Wegen des VW-Skandals will die EU-Kommission die nationalen Behörden und ihre Kfz-Zulassungsstellen schärfer unter die Lupe nehmen. "Die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten haben versagt", sagte EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag). "Wir wollen künftig kontrollieren und überprüfen, ob die nationalen Behörden ordnungsgemäß arbeiten." Zudem sollten die Mitgliedstaaten die Ergebnisse von Fahrzeug-Tests untereinander austauschen.
Volkswagen drohen Milliardenkosten und - strafen. Europas größter Autobauer hatte jahrelang Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen manipuliert. Zudem hatte das Dax-Schwergewicht falsche Angaben beim CO2-Ausstoß und damit auch beim Spritverbrauch gemacht.
Die EU-Kommission werde im Dezember Details zu den Plänen vorstellen, die dann mit den EU-Staaten und dem Europaparlament abgestimmt werden müssen, sagte Bienkowska. Mit Blick auf VW betonte sie: "Es geht nicht darum, Geld zu zahlen und dann ist der Fall vorbei. Wir müssen Gewissheit haben. Es geht darum, das ganze System zu ändern." Dem Bericht zufolge will sich Bienkowska am Donnerstag und Freitag in Berlin mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sowie mit VW-Verantwortlichen treffen.
Wegen der falschen CO2-Werte könnten Volkswagen auch EU-Strafen drohen. Bevor die EU-Kommission über mögliche Geldbußen entscheide, müssten aber erst die Fakten geklärt werden, erläuterte eine Sprecherin der Brüsseler Behörde. Seit 2012 gibt es für die Autohersteller CO2-Grenzwerte, die sie im Durchschnitt ihrer gesamten Flotte einhalten müssen. Wenn diese nicht erfüllt werden, können Strafzahlungen fällig werden.
EU warnt Berlin vor wirtschaftlichen Folgen
Die EU-Kommission warnt Deutschland auch vor möglichen Auswirkungen des VW-Abgasskandals auf die gesamte Volkswirtschaft. Investitionen von Unternehmen könnten beeinträchtigt werden, berichtet die EU-Behörde in ihrer am Donnerstag in Brüssel veröffentlichten Herbst-Konjunkturprognose. Unabhängig vom Volkswagen-Skandal fordert die Kommission Deutschland auf, Investitionen anzukurbeln. Grund dafür sind auch die hohen Exportüberschüsse, die seit längerem in Brüssel kritisch gesehen werden.
Laut Kommission dürfte der deutsche Überschuss bei der Leistungsbilanz im laufenden Jahr höher ausfallen als bisher angenommen. Erwartet werden 8,7 Prozent der Wirtschaftsleistung, das sind 0,8 Punkte mehr als bisher erwartet. EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagte mit Blick auf Deutschland, es gebe wirtschaftliche Ungleichgewichte, die nicht neu seien. "Wir werden darüber in den nächsten Wochen sprechen." Die Kommission untersucht im Rahmen ihrer jährlichen Wirtschafts- und Haushaltskontrolle regelmäßig diese Ungleichgewichte.
Die Leistungsbilanz ist eine Art Kassenbuch der Volkswirtschaft. Ein Überschuss bedeutet, dass die Wirtschaft mehr produziert als sie verbraucht. Die Handelsbilanz ist ein Teil der Leistungsbilanz und erfasst den internationalen Warenhandel.
Rechtliche Grauzonen?
Der Auto Club Europa (ACE) warf VW vor, trotz der Ankündigung des neuen Konzernchefs Matthias Müller zu mehr Transparenz weiter nicht mit offenen Karten zu spielen. "Mit dem jüngsten Eingeständnis verfälschter CO2-Werte tritt VW die Flucht nach vorne an, ohne die Fehler aber genau zu benennen - das wirft viele Fragen auf und verunsichert die Verbraucher weiter", sagte ACE-Sprecher Klaus-Michael Schaal.
Einige Tricks bei Labortests würden als rechtliche Grauzone gelten, sagte Schaal. "Dass VW nun von sich aus Fehler zugibt, deutet darauf hin, dass die Firma diese Grauzone hier eindeutig verlassen hat. VW macht das nicht aus Gutmenschentum, vielmehr geht man wohl davon aus, die Fehler würden irgendwann von externer Stelle entdeckt - also lieber jetzt von sich aus an die Öffentlichkeit."
VW hatte am Dienstag mitgeteilt, es gebe "Unregelmäßigkeiten" beim CO2-Ausstoß (wir berichteten). Dabei geht es um die Modelle Polo, Golf, Passat, Audi A1 und A3 sowie Skoda Octavia und Seat Leon und Ibiza. Volkswagen taxierte die zusätzlichen wirtschaftlichen Risiken der falschen CO2-Angaben in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro. (dpa)
Dieter M. Hölzel