Ausgabe 09/2012: Beim Fahren Finger weg!

Beim Fahren Finger weg!STvzo – Rigorose Rechtsprechung zum Handyverbot beim Autofahren autohaus-juristen Rechtsanwälte g. Haug & partnerSeit der Einführung des Abs. 1 a zu § 23 StVO hat sich die unerlaubte Handynutzung zu einem Dauerbrenner in der anwaltlichen Beratungspraxis entwickelt. Dies liegt zum einen daran, dass dieses Verbot von einer Vielzahl der Betroffenen als völlig überflüssig bzw. Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit angesehen wird. Zum anderen wird ein solcher Verstoß in der Regel nicht nur mit 40 Euro Bußgeld, sondern auch mit einem Punkt in der Verkehrssünderkartei geahndet. Diese Bußgeldverfahren beschäftigen aber vor allem deshalb die Amtsgerichte, weil die Ausreden der Fahrzeuglenker geradezu unerschöpflich sind. Jede Benutzungsweise untersagtAlleine die heutzutage verfügbaren Smartphone-Funktionen bieten einen breiten Raum für die gängige Einlassung, überhaupt nicht telefoniert zu haben. „Ich habe auf meinem Organizer doch nur nachgeschaut, wann mein nächster Termin stattfindet“, ist nur eine von vielen Einlassungen, die immer wieder vorgebracht werden. Auf Vorhalt des Polizeibeamten, wonach dieser deutliche Sprechbewegungen wahrgenommen haben will, wird dann meist entgegnet, man habe seinen Terminplan mittels Sprachsteuerung abgerufen. Dabei wird von den Handynutzern übersehen, dass nach dem Gesetzeswortlaut jede „Benutzung eines Mobil- oder Autotelefons untersagt ist“, wenn der Fahrzeugführer hierfür das Mobiltelefon oder den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. Nach Satz 2 dieser Vorschrift gilt dies nur dann nicht, wenn das Fahrzeug steht und bei Kraftfahrzeugen der Motor ausgeschaltet ist. Die Intention des Gesetzgebers liegt auf der Hand: Der Fahrzeugführer, also auch Radfahrer, soll während der Benutzung des Handys beide Hände für die Bewältigung der Fahrzeugaufgaben frei haben. Von daher wird nicht nur das Telefonieren, sondern schlichtweg jede Benutzung bzw. Bedienfunktion, wie etwa das Anwählen bzw. die Versendung von Kurznachrichten oder das Abrufen von Daten im Internet, untersagt. Man kann natürlich geteilter Meinung sein, ob diese rigorose Sichtweise einer verfassungskonformen Auslegung dieser Vorschrift entspricht. Die überwiegende Mehrheit der damit befassten Amts- und Beschwerdegerichte hat allerdings sämtlichen hiergegen gerichteten Einwänden eine klare Absage erteilt. Dies gilt insbesondere für die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten als Instrument zur Speicherung, Verarbeitung und zum Abrufen von Daten, wie etwa Organisator-, Diktier- und Spielefunktionen. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung bedarf es insoweit auch keiner Erörterung, ob eine einschränkende Auslegung im Hinblick darauf geboten ist, dass die Verwendung spezieller Geräte mit entsprechenden Funktionen ohne Telefoneinrichtung, also z. B. ein reines Diktiergerät, keinem Verbot unterliegt. Denn es gilt nicht, den Anwendungsbereich der Bestimmung in der Richtung auszuloten, welche konkreten Gebrauchsformen neben dem Telefonieren noch von dem Verbotstatbestand umfass werden, wie weit also der Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 a StVO reicht. Es ist vielmehr zu klären, wo er beginnt. RechtsprechungFür diese Fragestellung kommt es entscheidend darauf an, dass der Begriff der Benutzung schon von seinem Wortstamm her erfordert, dass die Handhabung einen Bezug zu einer der Funktionen des Gerätes aufweist. Wenn dem nicht so ist, kann nicht mehr davon die Rede sein, dass es bestimmungsgemäß nutzbar gemacht wird. Ausgangspunkt dieser Überlegung war eine amtsgerichtliche Verurteilung des Betroffenen, der sein rappelndes Handy während der Fahrt aus dem linken Ablagefach genommen und es auf die Mittelkonsole gelegt hat. Auf dessen Beschwerde hin hat