18. Tag der Automobilwirtschaft: Heute will jeder der Gatekeeper sein

Die großen Vier haben die Autoindustrie fest im Griff. Gemeint sind die GAFA-Riesen, sprich Google, Apple, Facebook und Amazon. Zu diesem Schluss kommt man, wenn man die Ausführungen der Referenten des 18. Tags der Automobilwirtschaft, durch den Prof. Dr. Willi Diez und Prof. Dr. Stefan Reindl souverän führten, aufmerksam verfolgte. So dauerte es in Nürtingen nicht lange, bis das Wort Ökosystem fiel. Ein Fachbegriff, der aus den ökologischen Wissenschaften stammt und der immer dann benutzt wird, wenn man beschreiben möchte, wie beispielsweise Tiere, Pflanzen & Co. in einem Nadelwald so ticken. Aber auch viele Verbraucher wissen, dass die GAFA-Vier diese Ökosysteme auf ihre eigene intensive Art und Weise vorleben - sie dienen den Autoherstellern heute als Vorbilder. Digitales Themen-Setting Interessant: Wurde auf dem Kongress des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) früher noch über das neue Selbstbewusstsein der Autobauer (2010), Nachhaltigkeit (2011) oder NW-Börsen (2012) diskutiert, bestimmt seit ein paar Jahren die Digitalisierung mit ihrer Gesellschafts-Transformation das Themen-Setting. "Der Kunde im digitalen Zeitalter - Herausforderungen und Chancen der Automobilwirtschaft", so hieß das Thema in diesem Jahr. "Wir stehen am Beginn des größten Wandels in der Geschichte der Mobilität", sagte Sabine Scheunert, Vice President Digital & IT Marketing/Sales bei Mercedes-Benz Cars. Und um das noch zu unterstreichen, ergänzte die Managerin ihre Argumentation um zwei markante Sätze: "Es reicht nicht mehr aus, die besten Autos zu bauen. Wir müssen uns den Herausforderungen der Digitalisierung stellen." Die daraus abgeleitete Strategie lautet: den Kunden das beste digitale Ökosystem zu bieten. Ein System, das aktiv lebt und an dem die Kunden kleben bleiben sollen. Will heißen: Einmal drin, nie mehr raus! Geschwindigkeit aufnehmen, die "Pain Points" der Kunden lösen und die Bedürfnisse der Mercedes-Benz-Fans antizipieren - drei Punkte von der Agenda der Stuttgarter. So soll etwa Anfang 2018 die innovative Sprachsteuerung "Ask Mercedes" auf den Markt kommen. Auch Thomas Zahn sprach auf der IFA-Bühne von revolutionären Zeiten. "Die analogen und digitalen Welten werden wir zusammenführen müssen", erklärte der Leiter Vertrieb und Marketing Deutschland bei VW. Denn der Kunde, der jetzt auch bei den Wolfsburgern im Mittelpunkt steht, suche sich den optimalen Mix selbst aus. Immerhin: "Der Handel wird die Kernschnittstelle zum Kunden bleiben." Solange die Autohauschefs den digitalen Weg ins Ökosystem "Volkswagen We" mitgehen. Es werde den VW-Händlern einiges abverlangen, so Zahn. Denn dieser Schritt bedeutet etwa, dass Daten, die bisher beim Handel lagen, morgen gemeinsam genutzt werden sollen. Dies sehen ja viele VW-Händler kritisch, die Proteste sind bekannt. Die Händler und deren Mitarbeiter in Sachen Ökosystem zu schulen, beschrieb Zahn als Herkulesaufgabe. "Das geht nicht über Nacht." Verdrängt oder verpennt? Dass der Kunde bei den Herstellern in den Mittelpunkt rücke, bezeichnete Burkhard Weller als "überfällige Entwicklung". "Verpennt? Verdrängt?" - stellte der Chef der Wellergruppe wie gewohnt provokant in den Raum. Und auch zu den digitalen Ökosystem-Ansätzen äußerte er sich kritisch. "Bei den Herstellern ist es noch zu sehr Wolldecken-Verkauf", so Weller. Der Kunde wolle das spielerisch. Doch damit nicht genug. Für die eigene Zunft schlug er Verbesserungen vor, etwa die Lead-Provisionierung, mehr Empathie im Autohaus, das von ihm favorisierte Franchise-System oder eine 24-7-Strategie. Kongress-Mutmacher Bezogen auf Trendthemen wie Künstliche Intelligenz und autonomes Fahren machte Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut den anwesenden Autohausunternehmern Mut. "Ich sehe hier große Chancen für unsere Werkstätten." Denn auch Sensoren & Co. würden Wartung und Service benötigen. Kommentar Das war erfrischend, was Seat-Managerin Susanne Franz in Nürtingen über die Millennials sagte. Klar, die Spanier sollten es wissen, sie haben weltweit die jüngsten Kunden. Wer als Händler bei dieser digitalen Generation punkten will, sollte Themen wie Einfachheit, Komfort und Relevanz bedienen - so ihr Tipp. Auch Zeit ist für diese Klientel besonders wertvoll, zudem muss das Auto- und Mobilitätskonzept die Persönlichkeit widerspiegeln. Also bitte beherzigen! Erfrischend kam auch "Seat@norway" rüber. Die Iberer wollen mit einem innovativen, digitalen Auftritt im April den norwegischen Markt entern - mit einem Komplettpaket: "Wir vermarkten keine Autos, wir vermarkten Easy Mobility", so Franz. Do your thing - der Seat-Arona-Slogan scheint Programm zu sein.Patrick Neumann, stellvertretender Chefredakteur AUTOHAUS

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