Fassadenöffnungen wie Tore und Türen schützen können. Es sollte auf jeden Fall geprüft werden, welche Maßnahmen wo Sinn machen.

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