Eigenreparatur: Weniger ist (manchmal) mehr

Auch Firmenfahrzeuge bleiben nicht von Unfallschäden verschont. Was liegt für ein Autohaus näher, als Unfallschäden in der eigenen Werkstatt zu beheben. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers muss in solchen Reparaturfällen grundsätzlich den vollen Reparatursatz bezahlen, wie er auch Fremdkunden in Rechnung gestellt wird. Schließlich hätte das Autohaus während der Reparatur des Firmenfahrzeugs Fremdarbeiten ausführen und so Ertrag generieren können. In solchen Fällen der Eigenreparatur neigen Haftpflichtversicherer allerdings gerne dazu, von der Reparaturkostenrechnung pauschal einen "Unternehmergewinn" von 15 oder 20 % abzuziehen. Richtigerweise ist allerdings zu unterscheiden, ob bei der Eigenreparatur die Werkstatt ausgelastet war oder nicht. Nur wenn dies nicht der Fall ist, darf der Versicherer von der Reparaturrechnung den Unternehmergewinn abziehen. Das OLG Saarbrücken schätzt einen solchen Gewinn im Urteil vom 16.05.2013 (Az. 4 U 324/11) auf 20 %. Interessant wird die Frage des Abzugs eines Unternehmergewinns - anders ausgedrückt: Reparatur nach Eigensätzen - bei Nicht-Vollauslastung in einem Fall wie dem nachfolgenden. Praxisfall Ein nahe der Autobahn gelegenes Unternehmen betreibt neben einer Kfz-Meisterwerkstatt ein Abschleppunternehmen. Neben anderem gehört zur Firmenausstattung ein Abschleppanhänger der technischen und preislichen obersten Kategorie. Während eines Abschleppeinsatzes wurde dieser Anhänger durch einen unaufmerksamen Verkehrsteilnehmer so erheblich beschädigt, dass der Anhänger zunächst nicht mehr einsatzfähig war. Durch ein Sachverständigengutachten wurde folgendes festgestellt: - Reparaturkosten netto 10.084,03 Euro - Wiederbeschaffungswert netto 7.058,52 Euro - Restwert netto 2.100,84 Euro - Wiederbeschaffungsdauer 11 Werktage - Reparaturauftrag nicht erteilt Aufgrund der hervorragenden Ausstattung mit Abschleppaufträgen zum Zeitpunkt des Unfalls führte das Unternehmen in der eigenen Werkstatt zunächst eine "Not"-Reparatur durch. Der Anhänger wurde in einen funktions- und betriebssicheren Zustand versetzt und die Abschleppaufträge abgearbeitet. Die Werkstatt war zu diesem Zeitpunkt nicht ausgelastet. Nachfolgend wurde - wiederum bei nicht voller Auslastung der Werkstatt - die Komplettreparatur fachgerecht durchgeführt. Das Unternehmen erstellte unter Berücksichtigung von Eigensätzen eine Rechnung über den Betrag von 9.175,64 Euro netto und blieb damit weniger als einen Euro unterhalb der sich aus dem Sachverständigengutachten ergebenden 130 %-Grenze: Wiederbeschaffungswert gemäß Gutachten 7.058,52 Euro x 130 % = 9.176,47 Euro. Die Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers rechnete nach Wiederbeschaffungsaufwand ab (Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert) und zahlte einen Betrag von lediglich 4.957,98 Euro. Die Haftpflichtversicherung steht auf dem Standpunkt, die gutachterlich festgestellte 130 %-Grenze sei nicht eingehalten. Die Angelegenheit befindet sich noch in der außergerichtlichen Regulierung, ein Rechtsstreit wird sich allerdings wohl kaum vermeiden lassen. 130 %-Grenze nach BGH Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeuges in aller Regel wirtschaftlich unvernünftig mit der Folge der Reparaturunwürdigkeit, wenn die (voraussichtlichen) Kosten der Reparatur mehr als 130 % des Wiederbeschaffungswerts ausmachen. In einem solchen Fall kann der Geschädigte vom Schädiger grundsätzlich nur die Wiederbeschaffungskosten abzüglich Restwert verlangen. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug trotzdem reparieren, können dann die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden wirtschaftlich vernünftigen Teil (bis 130 % des Wiederbeschaffungswertes) und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden wirtschaftlich unvernünftigen Teil (oberhalb der 130 % Grenze) aufgespalten werden. Maßgeblicher Anhaltspunkt sind die Aussagen in einem Sachverständigengutachten. Lässt der Geschädigte sein Fahrzeug im Fall des wirtschaftlichen Totalschadens dennoch reparieren, ist dies grundsätzlich seine eigene Angelegenheit, er wird über den Wiederbeschaffungsaufwand hinaus keine Zahlung erhalten. Ausnahmen Keine Regel ohne Ausnahme. Der BGH im Leitsatz des Urteils vom 14.12.2010 (Az. VI ZR 231/09): "Der Geschädigte kann Ersatz der angefallenen Reparaturkosten verlangen, wenn es ihm entgegen der Einschätzung des vorgerichtlichen Sachverständigen gelungen ist, eine fachgerechte und den Vorgaben