Die anhaltende Schuldenkrise in Europa bedroht die Existenz zahlreicher Autohäuser – und damit auch das Geschäftsmodell der gesamten Branche. Laut einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Roland Berger bringt die aktuelle Absatzflaute mehr als 20 Prozent der Händlerbetriebe in finanzielle Nöte. "Die derzeit rückläufigen Pkw-Absatzzahlen in Europa und der anhaltende Druck an den Finanzmärkten bereiten vielen Händlern signifikante Probleme im Tagesgeschäft", sagte Roland Berger-Autoexperte Marcus Hoffmann am Montag in München.
Nach Ansicht von Hoffmann kommt erschwerend hinzu, dass die tatsächliche Finanzsituation vieler Handelsbetriebe für die Autobauer undurchsichtig ist. Dies gelte insbesondere für Mehrmarkenhändler. "Viele Händler überschätzen ihre künftige finanzielle Stärke, wodurch auch für die Hersteller das Gefährdungspotenzial pro Händler und für das Gesamtnetzwerk eines Marktes nicht transparent ist", erklärte der Branchenkenner. Die Autohersteller müssten daher umgehend Maßnahmen zur Risikominimierung und Stützung der relevanten Betriebe einleiten.
Für die Branche empfiehlt der Berater eine marktbezogene Risikoanalyse in Verbindung mit Cashflow-Szenarien, um Verkaufsvolumina, Marktanteile und nachhaltige Profitabilität trotz schwieriger Marktbedingungen abzusichern. Dafür müsse der Hersteller zunächst die Händler identifizieren, die zum einen wirtschaftlich entscheidend sind, deren finanzielle Stabilität zum anderen aber bedroht sein könnte. Die hierfür relevanten Kennzahlen würden dann in einer Händler-Risikomatrix zusammengeführt. Dabei sei es zwingend erforderlich, für die gefährdeten Autohäuser eine Szenarien-basierte Cashflow-Vorhersage zu machen, um rechtzeitig gegensteuern zu können, hieß es.
"Detaillierter Plan für jeden Händler"
Nach dieser Fokussierung legt Hoffmann den Herstellern nahe, alle identifizierten Händler in einem "Liquiditäts-Cockpit" zusammenzuführen. So könne das gesamte Risikopotenzial in einem Markt abgeschätzt werden. "Schlussendlich ist es wichtig, dass die Hersteller einen detaillierten Maßnahmenplan für jeden identifizierten Händler entwickeln und stringent umsetzen." Dieser müsse neben strukturellen Maßnahmen auch Aktivitäten auf Händler- und auf Hersteller-Ebene adressieren, wie etwa Lagerbestandsoptimierung oder angepasste Kreditlinien und -bedingungen. "Eine kontinuierliche Erfolgsmessung und Feinsteuerung sind dabei im wahrsten Sinne des Wortes existenziell", betonte der Experte.
Roland Berger rechnet für das laufende Jahr mit einem Rückgang der europäischen Pkw-Absatzzahlen um rund sechs Prozent. 2011 wurden auf dem Kontinent 13,6 Millionen Autos verkauft. Mittelfristig werde sich der Markt wieder erholen, hieß es. (rp)
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