IFA-Kongress: Källenius und die Ketchup-Flasche

Bei den einen heißt es "Case" bei den anderen "Aces". Beide Wörter sind aber aus den gleichen Buchstaben zusammengesetzt und stehen für die gleichen vier Zukunftstrends in der Automobilindustrie: Connectivity, Autonomous Driving, Shared Services und Electrification. Schöner als mit ihren sehr ähnlichen Präsentationen auf dem Kongress des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) am 23. November in Nürtingen hätten die Manager von BMW und Mercedes-Benz, Peter van Binsbergen und Ola Källenius, nicht zeigen können, dass inzwischen klar ist, wohin die Reise geht: Konnektivität, Autonomes Fahren, Fahrzeuge teilen und Elektrifizierung. Gebot der Stunde: flexibel sein Für die Geschwindigkeit, in der die Neuerungen kommen werden, fand aber der Mercedes-Benz Car Vertriebschef das schönste Bild: Es sei, wie wenn man eine Ketchup-Flasche schüttelt: "Es kommt was, aber man weiß nicht wann und wie viel." Deswegen sei das Gebot der Stunde, flexibel zu sein, so Källenius. Mercedes würde sich in allen diesen Bereichen aufstellen. Die zentrale Information für die Händler: "Der Vertrieb wird digital, aber der physische Vertrieb bleibt wichtig." Aber noch eine andere Aussage von Källenius ließ die Ohren der Anwesenden klingeln: "Vielleicht muss man in Zukunft nicht gigantische Showrooms bauen, weil man sehr viel digital zeigen kann." Und noch ein paar andere Dinge werden sich seiner Ansicht nach schon bald ändern. Es wird auch bei Mercedes künftig die neue Rolle des "Product Expert" geben, der nur erklärt und nicht verkauft. Die Transaktionsebene soll komplett digitalisiert werden, damit ist zum Beispiel gemeint: Die Daten des Kunden eingeben, Kreditwürdigkeit checken usw. kann auch ohne Besuch des Autohauses stattfinden. Ein bisschen von allem probieren In Sachen "Fahrzeuge teilen" probiere die Marke mit dem Stern "ein bisschen von allem". Wie es laufen wird, weiß keiner, aber "gar nicht dabei zu sein, glauben wir, ist keine Alternative." Auch die Elektromobilität wird kommen: "Wir bauen dafür eine flexible E-Architektur auf." Für wann und wie viel sei keine seriöse Prognose möglich. Interessant auch der Auftritt von Dr. Thomas Sedran, Leiter Konzernstrategie Volkswagen AG. Er gestand ein, dass VW manchmal etwas langsam sei. Aber: "Wir sind ein sehr guter Late-Follower". Zu Deutsch: Wenn VW dann endlich in die Puschen kommt, machen sie es sehr gut. Über Volkswagens neuen Kurs wurde in den letzten Wochen schon sehr viel berichtet. Zwei Aussagen von Sedran stachen in Nürtingen aber heraus: "Beim Diesel wird es mit jedem Jahr schwieriger. Bis Ende 2019 haben wir kein Problem. Die nächste Abgasstufe 2020 wird schwierig." Spätestens dann sollte der Volkswagen I.D. fertig sein, der als Ausblick auf die künftigen Elektrofahrzeuge bereits in Paris zu sehen war. Aber: "Den nächsten Golf wird es noch mit Diesel geben." Dritte sind anders Die Vorträge von Christoph Weigler von Uber und Dennis Morgenstern von Google machten deutlich, dass es bei diesen beiden Anbietern wohl eher um die Zukunft der Mobilität in den Städten geht. Wenn das mit dem "Mitfahren" in den Metropolen aber komplett umgesetzt wird, könnte auf 90 Prozent der Fahrzeuge verzichtet werden, so Weigler. Eine Kampfansage an die Serviceerträge war der Vortrag von Tesla Motors Deutschland Geschäftsführer Jochen