des Sachverständigen entsprechende Reparatur durchzuführen, deren Kosten den Wiederbeschaffungswert nicht übersteigen." Die Fallkonstellation war hier, dass der Geschädigte sein Fahrzeug den Vorgaben des Sachverständigengutachtens entsprechend - allerdings unter Verwendung von Gebrauchtteilen - hatte reparieren lassen und das Fahrzeug auch weiter genutzt hatte. Die für diese Art der Reparatur angefallenen Kosten blieben knapp unterhalb des Wiederbeschaffungswertes. Der BGH urteilte, dass dem Geschädigten aus dem Gesichtspunkt des Wirtschaftlichkeitsgebots eine Abrechnung der konkret angefallenen Reparaturkosten nicht verwehrt werden konnte. Schließlich war es ihm gelungen, eine nach Auffassung des gerichtlich bestellten Sachverständigen fachgerechte und den Vorgaben des ursprünglichen Gutachtens entsprechende Reparatur durchzuführen. Dieses Urteil bedeutet jedoch keinen Freibrief für eine "kreative" Rechnungsgestaltung. Der BGH in seinem Urteil vom 08.02.2011 (Az. VI ZR 79/10) hierzu: "Gewährt die Reparaturwerkstatt ihrem Kunden einen Rabatt und bleibt ihre Reparaturrechnung dadurch knapp unter der 130 %-Grenze, so ist ohne die Aufklärung der Umstände der Rabattgewährung eine Wirtschaftlichkeit der Reparatur nicht anzunehmen." Hintergrund war, dass eine Werkstatt für die Reparatur eines Fahrzeuges eine übliche Rechnung stellte und vom Rechnungsbetrag sodann einen "Rabatt" von pauschal 11 % abzog. Hierdurch lag der reduzierte Rechnungsbetrag knapp unterhalb der 130 %-Grenze des vom Sachverständigen festgestellten Wiederbeschaffungswerts. Nachdem der Geschädigte im Prozess die näheren Umstände der Rabattgewährung nicht erläutern konnte, sah der BGH das Wirtschaftlichkeitsgebot verletzt. Der Geschädigte blieb auf seinen - letztlich geschönten - Reparaturkosten sitzen. Im oben geschilderten Praxisfall hält sich das geschädigte Unternehmen allerdings an die Vorgaben der Rechtsprechung und berücksichtigt sogar die Regulierungspraxis der Haftpflichtversicherungen. Über den Ausgang eines eventuell dennoch erforderlichen Gerichtsverfahrens werden wir zum gegebenen Zeitpunkt berichten. Kurzfassung 1. Nach der durchgängigen Rechtsprechung des BGH ist die Instandsetzung eines beschädigten Fahrzeuges dann wirtschaftlich unvernünftig und es liegt Reparaturunwürdigkeit vor, wenn die Kosten der Reparatur voraussichtlich mehr als 130 % des in einem Sachverständigengutachten festgestellten Wiederbeschaff ungswertes ausmachen.2. Gelingt es dem Geschädigten entgegen der Einschätzung eines Sachverständigengutachtens - z. B. durch Verwendung von Gebrauchtteilen - eine fachgerechte Reparatur zu einem Betrag unterhalb der 130 %-Grenze zu realisieren, muss der Schädiger diesen günstigeren Reparaturbetrag bezahlen.3. Bleibt eine Reparaturrechnung nur deshalb unterhalb der 130 %-Grenze des Sachverständigengutachtens, weil die Werkstatt einen pauschalen Rabatt abzieht, und werden die Umstände der Rabattierung nicht nachvollziehbar aufgeklärt, liegt ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor; der Geschädigte erhält nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert.4. Berechnet eine Werkstatt bei der Eigenreparatur eines Firmenfahrzeuges reduzierte Eigensätze und bleibt die Reparaturrechnung deshalb unterhalb der 130 %-Grenze, ist der Schädiger grundsätzlich zur Bezahlung dieses Rechnungsbetrags verpflichtet. Kommentar Einen Schädiger trifft hinsichtlich der Schadenshöhe grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast eines mitwirkenden Verschuldens des Geschädigten. Daher obliegt es dem Schädiger auch darzulegen und zu beweisen, dass die Instandsetzungskapazität der Werkstatt zum Zeitpunkt der Reparatur nicht ausgelastet war, so dass sie zumutbarerweise die Reparatur mit Eigensätzen hätte selbst durchführen können. Die Rechtsprechung ist hier durchaus einheitlich. Ersichtlich nicht entschieden ist die Frage der Darlegungs- und Beweislast für den Fall, dass eine Werkstatt sich gerade darauf beruft, nicht ausgelastet gewesen zu sein, deshalb nach Eigensätzen repariert zu haben und deshalb unterhalb der 130 %-Grenze geblieben zu sein. Muss die Werkstatt dann die Tatsache der "Nichtauslastung" beweisen? Nach augenblicklicher Beurteilung dürfte ein so genannter "Vollbeweis" nicht erforderlich sein. Die Darlegung konkreter Umstände dürfte genügen. Solche Umstände wären jedenfalls ausreichend zu dokumentieren, um möglichst auf der sicheren Seite zu sein.Rechtsanwalt Rainer Bopp

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