Auktion & Markt: "Erst die Spitze des Eisbergs"

Marc Berger weiß, dass auch er in der aktuellen Dieselkrise nicht zaubern kann. Doch der Vorstand von Auktion & Markt aus Wiesbaden betont im Interview, dass es sein Unternehmen schaffe, von dem schlechten Preis noch den besten herauszuholen. Wie das gelingt, verrät der Branchenkenner im Gespräch. AH: Ankaufportale sind derzeit in Sachen Gebrauchtfahrzeuge en vogue. Wie lebt es sich als klassischer GW-Vermarkter, der nächstes Jahr sein 30-jähriges Jubiläum feiert, in diesem Umfeld? M. Berger: In den vergangenen fünf Jahren hat sich hier eine Menge getan. Meiner Meinung nach war das eine logische Konsequenz, weil Endkunden damals für die Vermarktung des eigenen Gebrauchten nur die reine Inzahlungnahme wählen oder das Auto auf zwei, drei Portalen selbst inserieren konnten. Dass hier früher oder später neue Konzepte auf den Markt kommen, war eigentlich klar. Aber dass dies in so einer geballten Form passiert, damit hätte sicherlich niemand gerechnet. Auch nicht mit dem Erfolg. AH: Verändert sich dadurch auch Ihr Business? M. Berger: Wir spüren das selber relativ wenig. Denn bei uns ist die klassische Inzahlungnahme über die ganzen Jahre weniger geworden, im Fokus stehen Leasingrückläufer, Miet- oder Werkswagen der Hersteller. Im Allgemeinen also jüngere Fahrzeuge. Bei unseren Auktionen liegt der Durchschnittspreis bei 17.000 Euro, bei den Portalen vermutlich bei 7.000 Euro. Preisabstriche beim Diesel AH: Der Markt ist gerade mächtig in Bewegung. Welche Wünsche tragen die bei Ihnen registrierten Kfz-Händler an Sie heran? Was treibt sie um? M. Berger: Bei den einliefernden Händlern ist das sehr offensichtlich. Stichwort: Dieselgate. Sie suchen händeringend jemanden, der zaubern kann. Klar ist: Auch wir können nicht zaubern. Denn die Bestände der Fahrzeuge sind da, die müssen vermarktet werden. Das heißt, man muss Preisabstriche in Kauf nehmen. Was wir aber schaffen, ist, von dem schlechten Preis noch den besten herauszuholen - weil wir europaweit Käufer haben. Das ist vielleicht kein großer Trost, aber auf die Masse gesehen können wir da ganz gut helfen. AH: Wie sieht es bei den kaufenden Handelsbetrieben aus? M. Berger: Hier haben sich die Wünsche in den letzten Jahren eigentlich kaum verändert. Am meisten gefragt und gesucht sind Fahrzeuge, die drei, vier Jahre alt und unter 100.000 Kilometer gelaufen sind. Eine Ware, nach der sich die Händler immer noch die Finger lecken. Wir empfehlen deshalb beispielsweise großen Kunden mit Kauffuhrparks, hier umzudenken, um einen besseren Preis zu erzielen. AH: Ist die Dieselkrise die größte Herausforderung, die Sie momentan sehen? M. Berger: Keine Frage: Für uns gibt es aktuell zwei Herausforderungen - erstens die Dieselkrise. Wir glauben übrigens, dass das erst die Spitze des Eisbergs ist. Aber ich denke, dass wir hier aufgrund der europäischen Reichweite gut aufgestellt sind. Wir verkaufen in 40 Länder, haben 25.000 registrierte Käufer, darunter auch eine stark kaufende Gruppe in Osteuropa. Eigene Antwort auf Ankaufportale AH: Und die zweite Herausforderung? M. Berger: Die Endkunden-Ankaufportale! Das ist ein unglaublich großer Markt, in dem jahrelang nichts passiert ist. Deshalb arbeiten wir selber gerade an einem Konzept, in das wir unsere Erfahrung und unsere Analyse der bestehenden Portale einfließen lassen. 2018 kommen wir dann mit einem eigenen Konzept auf den Markt - für Details ist es heute aber noch zu früh. AH: 2016 konnten Sie um 8,2 Prozent auf 121.243 Gebrauchtfahrzeuge zulegen. Wie läuft es im aktuellen Jahr? M. Berger: Wir werden wieder die zehnprozentige Steigerung der Verkaufsquote erreichen - wir pendeln hier seit vielen Jahren um ein Plus von zehn Prozent. Allein mit den zusätzlichen Dieselfahrzeugen, die in den Markt kommen, werden wir das im Minimum erreichen. AH: Was sind die großen Pläne fürs Jubiläumsjahr? M. Berger: Wir befinden uns in einer fortlaufenden Entwicklung und fokussieren uns jetzt nicht darauf, dass es das Unternehmen 30 Jahre lang gibt. Wir machen genauso weiter wie bisher. Dieses Jahr haben wir unsere komplett neue App gebracht - mit Real-Time-Bietfunktion. Man muss immer sehen, dass die Kunden einen echten Mehrwert haben. Für die App werden wir zum Beispiel nächstes Jahr eine digitale Terminvereinbarung für die Fahrzeugabholung und einen digitalen Abholschein starten. AH: Die ersten Feedbacks auf Ihre App? M. Berger: Die sind sehr gut! Interessant ist, dass Händler in Netlive-Auktionen sitzen und ihr Tablet vor sich haben, um parallel in anderen Auktionen von uns aktiv zu sein. Hervorheben möchte ich auch unser Notification-Center. Eine schöne Geschichte für die Individualisierung. Des Weiteren arbeiten wir weiter an Themen wie der Online-Finanzierung und an internen Prozessen. AH: Gibt es weitere Neuigkeiten? M. Berger: Ja, zwei kleinere Punkte. Zum einen versteigern wir mehr und mehr Fahrzeuge für die öffentliche Hand, für Gemeinden und Behörden. So gibt es jetzt wöchentlich Versteigerungen mit Sonder- und schweren Nutzfahrzeugen. Eine unterschiedliche und interessante Ware einer neuen Einlieferklientel. Zum anderen verlagern wir unseren Classicbid-Standort nach Rheinhessen in die Nähe von Bingen. 2018 wird hier ein großes Classicbid-Zentrum aufmachen, das sich an Endkunden wendet. Samt Ausstellung und Oldtimer-Events. AH: Kommen wir zu Digitalisierung. Wird Ihr Geschäft in Zukunft komplett online ablaufen? M. Berger: Das ist bei uns heute schon so. Wir haben natürlich noch die Auktionszentren in Deutschland, an denen mit Netlive die Kombination aus on- und offline stattfindet. Aber mittlerweile verkaufen wir 95 Prozent der Fahrzeuge online. Die Online-Auktion ist eben so schön bequem. Zwar nehmen die Händler die Auktionszentren noch gerne als Meetingpoints an, doch wir spüren ganz deutlich, dass dies nachlässt. Deshalb machen wir hier auch seltener Auktionen. AH: Herr Berger, vielen Dank für das Gespräch! Interview: Patrick Neumann

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