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Kundennähe in Corona-Zeiten: "Es gibt keine App für Vertrauen"

21.08.2020 15:39 Uhr
Kundennähe in Corona-Zeiten: "Es gibt keine App für Vertrauen"
Die Corona-Pandemie erschwert die Kundenkommunikation im Autohaus (Symbolbild).
© Foto: picture alliance/Henning Kaiser/dpa

Wie verändert die Corona-Pandemie die Begegnungsqualität im Autohaus? Worauf gilt es für Verkäufer zu achten? – In einem Gastbeitrag spricht Dienstleistungsexperte Michael Bauer über seine aktuellen Erfahrungen.

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Von Michael Bauer/The Quality Makers

Die Hotellerie kann sicherlich als Benchmark dienen, wenn es um Kundenorientierung und Verkauf im Premium-Bereich geht. In der Hotellerie ist Service-Qualität tief verinnerlicht, Service-Kultur wird ebenso lebendig wie überzeugend gepflegt und gelebt. Sie ist ein wesentlicher Teil des Erfolgsrezeptes.

Nicht umsonst wählte der japanische Autobauer Lexus schon 2006 diesen Ansatz für einen Kulturwandel im Service & Vertrieb und war damit außerordentlich erfolgreich, denn es katapultierte die Marke innerhalb von nur drei Jahren von Platz 27 beim Customer Satisfaction Index von J.D. Power auf Rang zwei und das konstant über mehrere Jahre hinweg.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich Mercedes-Benz nun die Werte Gastgeberkultur und Begegnungsqualität auf die Fahnen geschrieben hat. Denn auch in Zeiten des digitalen Wandels möchte ich warnend eine Hand heben. Sie können viele Prozesse digitalisieren. Aber auch in 30 Jahren gibt es keine App für Vertrauen. Das lässt sich weiterhin nur herkömmlich bzw. nach alter Schule erzeugen.

Für Aston Martin als auch für einen großen Mercedes-Händler haben wir nun deutschlandweit Analysen erstellt, welche Auswirkungen Corona auf die Werte der Begegnungsqualität hat. Die Ergebnisse sind dramatisch. Offensichtlich befällt das Virus nicht nur Lunge und Herz, sondern auch die Wahrnehmung beim Verkäufer.

Was man von Achmed im Segment Service Excellence lernen kann

Vorweg eine kleine, aber wichtige Geschichte: Vor ein paar Jahren war ich zu Dreharbeiten im marokkanischen Marrakesch. Dort traf ich ihn: Achmed – er war Kamel-und Fremdenführer. Er kam sofort auf mich zu mit den Worten "marhabaan ya sadiqi". Das bedeutet so viel wie: "Hallo mein Freund. Ich Achmed – und Du?" Leicht verwirrt stotterte ich: "Michael". Er begrüßte mich daraufhin sofort mit: "Hallo Michael!" Jetzt hatte ich gar keine Lust auf diesen Gesellen, noch Interesse an seiner Dienstleistung. Was ihn aber nicht davon abhielt, mich sofort mit weiteren Fragen zu bombardieren. Unter anderem zu meinem Hotel, dessen Name ich etwas überrumpelt verriet. Zwei Tage später ich kam ich morgens aus dem Hotel. Und wer stand da mit seinem Kamel auf dem Parkplatz? – Natürlich, Achmed. Er entdeckte mich sofort und begann mir zu winken: "Hallo Michael". Ich hatte immer noch keinen Bedarf und stieg schnell ins Auto.

Zwei Tage später jedoch hatte sich das Blatt gewendet. Wir benötigten einen Fremdenführer und Dolmetscher. Wer stand wieder auf dem Parkplatz mit seinem Kamel? Genau, es war wieder Achmed. So wurden wir uns handelseinig. Ich saß ein paar Tage später wieder im Flugzeug und ließ die Eindrücke meiner Reise nochmals Revue passieren. Da fiel mir wieder dieser Marokkaner ein. Dieser Mensch hat in seinem Leben weder ein Kommunikationstraining noch eine Verkaufsschulung absolviert. Mit seinen acht Kindern hatte er einen unglaublichen Vertriebsdruck und sicherlich keine Gruppenunfallversicherung. Trotzdem gelang es ihm spielerisch, mich als Kunden zu gewinnen.

Dann begann ich mir gezielt Gedanken über sein Erfolgsrezept zu machen – und kam auf sein Geheimnis: OFB – Offen, fröhlich und bereit. Mit nur fünf Fragen hatte es dieser Mensch tatsächlich geschafft, eine komplette Bedarfsanalyse inklusive Cross-Selling und Kontaktsicherung zu machen. Damit toppt Achmed locker 80 Prozent aller bundesdeutschen Verkäufer. Zusätzlich brannte in Achmed eine Begeisterung für sein Land, für seine Dienstleistung. Es brannte bei ihm die Kerze im Herzen. Das ist ein infektiöser Zustand. Dieser Enthusiasmus hatte sich offenbar auf mich übertragen.