das OLG Köln dieses Urteil aufgehoben und das Verfahren zur Klärung der (weitergehenden) Benutzungsfrage an das Amtsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung wurde auf den eindeutigen Wortlaut des § 23 Abs. 1 a StVO verwiesen, der das Aufnehmen und Halten des Mobiltelefons nicht als solches untersagt, sondern nur die tatsächliche Benutzung. Demgegenüber vertritt das OLG Hamm die Auffassung, dass jegliche Nutzung des in der Hand gehaltenen Mobiltelefons gesetzlich untersagt sei. Aus diesem Grund soll auch das Ablesen der Uhrzeit vom Display des Mobiltelefons eine unerlaubte Benutzung im Sinne der Vorschrift darstellen. Insbesondere handelt es sich hierbei um eine „Handhabung bei der Bedienung des Gerätes“, weil der Betroffene das Handy aufgenommen und nicht beide Hände für die Bewältigung der Fahraufgabe frei hatte. Gerade aber dies wollte der Gesetzgeber verhindern, um die mit der Bedienung eines Mobiltelefons verbundenen Gefahren auf ein hinnehmbares Maß zu reduzieren. In dieselbe Richtung weist ein Beschluss des OLG Köln, bei dem es um das „Wegdrücken“ eines ankommenden Anrufs während der Fahrt ging. Nach den tatrichterlichen Feststellungen hatte der Betroffene sein Handy reflexartig mit der Hand aufgenommen, um einen Anruf wegzudrücken. Auch diese Verurteilung wurde in der Beschwerdeinstanz bestätigt, weil auch die manuelle Deaktivierung des Gerätes einen direkten Bezug zur Funktion des Mobiltelefons haben soll. Insoweit handelt es sich, ebenso wie bei der Beendigung einer Gesprächsverbindung oder dem Ein- und Ausschalten, um eine Benutzung i.S.d. § 23 a StVO. Rechtsanwalt Walter Sattler Kanzlei@raehaug-partner.deKurzfassung1. Von dem sog. Handyverbot wird nicht nur das Telefonieren während der Fahrt, sondern jegliche Benutzung erfasst, wenn der Fahrzeugführer hierfür das Mobiltelefon bzw. den Hörer des Autotelefons aufnimmt oder hält. 2. Dies gilt insbesondere für sämtliche heute gängigen Smartphon-Funktionen, wie etwa Organizer und Diktiergerät etc. 3. Auch das Ablesen des Displays und Wegdrücken von ankommenden Anrufen wird von einem Teil der Gerichte als Benutzung i.S.d. § 23 Abs. 1 a StVO angesehen. Kommentar< Die Begründung für das Handyverbot basiert auf einer zwischenzeitlich 15 Jahre zurückliegenden Untersuchung der Bundesanstalt für Straßenwesen. Diese soll ergeben haben, dass sich durch die Benutzung einer Freisprecheinrichtung während des Telefongesprächs sowohl die Unsicherheitsfehler, wie etwa spätes Bremsen oder Nichteinhalten der Fahrspur, als auch die Fahrfehler, wie das Übersehen von Verkehrszeichen im Vergleich zu einem Gespräch ohne Freisprecheinrichtung um mehr als 50 % reduzieren lassen. Ob dies tatsächlich so ist und auch heute noch gilt, sei dahingestellt. Abgesehen davon gibt es eine Vielzahl anderweitiger Ablenkungen, mit denen sich ein Fahrer zulässigerweise beschäftigen darf (z. B. das im Fahrzeug integrierte Navigationsgerät). Auch hierfür ist es meist erforderlich, zumindest eine Hand vom Lenkrad zu nehmen oder sich gar mit der Tastatur für die Straßeneingabe zu beschäftigen. Die nebenstehend besprochenen Entscheidungen machen zudem deutlich, dass die Gerichte bei ihrer Auslegung geneigt sind, über das Ziel hinauszuschießen. Warum es verboten sein soll, das Handy von der Mittelkonsole aufzunehmen und die Uhrzeit abzulesen bzw. einen Anruf wegzudrücken, versteht kein Mensch. Eine derart ausufernde Handhabung des § 23 Abs. 1 a StVO ist auch verfassungsrechtlich mehr als bedenklich. Nachdem allerdings der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts eine entsprechende Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen hat, wird sich bis auf weiteres an dieser absurden Rechtsprechung auch nichts ändern. Deshalb Finger weg vom Handy, wenn man im Auto sitzt. >

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