Zur Freude vor allem auch der deutschen Hersteller gewinnt Russlands in der Wirtschaftskrise stark gebremster Automarkt nun wieder kräftig an Fahrt. Zwar bleibt abzuwarten, ob das Tempo anhält – allein im Juli stieg der Absatz um 48 Prozent zum Vergleichsmonat 2009. Aber Volkswagen, Audi und Mercedes-Benz setzen nun wieder große Hoffnungen auf das größte Land der Erde. "Wir haben unterschätzt, wie schnell sich der Markt erholt. Und wir sind unterversorgt", sagte der Vertriebschef der Audi AG, Peter Schwarzenbauer, zum Start der Moskauer Internationalen Automobilmesse am Mittwoch.
Im Jahr 2015, so prognostizieren viele der Aussteller von 80 Unternehmen aus zwölf Ländern, sollen in Russland drei Millionen Autos verkauft werden. Das wäre eine Größenordnung wie in Deutschland. Nur im absoluten Ausnahmejahr 2008 war mit 2,7 Millionen Fahrzeugen ein ähnliches Volumen erzielt worden. Für 2010 erwarten Händler zunächst einen Anstieg auf 1,7 Millionen verkaufte Autos. Für die nächsten Jahre bietet kein europäischer Markt ein solches Wachstumspotenzial. Hinzu kommt, dass viele superreiche Russen nicht aufs Geld schauen bei exklusiven Sondermodellen in schrillen Farben und mit modischem Innendesign.
Das neue Tempo auf dem russischen Markt kommt auch deutschen Unternehmen zu Gute. Im ersten Halbjahr seien 45 Prozent mehr deutsche Autos importiert worden als im Vorjahreszeitraum, teilte die Deutsch-Russische Auslandshandelskammer (AHK) mit. Bei den Ersatzteilen seien die deutschen Ausfuhren sogar um 106 Prozent gestiegen.
Die deutschen Unternehmen hoffen vor allem auf die von der russischen Führung angekündigten Pläne, die Industrie des Landes zu modernisieren. "Wir begrüßen die Gründung neuer Autowerke mit ausländischen Anteilen", teilte Regierungschef Wladimir Putin zum Messestart mit. Putin hatte zuletzt vor allem der einheimischen Industrie mit Finanzspritzen in Millionenhöhe über die Krise hinweggeholfen. Den Verkauf kurbelte seine Regierung zudem mit einer Abwrackprämie nach deutschem Vorbild an (wir berichteten).
Vorab-Präsentationen im Luxushotel
Die deutschen Hersteller freuen sich indes über die auflebende Kauflaune der Russen. "In Russland gab es immer eine Vorliebe für große schöne Autos", sagte Andrej Rodionow von der Moskauer Mercedes-Niederlassung. Deshalb präsentiere das Unternehmen seine Weltpremiere der erneuerten CL-Klasse hier, sagte er der Zeitung "Wedomosti". Schon vor der Messe hatte auch Audi in einem Luxushotel vorab den neuen A7 gezeigt. "So eine Sneak Preview kommt hier besonders gut an", sagte Audi-Vertriebschef Schwarzenbauer.
Allein der Ingolstädter Autobauer will in den nächsten fünf Jahren sein Händlernetz auf knapp 90 fast verdoppeln. Allerdings beklagen westliche Hersteller weiter die hohen russischen Importzölle zum Schutz der einheimischen Autoindustrie. Dennoch sieht etwa auch die Vereinigung Europäischer Unternehmen (AEB) nach der Krise wieder "klare Anzeichen einer echten Erholung". Mit einer Dichte von 200 Autos je 1.000 Einwohner ist der Bedarf in Russland weiter immens. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 566 Autos.