Serviceprozesse: Zukunftstreiber im Aftersales

AH: Herr Dr. Aubel, worin bestehen aus Ihrer Sicht die wesentlichen Zukunftstreiber im Aftersales-Geschäft? T. Aubel: Lassen Sie mich meine Einschätzung aus zwei Perspektiven darstellen, "extern" und "intern". Nach meiner über 40-jährigen Erfahrung in der Branche "Technische Dienstleistung" bin ich gewohnt, dem Kunden zu dienen. Aus Überzeugung steht für mich der Kunde im Mittelpunkt, an ihm haben wir all unsere Service-Aktivitäten auszurichten. Was ist dem Kunden wichtig? Es sind die drei Faktoren: qualitative Durchführung, kompetente Beratung und faire Preise. Diese sehe ich damit zwingend als Treiber externer Art. Um das Kundenbegehren zu befriedigen, ergibt sich für jedes Autohaus und das verantwortliche Management eine Notwendigkeit: nämlich die drei Führungselemente "Personal, Produkte und Prozesse" sorgfältig abzubilden. Ausgehend von den externen Treibern werden die "drei Ps" damit genauso zwingend zu Treibern interner Art. Serviceprozess AH: Wie stellt sich aktuell der ganzheitliche Serviceprozess dar? T. Aubel: Dieser läuft entlang der Prozesskette mit den Hauptelementen Terminvereinbarung, Terminvorbereitung, Fahrzeugannahme/Auftragserstellung, Reparatur/Leistungserbringung, Qualitätskontrolle/Vorbereitung der Fahrzeugrückgabe, Fahrzeugrückgabe/Abrechnung und Nachbereitung ab. Erfolgsfaktoren sind höchste Qualität, fachliche Kompetenz und optimale Betreuung. Vernachlässigt wird häufig leider der Prozessschritt "Nachbetreuung". Ein Instrument, um viel Boden gutzumachen, aber eben auch viel Potenzial herzuschenken. Immerhin haben 90 Prozent der Kunden die Neigung, ihrer Werkstatt über lange Zeit treu zu bleiben. Digitalisierte Prozesse AH: Welche dieser Prozesse sind inzwischen digitalisiert? T. Aubel: Schauen wir uns die soeben angesprochene Prozesskette genau an, dann sollten die kundenfokussierten Schritte so stark wie nötig zu individualisieren, die Autohaus-internen Schritte dagegen so stark wie möglich zu automatisieren sein. Dabei sollte genau abgewogen werden, wo eine Digitalisierung Sinn macht und wo nicht! Richtig angewendet kann Digitalisierung zu Effizienzsteigerung, Papierlosigkeit und Kundenbindung führen. Systeme wie z. B. "Das Digitale Autohaus" von Gudat Solutions stellt für Autohäuser eine wertvolle Unterstützung dar. Man behalte stets im Auge: Kfz-Service ist nach wie vor Vertrauenssache! Direktannahme AH: Wo steht die Branche beim Thema Direktannahme? T. Aubel: Die Direktannahme ist ein seit langem vielschichtig und durchaus kontrovers diskutiertes Thema. Die einen verabschieden sich davon, die anderen unterstützen ihre Prozesse mit digitalen Mitteln und wiederum weitere setzen ohne Zweifel auf die Fortführung der Direktannahme. Die Frage nach dem "Was ist richtig?" ist wohl nicht einfach zu beantworten. AH: Worin liegen die Herausforderungen für den Wandel in der Dialogannahme? T. Aubel: Starten wir wieder mit dem Kunden. Der Kunde ist König! Alles andere hat sich realistischen, berechtigten und leistbaren Anforderungen des "Königs" unterzuordnen. Nun aber: Wer ist Kunde? Und da machen wir uns das Leben häufig etwas zu leicht. Wir führen eine "Schwarz-Weiß-Diskussion". Das Kundenspektrum ist aber nicht schwarzweiß. Es gibt ältere Menschen - nennen wir sie Seniors -, es gibt jüngere Menschen - nennen wir sie Juniors - und es gibt Menschen mittleren Alters - nennen wir sie Middle Age. Worin liegt aber nun der Unterschied in ihrem Verhalten zum Auto und zum Autohaus? Seniors legen heute noch Wert darauf, ihr Fahrzeug zu besitzen, es bei Störungen in die Hand von vertrauenswürdigen Partnern zu geben, wobei die Kosten nicht von höchster Bedeutung sind. Juniors haben weniger Interesse, ein Fahrzeug zu besitzen, sondern wollen die Garantie für Mobilität erwerben. Dabei sind Handlings-Komfort, Sorglosigkeit und Kostenattraktivität von vorrangiger Bedeutung. In der Mitte ordnet sich, wie der Name schon sagt, das Middle Age ein. Schwer zu fassen, schwer zu definieren, Interesse für ein Kleinfahrzeug bis hin zu einem Sportwagen, bereit, höhere Preise für Leistung zu bezahlen, aber durchaus kritisch gegenüber überzogenen Preisen. Insgesamt ein weitgefächertes Kundenverhalten. Aber es ist so, wie es ist! Alle drei Kundengruppen sind vorhanden und selbst innerhalb der einzelnen Kundengruppe ist der individuelle Zugang zum Kunden der Maßstab. Zukunftstechnologien AH: Wie werden die Anpassungen in Sachen alternative Antriebstechnologien und automatisierte Fahrsysteme aussehen? Was bedeutet das für die Werkstatt 4.0? T. Aubel: Der Zwang zu neuen Wegen ist ausgelöst durch Umweltveränderungen und Verkehrseinschränkungen. Alternative Antriebssysteme und automatisierte Fahrsysteme versprechen Lösungen. Die Frage ist, ab wann diese neuen Systeme kommen werden. Elektromobilität mit verschiedenen Energieträgern ist vorhanden und zugelassen. Die Nutzung von "freifahrenden Roboterautos" in Deutschland sehe ich aus technischen und insbesondere aus rechtlichen Gründen erst in einigen Jahren. 2022 soll der Gesetzesentwurf für autonomes Fahren in Deutschland vorliegen. Das Autohaus 4.0 kommt, auch im Aftersales-Sektor. Der Reparaturumfang wird mit den neuen Technologien deutlich komplexer, die Zugänglichkeit einzelner Bauteile diffiziler. Umgekehrt werden innovative Technologien den Werkstattprozess unterstützen. Over-the-air-Fehlerdiagnose, neue Cross- und Up-Selling-Potenziale rund um die Mobilität, kamera- und sensorgestützte Technologien für die Diagnose und für mehr Kundentransparenz werden das Servicespektrum beleben. Die Branche ist gefordert, hier große Veränderungsbereitschaft ebenso wie investive Mittel einzubringen. AH: Herr Dr. Aubel, vielen Dank für das Gespräch! Zur Person Als Geschäftsführer bei der MAHA war Dr.-Ing. Thomas Aubel zuletzt maßgeblich für den weltweiten Vertrieb und Service verantwortlich. Nach Studium und Promotion war er u.a. bei TÜV Süd, TÜV Rheinland und TÜVTURK AG tätig. Weitere internationale Führungserfahrungen sammelte er in China, West- und Osteuropa sowie Nord- und Mittelamerika. Wer mit ihm über den Service-Tellerrand schauen möchte, kann Kontakt aufnehmen: tbaubel@t-online.de

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