Ende des Corona-Shutdowns: Schwimmkurs für alle

Ab heute dürfen auch die Schauräume in Bayern wieder geöffnet sein. Trotzdem: Business as Usual wird es nicht geben. Viel zu sehr sind die Kunden verunsichert, viele fürchten um ihr Geschäft oder ihren Arbeitsplatz. In Deutschland haben per Mitte April 725 000 Unternehmen Kurzarbeit angemeldet. Sogar Hildegard Müller, Chefin des Autoverbands VDA, geht davon aus, dass der Markt in Deutschland um 20 Prozent einbrechen wird. Das macht keine große Hoffnung, dass die in den Schließungswochen verlorenen Verkäufe wieder aufgeholt werden können. "Es wird wohl kein Start von 0 auf 100", sagt denn auch ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn. "Aber wer den Lock Down genutzt hat, um auch weiter mit seinen Kunden in Kontakt zu bleiben, kann auch schneller wieder hochfahren." Gebraucht würden jetzt aber staatliche Kaufanreize, und zwar nicht nur für Elektro- und Hybridfahrzeuge, sondern auch für verbrauchsarme Verbrenner. Und diese müssten gepaart sein mit guten Aktionen der Hersteller, fordert der oberste Fabrikatsvertreter.Raten aussetzenAber einfach nur auf die Hersteller zu warten kann sich kein Händler leisten. Die meisten hatten gravierende Einbrüche bis zum vollständigen Erliegen des Verkaufsgeschäfts und müssen jetzt schauen, wie sie so schnell wie möglich wieder an Verkäufe kommen. Einen Vorschlag dafür hat André Quakernack vom Ford Store Hagemeier in Haale/Westfalen: "In diesen Zeiten muss man den Menschen die Angst vor großen Investitionen nehmen." Deswegen hat er schon während des Shut Downs damit begonnen, auf Facebook und Youtube mit der Aussetzung der Finanzierungsraten bis Ende 2020 zu werben. Der Kunde zahlt erstmals im Januar 2021. "Wir haben auf dieses Angebot sehr viele Anfragen bekommen und auch ein gutes Dutzend Fahrzeuge verkauft", berichtet Quakernack. Aber nicht nur der schnelle Erfolg zählt für den Geschäftsführer, der zusammen mit seinem Bruder drei Autohäuser führt: "Mir ist es ganz wichtig, dass die Verkaufsabteilung weiter voll im Flow bleibt." Er hält es sogar für möglich, die entgangenen Verkäufe wieder aufzuholen.Nicht verschleudernPeter Gerards von der Ruhrdeich-Gruppe mit Hauptsitz in Duisburg ist vorsichtiger: Er will noch nicht gleich alle Verkäufer in die Verkaufsräume zurückholen, weil er zur Wiedereröffnung keinen Ansturm erwartet. Auch ihm ist klar: Autokauf steht derzeit bei den Kunden nicht ganz oben auf der Wunschliste. Zwar habe es auch in seinen Betrieben viele Online-Anfragen gegeben - aber eben auch von vielen "Preisgeiern", die nach Corona-Angeboten fragten. Gerards sieht keinen Grund, jetzt die Fahrzeuge zu verramschen. Zumal derzeit nicht klar sei, wann die Autohäuser von den Herstellern wieder im gewohnten Umfang beliefert werden. Bei den meisten läuft die Produktion erst an. Wann es in welchem Umfang wieder losgeht, hängt auch von den Lieferketten ab.Neue KaufinteressentenChancen sieht Gerards eher bei jungen Leuten, die sonst mit Bus und Bahn fahren und das jetzt wegen der Ansteckungsgefahr lieber nicht tun. "Mobilität für kleines Geld könnte uns neue Kaufinteressenten bescheren", so der Unternehmer aus dem Ruhrgebiet. "Das setzt allerdings voraus, dass die EU die CO2-Vorgaben verschiebt." Gerade Kleinwagenverkäufe würden durch diese nicht begünstigt. Ansonsten werde es in seiner Gruppe natürlich in Zusammenarbeit mit den Herstellern Angebote geben und die Kunden, deren Finanzierung oder Leasing ausläuft, werden kontaktiert und bedient.Chance für KurzzeitangeboteDer Umstieg von öffentlichen Verkehrsmitteln auf das Auto als virenfreien Rückzugsraum könnte auch noch in anderer Hinsicht interessant sein: Die Angst vor Ansteckung treibt auch das Bedürfnis nach professioneller Fahrzeugreinigung und Desinfektion. Außerdem ergab eine Studie von Puls Marktforschung, dass wegen der Angst vor langfristiger Bindung an Autos in wirtschaftlich unsicheren Zeiten Auto-Abos und Kurzzeitmiete wichtiger werden.Von Digitalisierung profitierenWährend des Shut Downs wurde viel für das Vorantreiben der Digitalisierung und der Online-Kanäle