Rudat: Tesla wolle nicht auch noch daran verdienen, wenn ein Auto eine Panne hat. Der Service solle lediglich kostendeckend sein, so der Manager. Die Händler hierzulande muss das nicht weiter interessieren, denn der amerikanische Hersteller ist auch mit der kommenden erweiterten Produktpalette weiterhin entschlossen, den Vertrieb in den eigenen Händen zu behalten. Die Konkurrenz der deutschen Elektrofahrzeug-Anbieter fürchtet Tesla nicht: "Solange es Autohersteller gibt, die ihr Headquarter Vierzylinder nennen, sind wir völlig entspannt." Alle Kunden heißen @ Die Händlersituation sehr gut dargestellt haben die drei Vertreter Wolfram Geisler, Frank Levy und Peter Müller. Geisler, Geschäftsführer der Stern Auto GmbH, die erst vor kurzem einige Mercedes-Niederlassungen im Osten der Bundesrepublik übernommen hat, berichtete von den Schwierigkeiten, ein neues EDV-System für die Betriebe aufzubauen. Das Wichtigste für ihn im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen war, sich mit der IT nicht den Zugang zu den kommenden Herausforderungen zu verbauen. Vielen Händlern aus der Seele sprach Peter Müller: "Die Hersteller sprechen über das, was in fünf Jahren entwickelt wird, und wir verkaufen das, was vor fünf Jahren entwickelt wurde. Zwischen uns liegen zehn Jahre", so der Geschäftsführer der Häusler Automobil GmbH. Für ihn derzeit die größte Herausforderung: Der Münchner Händler, der an 17 Standorten vier Marken im Verkauf anbietet, bekommt 100 Leads am Tag: "Alle heißen @." Diese Leads vorzuqualifizieren und sie an den jeweils richtigen Mitarbeiter im Autohaus weiterzuleiten, sei derzeit die schwierigste Aufgabe. Dafür würde zusätzliches Personal benötigt. Deswegen sieht er in der Digitalisierung aktuell keine Kostenersparnis. Sichtbar sein ist alles Dass es etwas bringt, wenn man die Herausforderung Digitalisierung annimmt, zeigte Frank Levy, Geschäftsführender Gesellschafter des gleichnamigen Toyota/ Lexus Autohauses. In seinen fünf Betrieben verkauft er in diesem Jahr 2.000 Neuwagen und macht 80 Millionen Euro Umsatz. Als Vorteil für sein Unternehmen sieht er, dass dessen Homepage stets aktuell und vor allem für mobile Geräte optimiert ist. Da inzwischen viele Kunden mit ihrem Smartphone auf Informationssuche gehen, wäre dies sehr wichtig, so Levy. Ein starker Auftritt in den sozialen Medien - Facebook, Instagram, Youtube, Xing, Kununu etc. helfe auch. Levy verkauft aktuell zwei Autos pro Monat über Facebook. Er rät auch dazu, Onlinebewertungen zu beachten, weil auch diese eine zunehmende Rolle bei der Autohauswahl der Kunden spielen. Und noch ein guter Tipp: Sich im Netz als Experte positionieren. In seinem Unternehmen werden zum Beispiel Videos, in denen Verkäufer Autofunktionen erklären, auf der Homepage gut geklickt. Autohäuser können also sehr wohl in der digitalen Entwicklung mithalten. Auch für "Late Follower" muss es nicht zu spät sein. Um mit Källenius zu sprechen: Wie es laufen wird, weiß keiner, aber gar nicht dabei zu sein ist keine Alternative. Kurzfassung Konnektivität, autonomes Fahren, Fahrzeuge teilen und Elektrifizierung sind die Zukunftstrends in der Automobilindustrie. Der Handel muss sich flexibel aufstellen und darf den Anschluss nicht verlieren. In nächster Zeit wird die Industrie aber nicht auf ihn verzichten können.

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