Social Distancing erschwert die Arbeit

Nun zurück zu den Ergebnissen unserer Analyse: Durch Social Distancing entfallen natürlich der Handschlag und die Berührung, die extrem wichtig wären für den ersten Eindruck. Aus sicherem Abstand gibt es nun ein "Hallo", manchmal wird es eher gebrüllt. Zur Erinnerung: Im Premium-Segment ersetzt das keinesfalls ein höfliches "Guten Morgen" oder "Guten Tag".

Doch nun gerät offensichtlich der übrige Prozess völlig aus dem Takt. Es entfällt die Vorstellung komplett. Das Gesicht ist hinter einer Maske versteckt. Für eine Vertiefung der Beziehungsebene brauchen wir aber die Phase des Warm-up. Jeder Dieselfahrer weiß: Vorglühen ist hilfreich. In der Kommunikation hat diese Regel auch Bestand. Warum erkundigen wir uns nicht mehr nach dem Namen des Kunden?

Ein Name ermöglicht die direkte, respektvolle und persönliche Ansprache. Jeder hört seinen Namen gerne. Das Nennen des Namens im Gespräch ist eine beziehungsbildende Maßnahme. Abgesehen ist der Name bei der Kontaktsicherung essentiell. Ohne den Namen zu kennen gestaltet sie sich deutlich schwieriger.

Bei unseren Besuchen gab es keine einzige Kontaktsicherung. Die naheliegende Frage "Wie wollen wir verbleiben?" wurde nicht gestellt, konkrete Schritte für eine Fortführung wurden nicht vereinbart. Mit einem aufrichtigen Interesse für den Kunden (und einem Verständnis für den eigenen Job) wäre so ein Schritt eigentlich selbstverständlich und wird sich von selbst ergeben.

Daraus ergeben sich folgende Empfehlungen:

  • Werten Sie aus, ob die Anzahl der gesammelten Kontakte zurückgegangen ist.
  • Reflektieren Sie die gesammelten Ergebnisse und besprechen Sie diese Aspekte und Punkte mit ihrem Team oder im Kollegenkreis.
  • Überlegen Sie für sich, wie Sie trotz Maske und Distanzregeln zu einem neuen Begrüßungsritual finden können.
  • Erinnern Sie sich daran, dass in südlichen Ländern beispielsweise zuerst eine Tasse Tee oder ein Mokka angeboten wird. Bauen Sie ein wichtiges Ritual nicht nur in Ihre Service-Inszenierung ein, sondern verankern Sie es fest.

Der Kunde und die Begegnungsqualität in Ihrem Hause werden es Ihnen danken.


Michael Bauer ist Dipl. Hotelier, Service- und Dienstleistungsexperte. Seit 1984 führt er weltweit Hoteltests durch und berät seit über 30 Jahren Unternehmen bei der Steigerung der Service- und Dienstleistungsqualität. Mehrere eigene TV-Formate: u. a. der Urlaubsretter bei SAT1. Zwischenzeitlich arbeitete Bauer auch im Bereich Quality Awareness für die Autobauer Aston Martin, Mercedes-Benz und VW

Michael Bauer, Dienstleistungsexperte seit über 30 Jahren.
© Foto: The Quality Makers
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KOMMENTARE


Jörg Neumann

01.09.2020 - 22:59 Uhr

Ein ganz hervorragender Artikel und auf den Punkt gebrachte Analyse des derzeitigen Zustandes in der gesamten Gesellschaft. Schlechtes Benehmen und unqualifizierte Umgangsformen werden aktuell unter dem "Vorwand Corona" salonfähig gemacht. Nicht nur im Autohandel beobachtet man solcherlei Entgleisungen leider tagtäglich. Ich kenne Herrn Bauer aus einem mehrtägigen Seminar für VW-Nutzfahrzeugverkäufer. Bei mir loderte schon immer die Glut, Herr Bauer hat es geschafft, daraus eine unauslöschbare Stichflamme zu machen, die bis heute im Herzen brennt. :-) Ich kann nur hoffen, dass dieser Beitrag ein Hilfsmittel sein kann, zu normalen Umgangsformen und qualifizierten Kontakten auch mit Mund-Nasen-Schutz zurückzukehren, denn der MNS wird uns alle noch weitere Monate oder Jahre begleiten. Trotzdem stecken Menschen unter der "Maske" und diese unsere Kunden verdienen es, respektvoll und qualifiziert betreut zu werden.


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