geworben. Eine vorläufige Bilanz zeigt hier gemischte Ergebnisse. Peckruhn, dessen Autohaus Liebe in diesem Bereich besonders aktiv war und ist, formuliert es so: "Wer vorher online gekauft hat, hat es auch nachher getan. Wer vorher stationär gekauft hat, ist dabei geblieben." Die vier Wochen hätten nicht gereicht, um Kunden hier auf einen anderen Kanal umzupolen. Die meisten hätten sich die Angebote angehört und dann gesagt: "Ich warte lieber, bis sie wieder geöffnet haben." Das sei auch gut so für den stationären Handel. Aber: Peckruhn wird seine Bemühungen in diese Richtung dennoch fortsetzen. Denn sein Online-Kanal LiebeDirect24.de habe sich mittlerweile zu einer weiteren kleinen Filiale entwickelt. "Wir nähern uns einem zweistelligen Prozentsatz unserer Verkäufe." Das habe auch während des Shut Downs geholfen: Die Verkaufseinbrüche in der Gruppe seien nicht so groß gewesen wie im Branchendurchschnitt.Service-IdeenIm Service lief es in den Autohäusern ohnehin viel besser als im Verkauf und hier wird wohl auch die Rückkehr zur Normalität schneller möglich sein, inklusive der Chance, ausgefallene Umsätze wieder aufzuholen. Wichtig dabei ist, da sind sich alle von uns befragten Unternehmer einig, dass den Kunden klar ist, dass sie sich um die Hygienemaßnahmen in den Autohäusern keine Sorgen machen müssen, Mindestabstände und Spuckschutz kein Problem sind.Hier berichtet der Landesverband Baden-Württemberg auch von ein paar witzigen Ideen: Das Autohaus Klaiber in Balgheim hat zum Beispiel ein Dixi-Klo im Eingangsbereich platziert, damit sich Kunden zunächst die Hände waschen können. Erst danach darf der Kunde zur Annahme. Autohaus-Geschäftsführer Matthias Thoma in Sexau steuert die Kundenfrequenz mit einer mehrfarbigen LED-Lampe, die eigentlich seinem Sohn als Kinderdisco dient: Nur wenn die Birne grün leuchtet, darf der nächste Kunde an den Tresen im Eingangsbereich treten. Gerd Billwiller hat in seinem Autohaus ohnehin im Betrieb vorhandene Windschutzscheiben als Spuckschutz installiert.Und: Gerade für ältere Kunden, die zur Risikogruppe in Sachen Corona gehören, dürfte auch weiterhin ein Hol- und Bringservice für die Fahrzeuge interessant sein. Was die Mitarbeiter betrifft, wollen viele Betriebe zunächst vorsichtig agieren und es bei den getrennten Teams belassen, um bei einer immer noch möglichen Ansteckung nicht gleich die gesamte Mannschaft in Quarantäne schicken zu müssen.Schaden begrenzenUnd dann gilt es natürlich auch noch, den bereits entstandenen Schaden so gut wie möglich zu begrenzen. Willi Bonke, der Geschäftsführer der Auto Eder Betriebe in Kolbermoor, rechnet mit 15 bis 20 Prozent weniger Neuwagenverkäufen für dieses Jahr aufgrund der Corona-Krise. Das bedeutet, dass er Kosten einsparen muss, denn der Umsatz fehlt. Erhalten Mitarbeiter mit einem befristeten Arbeitsvertrag, der demnächst ausläuft, eine Verlängerung? Welche Sponsoringmaßnahmen können eingestellt werden? Das sind die Fragen, mit denen er sich derzeit beschäftigt. Denn: "Wir müssen uns jetzt auf reine Vertriebs- und Absatzaktionen fokussieren, unnötige Werbungskosten reduzieren und zu hohe Bestände abbauen."Außerdem braucht es laut Bonke weiterhin die Unterstützung der Hersteller. Er fordert die Aussetzung der Tilgung, Zinsfreiheit für alle Neufahrzeuge von Kunden für 120 Tage und bei Lagerfahrzeugen von 240 Tagen, Aussetzung der Standards in Bezug auf Ausstellungs- und Vorführwagen, keine Schulungen bis zum Ende des dritten Quartals und generell keine Service- und Verkaufsstandards in 2020. Und: "Die Jahresverkaufsziele für 2020 müssen komplett storniert werden, damit der Handel ohne Hindernisse und mit möglichst größter Planungssicherheit mit allen Rabatten kalkulieren kann. Am besten wäre die feste Marge und variable Margen als eine Einheit zu kombinieren."KurzfassungKinderdisco zur Steuerung der Kundenfrequenz, Windschutzscheiben als Spuckschutz, Aussetzung der Finanzierungsraten oder Mobilitätsangebote für kleines Geld - Kreativität ist jetzt gefragt. Ebenso wie die Unterstützung der Hersteller.

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